Der "Ausbruch" aus der auf iPhones vorinstallierten SIM- und Softwaresperre wird im Internet frenetisch gefeiert. Dabei ist die Verwendung einer jailbreak-Software alles andere als unbedenklich. Mit rechtlichen Ansprüchen würden Apple und T-Mobile in Deutschland allerdings auf die Barrieren des Datenschutzes stoßen.
Kaum war die Betaversion des iOS 4.1 von Apple veröffentlicht, hatte schon das so genannte Dev-Team Wege gefunden, die vorinstallierten Sperren mittels eines "jailbreak" zu umgehen.
Hintergrund ist folgender: Die von Apple vertriebenen iPhones werden in Verbindung mit einem Vertrag bislang lediglich über T-Mobile vertrieben. Neben einer Sperre, die verhindert, dass vom Hersteller nicht autorisierte Software installiert wird, verfügt sie auch über eine Sperre, die eine Verwendung des iPhone mit anderen SIM-Karten unmöglich macht. Eine Aufhebung der Softwaresperre ist nicht vorgesehen; die der SIM-Karte kann erst mit Ablauf von 24 Monaten und damit mit Ende der Mindestlaufzeit des Mobilfunkvertrages beantragt werden.
Rechtlich ist eine vertragliche Bindung von bis zu 24 Monaten nicht zu beanstanden. Diese Praxis ist in Telekommunikationskreisen üblich.
Die von der Telekom vorgegebene Laufzeit bezieht sich zwar primär auf die Möglichkeit, Telefondienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Allerdings ist hieran zumeist auch das mit dem Telefonvertrag erhaltene Mobiltelefon gekoppelt. So stellte der BGH bereits im Jahre 1998 fest, dass "[…] auch wenn es möglich ist, Mobiltelefone ohne Kartenvertrag zu erwerben […], die meisten Erwerber eines Mobiltelefons einen Netzkartenvertrag abschließen [müssen], um das Telefon überhaupt in der beabsichtigten Weise einsetzen zu können".
T-Mobile hat das Nachsehen
Im Fall des iPhone kann man davon ausgehen, dass eine vertragliche Bindung, wonach das Gerät 24 Monate lang nur in Verbindung mit dem angebotenen Telefonvertrag genutzt werden kann, eine Einheit darstellt. Soweit diese Regelung zulässig ist, stellt sich die Frage, welche Rechte durch den Einsatz einer jailbreak-Software verletzt werden.
Zu der vorinstallierten Software-Sperre hat die Electronic Frontier Foundation unlängst vor dem Copyright Office of the Library of Congress erreicht, dass diese in den USA als Ausnahme des Digital Millenium Copyright Act eingestuft und damit legal ist - ob dies gleichermaßen in Deutschland gilt, ist ungeklärt.
Die SIM-Sperre ist in den AGB von T-Mobile zwar als reiner Hinweis formuliert. Man kann jedoch davon ausgehen, dass das iPhone für zwei Jahre lediglich in Verbindung mit dem Mobilfunkvertrag verwendet werden soll (umgekehrt ist es den Kunden erlaubt, die SIM-Karte in andere Mobiltelefone einzusetzen). Ein Einsatz der jailbreak-Software könnte damit als Verletzung einer Nebenpflicht einen Schadenersatz- und Unterlassungsanspruch sowie eventuell auch ein Rücktritts- oder Kündigungsrecht auslösen.
Mögliche Ansprüche der Telekom werden jedoch schwer durchsetzbar sein: Ohne eine datenschutzrechtlich bedenkliche Kontrolle aller Aktivitäten des iPhone-Nutzers ist es kaum möglich, die Verwendung der Software nachzuweisen, solange das Gerät beim Nutzer verbleibt. Auch ist die Bemessung eines Schadenersatzes nicht einfach, da hierfür weitere Daten benötigt würden, etwa die Verbindungsdaten eines alternativ verwendeten Mobilfunkanbieters.
Das Urheberrecht – ein zahnloser Tiger?
