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Nach der Beschlagnahme von Vereinsvermögen: Hells Angels wollen ihre Motor­räder zurück

von Ass. jur. Florian Albrecht, M. A.

02.11.2017

Motorräder

© Steve Mann - stock.adobe.com

Im Zuge des Verbots zweier Motorradclubs in NRW beschlagnahmte die Polizei u. a. mehrere Zweiräder als Vereinsvermögen. Die Rocker gehen nun dagegen vor – und ihre Chancen stehen grundsätzlich nicht schlecht, meint Florian Albrecht.

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Polizei beschlagnahmt neun Motorräder

Am 18.10.2017 wurde das vom nordrhein-westfälischen Innenministerium ausgesprochene Verbot der Vereine Hells Angels MC Concrete City sowie Clan 81 Germany vollstreckt. Die Rockervereine mit Stammsitz in Erkrath wurden aufgrund der Annahme strafrechtlich relevanter Aktivitäten verboten. Vorausgegangen waren unter anderem Massenschlägereien zwischen verfeindeten libanesischen Großfamilien, wobei eine Seite Unterstützung aus Rockerkreisen erfahren haben soll.

Die Verbotsverfügung spricht insoweit von tumultartigen Auseinandersetzungen, die nur unter hohem personellem Einsatz der Polizei eingedämmt werden konnten. Hierbei wurden Beamte angegriffen und verletzt. Die Maßnahme der Innenbehörde ist Bestandteil einer Zero-Tolerance-Strategie, mit der Rockervereine unter Druck gesetzt und aus dem öffentlichen Leben verbannt werden sollen. Im Zuge der Vollstreckung wurden u. a. neun Motorräder sichergestellt.

Während die Polizeiaktion seitens des Landesinnenministeriums als großer Erfolg beschrieben wurde, ließ auch die Reaktion der Rocker nicht lange auf sich warten. Diese kritisierten über einen Rechtsanwalt, es seien im Zusammenhang mit der Vollziehung des Verbots Gegenstände beschlagnahmt worden, die nicht zum Vereinsvermögen gehörten.

Seitens der Behörde wurde hingegen insbesondere die Mitnahme der neun Motorräder gerechtfertigt. Diese sollen nach dem Verbot der Vereine gem. § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG als Vereinsvermögen der Beschlagnahme und Einziehung unterliegen. Was genau beschlagnahmt werden kann, muss aber in jedem einzelnen Fall sorgfältig geprüft werden.

Zwischen Eigentumsschutz und effektivem Verbotsverfahren

Zum Vermögen eines Vereines gehören alle Gegenstände, die der Verein nutzt oder zu nutzen beabsichtigt, um die von ihm verfolgten Zielsetzungen zu erreichen, ohne dabei von der Zustimmung Dritter abhängig zu sein. Der staatliche Zugriff auf dieses Vereinsvermögen dient vor allem dazu, einem bspw. strafgesetzwidrigen Verein die Grundlage für die Fortsetzung seiner Aktivitäten zu entziehen. Daher erfolgt die Zuordnung eines Gegenstandes zum Vereinsvermögen auch nicht anhand der Eigentumsverhältnisse, sondern auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise.

Zum Vereinsvermögen gehören aber nicht nur Gegenstände, die eine wirtschaftliche Bedeutung aufweisen, sondern auch solche ideeller Prägung (also etwa Jubiläumsgeschenke, Ehrenurkunden, Kleidungsstücke usw.). Die Rechtsprechung geht insoweit zutreffend davon aus, dass wegen des berechtigten staatlichen Interesses an einer effektiven Gefahrenabwehr der Begriff des Vereinsvermögens weit ausgelegt werden darf (VG Berlin, Urt. v. 01.09.2015 – 29 K 237.13).

Gleichzeitig ist aber auch zu berücksichtigen, dass mittels eines zu weit reichenden Vermögensbegriffs in unverhältnismäßiger Weise auf das Privateigentum der Vereinsmitglieder zugegriffen werden könnte (VG Göttingen, Urt. v. 14.10.2015 – 1 A 240/14).

Folglich muss ein Weg gefunden werden, der verhindert, dass eine möglicherweise übereifrige Verbotsbehörde das Privatvermögen eines Vereinsmitglieds (bspw. ein von diesem geführtes Unternehmen) dem Vereinsvermögen zurechnen und beschlagnahmen kann, ohne dass ein Zusammenhang mit dem verbotenen Verein bestünde. Gleichzeitig muss das Verbotsverfahren aber effektiv bleiben.

