Gemeinhin ist die deutsche Polizeigewerkschaft nicht für ihre Zurückhaltung bekannt, wenn es um Überwachungsmaßnahmen geht. Auf das Hamburger Vorhaben, die Dienstwagen der dortigen Polizeibeamten mit GPS-Sendern auszustatten, reagiert sie jedoch ausgesprochen empfindlich. Zu Unrecht, meint Frank Braun: Rechtliche Bedenken bestehen jedenfalls nicht.
Stein des Anstoßes ist das Vorhaben der Hamburger Polizeileitung, die Dienstwagen der hanseatischen Polizisten mit GPS-Sendern zu versehen, um deren Position schneller und genauer ermitteln zu können. Hiergegen läuft die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) Sturm: Es handele sich um einen "digitalen Leinenzwang", so Thomas Jungfer, Erster stellvertretender Landesvorsitzender der DPolG Hamburg. Der Widerstand wird in den Medien zum Teil mit Spott bedacht – schließlich ist die DPolG sonst oftmals an vorderster Front mit dabei, wenn es um den Ausbau von Überwachungsmechanismen geht.
Kein guter Vergleich, meint Jungfer gegenüber der Hamburger Morgenpost: "Video- und Telefondatenüberwachung findet nur an Orten beziehungsweise in Situationen statt, in denen es um die Sicherheit der Menschen geht. Bei der GPS-Überwachung der Polizei geht es hingegen um eine dauerhafte und verdachtsunabhängige Überwachung." Im Grunde hat er damit Recht. Wenn er aber hinzufügt: "Der Polizeipräsident scheint seinen eigenen Mitarbeitern nicht zu vertrauen", so darf man bezweifeln, ob dies die Intention der Polizeiführung trifft.
Das GPS-Tracking soll, ausweislich der Stellungnahmen des hamburgischen Polizeipräsidiums, gerade nicht zum Zwecke der Personalkontrolle erfolgen. Ziel der Maßnahme sei vielmehr eine "bessere und schnellere Koordinierung der Einsatzmittel". Bislang ließe sich der Standort der Fahrzeuge von der Einsatzzentrale ausschließlich durch Funkgespräche mit den Kollegen ermitteln. Auch würden die zukünftig erhobenen Positionsdaten ausschließlich der Einsatzzentrale mitgeteilt und allenfalls sehr kurzfristig gespeichert, da sich das System ständig selbst überschreibe, so Polizeisprecherin Ulrike Sweden gegenüber der Hamburger Morgenpost.
GPS-Tracking zur Einsatzkontrolle grundsätzlich rechtlich zulässig
Im Grunde ist die Situation nicht anders zu bewerten, als wenn ein privater Arbeitgeber, etwa ein Spediteur, seine Fahrzeuge mit Ortungssystemen ausstattet. Zwar ist bei privaten Beschäftigungsverhältnissen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) anwendbar, während im öffentlichen Dienst auf die jeweiligen Landesdatenschutzgesetze zurückgegriffen wird.
Doch ähneln sich die einschlägigen Vorschriften, die – stark vereinfacht – eine Überwachung des Beschäftigten zulassen, wenn diese zur Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses "erforderlich" ist. Im Wesentlichen bedarf es hierfür eines legitimen Zweckes des Arbeitgebers/Dienstherrn für die Maßnahme, der gegenüber dem Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten verhältnismäßig ist.
Dieser obligatorischen Verhältnismäßigkeitsprüfung wurden in § 32 des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung für ein Beschäftigtendatenschutzgesetz (BDSG-E) in Bezug auf den Einsatz von Ortungssystemen Konturen verliehen. Auch wenn das Gesetzesvorhaben mittlerweile aufgegeben wurde, so können die Kernaussagen der Regelung vorliegend für die allgemeine Verhältnismäßigkeitsprüfung nutzbar gemacht werden.
2/2: Datenerhebung nur unter engen Voraussetzungen
Danach dürfen Geolokalisationsdaten nur zum Zwecke der Sicherheit des Beschäftigten (zum Beispiel Chip im Überlebensanzug eines Bohrinselmitarbeiters) oder zur Koordinierung des Einsatzes des Beschäftigten (zum Beispiel bei Speditionsbetrieben oder eben bei Polizeieinsätzen) und auch nur dann erhoben werden, wenn keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen des Beschäftigten entgegenstehen.
