Unaufgeklärte Wohnungseinbrüche, organisierte Kriminalität und No-Go-Areas belegen, dass der Politik die Kontrolle über die Kriminalität entglitten ist, sagt Florian Albrecht. Er zeigt, wieso Hilfspolizisten kaum Abhilfe schaffen.
Die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit ist nach der Gewährleistung unseres an den grundgesetzlichen Freiheitsrechten ausgerichteten Staatswesens eine Kernaufgabe der Bundesrepublik. Dies sagt allerdings wenig darüber aus, mit welchen Mitteln und mit welchem Personal der Staat diese Zielsetzung zu verfolgen hat. Wenn man sich vor Augen führt, dass ein Polizeibeamter in der Regel mindestens zwei Jahre ausgebildet und dann entsprechend seiner Position und Aufgabe besoldet werden muss, verwundert es nicht, dass mit Blick auf die sich zuspitzenden Herausforderungen Rufe nach weiteren Möglichkeiten laut werden, um möglichst schnell und möglichst günstig auf personelle Engpässe der Polizeien reagieren zu können. So plant der Innenminister Sachsen-Anhalts, kurzfristig Hilfspolizisten einzusetzen und auch im Saarland diskutiert man gerade diese Idee.
Die Konzeption der Freiwilligen Polizeidienste (in Berlin von 1961 bis 2002), Sicherheitswachten (in Bayern seit 1993) und Wachpolizeien (in Sachsen mit Unterbrechung seit 2002) sind Beispiele für die vielfältigen Vorschläge, mit denen bereits zahlreiche Bundesländer für eine Verbesserung der inneren Sicherheit sorgen wollen. Grundsätzlich werden von Angehörigen solcher Hilfspolizeien nach den einschlägigen landesrechtlichen Regeln weniger anspruchsvolle polizeiliche Hilfstätigkeiten ausgeübt, zu denen etwa die Sicherung von Gebäuden und öffentlichen Einrichtungen, die Überwachung des Straßenverkehrs oder Streifendienste gehören. Der bayerischen Sicherheitswacht wird mit Art. 2 des Gesetzes über die Sicherheitswacht in Bayern (SWG) als Besonderheit die Bekämpfung der Straßenkriminalität anvertraut.
Staatliche Verantwortung für innere Sicherheit ist unteilbar
Verfassungsrechtliche Zweifel hinsichtlich der Zulässigkeit der Übertragung von Sicherheitsaufgaben auf Angehörige von Hilfspolizeien nährt Art. 33 Abs. 4 Grundgesetz (GG). Die Vorschrift besagt, dass hoheitsrechtliche Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel den Beamten vorbehalten sind, weil diese aufgrund ihrer besonderen Bindung an den Staat und ihre Fachkompetenz die beste Gewähr für eine sachgerechte und rechtskonforme Aufgabenwahrnehmung bieten. Privatrechtlich Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, wie etwa nach Ziffer 1 der Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des § 13 HSOG-DVO, oder unter Umgehung verfassungsrechtlicher Vorgaben in ein "besonderes öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis" berufene Personen gemäß Art. 11 Abs. 1 Satz 1 SWG sind demnach von der Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse grundsätzlich ausgeschlossen.
Höchst umstritten ist allerdings, was unter hoheitsrechtlichen Befugnissen im Sinne des Art. 33 Abs. 4 GG zu verstehen ist. Insoweit herrscht allenfalls dahingehend ein Grundkonsens, dass Maßnahmen, bei denen mittels Befehl und Zwang Grundrechte der Bürger beschränkt werden, von dem Tatbestandsmerkmal erfasst werden.
Die für die Hilfspolizeien geschaffenen Eingriffsbefugnisse beschränken sich daher im Wesentlichen auf Maßnahmen mit eher geringer Eingriffsintensität, wie etwa Befragung und Identitätsfeststellung und erwähnen Befugnisse zur Ausübung von Zwangsmitteln eher beiläufig in den Gesetzgebungsmaterialien. Zudem ist zu berücksichtigen, dass das polizeiliche Aufgabenspektrum nicht auf die reine Eingriffsverwaltung beschränkt, sondern zunehmend durch Dienstleistungshandeln wie Beratungsangebote geprägt wird. Im beratenden Bereich können verfassungsrechtliche Bedenken weitgehend ausgeräumt werden.