Die verwaltungsgerichtliche Praxis unterscheidet dazu bei der Zuordnung i. d. R. drei Varianten: So ist darauf abzustellen, ob sich die Vermögensbestanteile im Gewahrsam des Vereins (also bspw. in einem Clubheim oder auf einem verschlossenen Clubgelände), eines Vereinsvorstandes oder im Gewahrsam eines einfachen Vereinsmitglieds befinden.

Das verschärfte Vereinsgesetz verbessert die Chancen der Rocker

2/2 Was sich auf dem Clubgelände befindet, ist Vereinsvermögen

Motorräder, die auf einem Clubgelände verwahrt werden und dort von unterschiedlichen Vereinsmitgliedern genutzt werden können, gehören demnach mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Vereinsvermögen.

Beruft sich ein Vereinsmitglied darauf, dass dies nicht der Fall ist, wird es ihm gelingen müssen, nachzuweisen, dass es sich eigenverantwortlich um das Motorrad gekümmert hat und dass es auch keine Direktiven oder Empfehlungen zu dessen Nutzung gegeben hat. Das dürfte aufgrund der seitens des Bundesverwaltungsgerichts beschriebenen engen Verbundenheit, die innerhalb der Rockvereine herrschen soll (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.01.2015 – 6 C 1/14), schwer fallen.

Ebenfalls eine wichtige Rolle spielen die Vorstandsmitglieder eines Vereines: Sie vermitteln als dessen Repräsentanten Gewahrsam an denjenigen Gegenständen, derer sich der Verein zur Erreichung seiner Zwecke bedient.

Handelt es sich also um einen Verein, dessen Mitglieder öffentlich demonstrativ mit ihren schweren Motorrädern auftreten und so eine Drohkulisse aufbauen, so liegt es nahe, sie dem Einflussbereich des Vorstandes und somit dem Vereinsvermögen zuzuordnen (vgl. OVG Bautzen, Beschl. v. 24.10.2016 – 3 A 612/16). Die aktuelle Verbotsverfügung aus Nordrhein-Westfalen stützt sich hierauf allerdings nicht.

Gemeinsame Ausfahrten in Kutte

Schwierig wird die Zuordnung indes dann, wenn sich die Gegenstände im Gewahrsam einfacher Mitglieder des Vereins befinden. Der weite Begriff des Vereinsvermögens kann in verhältnismäßige Bahnen gelenkt werden, wenn in diesen Fällen nur solche Gegenstände dazu gezählt werden, die eindeutig, also aus der Sicht eines nicht fachkundigen Betrachters, unzweifelhaft zum Vereinsvermögen gehören (VG Braunschweig, Urt. v. 13.12.2016 – 5 A 196/14).

Bei einem Motorrad wäre dies z. B. dann der Fall, wenn es ausschließlich oder ganz überwiegend für gemeinsame Ausfahrten in Rockerkutten genutzt wurde und Umbauten oder Kennzeichen aufweist, die es unmittelbar einem verbotenen Verein zuordnen.

Eine solche Zuordnung von Motorrad und Fahrer zu einem verbotenen Verein wird aufgrund der erst kürzlich zum Jahresanfang erfolgten Verschärfung des Vereinsgesetzes, die es Mitgliedern von Rockervereinen unter Strafandrohung untersagt, ihre Kennzeichen in der Öffentlichkeit zu verwenden, kaum mehr möglich sein. Dies wird man auch hinsichtlich der erfolgten Sicherstellung der Motorräder im Falle des Verbots des Hells Angels MC Concrete City zu beachten haben.

Insgesamt dürften sich die Chancen der Rocker dank der Initiative des Bundesgesetzgebers verbessert haben. Die Reaktion der Verwaltungsgerichte darf mit Spannung erwartet werden.

Florian Albrecht M.A. (Polizeiwissenschaften) ist Oberregierungsrat und hauptamtlich Lehrender für die Rechtsfächer an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl. Er ist Mitherausgeber und -autor eines Kommentars zum Vereinsgesetz. Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Auffassung des Verfassers wieder.

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Florian Albrecht, Nach der Beschlagnahme von Vereinsvermögen: Hells Angels wollen ihre Motorräder zurück . In: Legal Tribune Online, 02.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25329/ (abgerufen am: 30.03.2023 )

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