An Letzterem können hier kaum Zweifel bestehen, dient doch die GPS-Ortung der Effektuierung der Gefahrenabwehr beziehungsweise der Strafverfolgung und damit dem Schutz hochrangiger Rechtsgüter, gegenüber denen die Interessen der "überwachten" Polizeibeamten zurücktreten. Ohnehin kann ein auf Streifenfahrt befindlicher Polizist nicht ernstlich die Erwartung großer Privatheit bezüglich seiner Position hegen; vielmehr ist diese auch bisher – per Funk – auf Anfrage an die Zentrale mitzuteilen.
Eine Datenerhebung allein zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle der Beschäftigten wäre dagegen unzulässig, wie auch eine sogenannte "Totalüberwachung", mittels derer der Beschäftigte durch Erstellung eines lückenlosen Bewegungsprofils zum bloßen Beobachtungsobjekt degradiert würde. Freilich ist diese Gefahr vorliegend gebannt, wenn die erhobenen Daten – soweit nicht zur Einsatzkoordination benötigt – tatsächlich umgehend automatisch gelöscht werden.
Im Übrigen dürfen zulässige Kontrollen selbstverständlich nur während der Dienstzeit stattfinden. Eine "heimliche" Datenerhebung ist rechtswidrig; die Beschäftigten müssen über das Ausmaß der Aufzeichnungen und die vorgesehenen Auswertungen umfassend informiert werden.
Da die Daten ausschließlich zu den vorgenannten Zwecken genutzt werden dürfen, ist zudem die Verwertung sogenannter "Zufallsfunde" grundsätzlich ausgeschlossen. Etwas anderes kann ausnahmsweise nur dann gelten, wenn durch den Zufallsfund der hinreichende Verdacht einer strafbaren Handlung des Beschäftigten begründet wird.
Somit kann – unter Beachtung der angedeuteten organisatorischen Schutzvorkehrungen – der Einsatz von GPS-Sendern in polizeilichen Einsatzfahrzeugen rechtskonform gestaltet werden.
Zurückhaltung der Gewerkschaftsvertreter wäre wünschenswert
Die Hamburger Polizisten brauchen folglich keine Angst vor "totaler Überwachung" zu haben, wie es aus den Meldungen der DPolG hervorklingt. Natürlich sind die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Beamten Rechtsgüter von hohem Rang. Auch mögen empfindliche Reaktionen auf geplante oder durchgeführte Überwachungsmaßnahmen gerade in Zeiten von PRISM & Co. nachvollziehbar sein.
Über Hohn und Spott darf man sich dennoch nicht beklagen, wenn der Gewerkschaftsvorsitzende Rainer Wendt sich in der politischen Debatte gegenüber Handelsblatt Online wohlwollend zur Überwachung von Telefon- und Internetdaten in den USA äußert, ähnliches auch für Deutschland anregt und dabei den Schutz vor Terror und Kriminalität als "wertvollstes" Bürgerrecht ausruft.
Letztlich bleibt zu erinnern, dass der Beruf des Polizeibeamten – bislang völlig zu Recht – in der Bevölkerung höchstes Vertrauen und Ansehen genießt. Damit dies so bleibt, stehen auch die Polizeigewerkschaften in der Pflicht. Mehr Zurückhaltung in der öffentlichen Diskussion könnte dabei derzeit nicht schaden.
Der Autor Dr. Frank Braun ist Oberregierungsrat. Er lehrt im Fachbereich Polizeivollzugsdienst an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung des Landes NRW Staatsrecht sowie Polizei- und Strafprozessrecht; im Nebenamt lehrt er IT-Recht an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Landshut.
Dr. Frank Braun, GPS in Streifenwagen: Polizei fürchtet "Totalüberwachung" in den eigenen Reihen . In: Legal Tribune Online, 26.07.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9228/ (abgerufen am: 19.04.2024 )
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