2/2: Befugnisse der Hilfspolizei je nach Landesrecht
Gleichwohl ist der uneinheitlichen Praxis der landesrechtlichen Regelungen die Ausübung von polizeilichen Zwangsmitteln nicht fremd. Als Beispiel kommt § 1 Abs. 4 des Gesetzes über den Freiwilligen Polizeidienst in Baden-Württemberg (FPolDG) in Betracht, der den Hilfspolizisten den Zugriff auf sämtliche polizeiliche Befugnisse eröffnet und selbst den gegen Personen gerichteten Einsatz von Schusswaffen nicht ausspart.
Wenn man unter Berücksichtigung der unterschiedlich weit reichenden Interpretationsmöglichkeiten des Art 33 Abs. 4 GG davon ausgeht, dass bei dem Einsatz von Hilfspolizisten grundsätzlich auch um die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse geht, bedarf die Ausnahme von der durch das Grundgesetz vorgegebene Regel eines sachlichen Grundes. Rein finanzielle Interessen der Bundesländer genügen insoweit nicht.
Polizeidienst ist mit schwierigen Entscheidungen verbunden
Zudem kann sich der Staat durch die Einbindung nicht verbeamteter Akteure in seine Sicherheitsarchitektur nicht der ihn treffenden und aus Schutzpflichten folgenden Verpflichtung entziehen, den Einsatz polizeilicher Mittel so auszugestalten, das die Bürger nicht unnötig belastet und die im Einsatz befindlichen Hilfspolizisten nicht unnötig gefährdet werden. Dreh- und Angelpunkt ist immer die Aus- und Fortbildung der Hilfspolizisten, die über das notwendige Rüstzeug für den (Hilfs-)Polizeidienst verfügen müssen.
Entscheidend ist insoweit, dass die Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben, auch in den einfach anmutenden Bereichen der Fußstreifen oder des Objektschutzes, durch nicht vorhersehbare Sofortlagen geprägt ist. Hier gilt es, die oftmals unterschiedlichen und miteinander kollidierenden Rechte und Interessen der Beteiligten unter hohem Druck abzuwägen und in rechtsstaatlicher Weise zu reagieren. Nicht ohne Grund erfolgte die Auflösung des Freiwilligen Polizeidienstes von Berlin gerade auch, um "Risiken von Schäden für den Einzelnen und die Allgemeinheit zu minimieren, die sich aus der Verwendung von Personen ergeben, die die Aufgaben […] ohne eine berufsspezifische Ausbildung ausüben" (BerlVerfGH, Beschl. v. 01.11.2004, Az. 120/03).
Aktuelle Ausbildungsdauer der Hilfspolizisten viel zu kurz
Dass den verfassungsrechtlichen Anforderungen mit der gegenwärtigen Ausbildungsdauer der Hilfspolizisten, die sich in der Regel auf nur wenige Unterrichtseinheiten im Straf- und Eingriffsrecht beschränkt, genüge getan wird, darf bezweifelt werden. Dem schafft auch keine Abhilfe, dass nach dem Willen des Verordnungsgebers an der Polizeiakademie Hessen Ausbildungen für den Einsatz von "blauem Blinklicht und Einsatzhorn" angeboten werden.
Die aktionistischen Initiativen der Landespolitik stehen bereits jetzt im Verdacht, neue Konfliktherde zu schaffen. Innere Sicherheit wird man nicht dadurch gewährleisten können, dass man auf die mitunter unerträglichen und von einem großen medialen Interesse begleiteten Entwicklungen übermotiviert reagiert. Die Gewährleistung der inneren Sicherheit ist vielmehr eine komplexe Aufgabe, die ursachenbezogener Ansätze und strategischer Planungen bedarf. Dazu muss man zunächst einmal das Problem und die Ursachen verstehen.
Der Autor Florian Albrecht ist Oberregierungsrat und hauptamtlich Lehrender für die Rechtsfächer an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl. Er forscht seit mehr als 10 Jahren zu den Rechtsfragen der inneren Sicherheit. Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Auffassung des Verfassers wieder.
Florian Albrecht, Im Einsatz für die innere Sicherheit: Wenn Billigpolizisten zum Problem werden . In: Legal Tribune Online, 20.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19138/ (abgerufen am: 19.04.2024 )
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