Zu denken wäre nach deutschem Recht weiter an einen Verstoß gegen das Urheberrechtsgesetz. Soweit die Umgehung der SIM-Sperre einen verändernden Eingriff in die Software darstellt, könnte dies urheberrechtliche Schadenersatz- und Unterlassungsansprüche auslösen.
Auch könnte der Kunde dadurch das ihm eingeräumte Nutzungsrecht überschreiten. Die Konstellation ist vergleichbar mit der vor einigen Jahren verbreiteten Umprogrammierung der Klimaautomatik eines PKW. Dadurch sollten die Funktionen des Bordcomputers nutzbar gemacht werden, die der PKW-Käufer nicht erworben hatte und die deshalb vom Hersteller gesperrt waren. In einer Parallele zum OEM-Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) ist aber zweifelhaft, ob Apple wirksam ein nur auf diesen Vertriebsweg beschränktes Nutzungsrecht einräumen kann.
Für eine verbotene Umgehung technischer Schutzmaßnahmen müsste schließlich die Umgehung der SIM-Sperre zur Nutzungs- oder Zugangsermöglichung erfolgen. Das aber ist in Anbetracht des eigentlichen Ziels, nämlich den Vertriebsweg zu beschränken, zweifelhaft. Soweit Unterlassungs- oder Schadenersatzansprüche aus dem Urheberrecht angenommen werden, wäre allerdings nicht der Mobilfunkanbieter, sondern Apple betroffen und ebenfalls mit den erwähnten Problemen bei der Durchsetzung konfrontiert.
Andere Gesetze "bissiger"?
In Betracht kommt auch eine Verletzung von Markenrechten. Der BGH hat hierzu entschieden, dass "die Aufhebung einer SIM-Sperre von Mobilfunktelefonen eine jedenfalls fahrlässig begangene Markenrechtsverletzung darstellt". Ein Markeninhaber kann sich dem weiteren Vertrieb seiner Waren aus berechtigten Gründen widersetzen, wenn ohne Veränderung des Zustands des Produkts eine Gefahr für die Herkunfts- oder Garantiefunktion der Marke besteht oder wenn die Unterscheidungskraft oder Wertschätzung der Marke beeinträchtigt wird.
Im Fall von "jailbreak" müsste Apple neben der Begründung einer solchen Gefahr zunächst beweisen können, dass überhaupt eine Umgehung vorliegt.
Schließlich ist noch an eine Verletzung des Zugangskontrolldiensteschutz-Gesetzes zu denken. Da durch die Aufhebung der SIM-Sperre nicht unerlaubt ein zugangskontrollierter Dienst (Rundfunkdarbietungen, Telemedien) genutzt, sondern die Verwendung weiterer, grundsätzlich zugangsfreier Dienste ermöglicht werden soll , wird hier eine erforderliche Voraussetzung fehlen.
Die Umgehung der SIM-Sperre des iPhone begegnet in Deutschland folglich einigen rechtlichen Bedenken. Die Problematik der Durchsetzbarkeit in der Praxis und der damit verbundene Aufwand könnten jedoch dazu führen, dass einzelne Verstöße nicht verfolgt werden. Ob hieraus eine generelle "Duldung" von jailbreak Software geschlossen werden kann, ist sehr zweifelhaft. Vielmehr wird es wohl bei dem vom Dev-Team postulierten "Katz und Maus-Spiel" bleiben.
Der Autor Dr. Thomas Weimann ist Fachanwalt für Informationstechnologierecht und Partner bei BRP Renaud und Partner am Standort Stuttgart.
Der Autor Daniel Nagel ist Rechtsanwalt bei BRP Renaud und Partner am Standort Stuttgart.
Beide beschäftigen sich schwerpunktmäßig mit IT-Recht, Datenschutzrecht, AGB-Gestaltung und internationalem Recht und sind Verfasser diverser Veröffentlichungen auf diesen Gebieten.
Thomas Weimann und Daniel Nagel, Hackerprogramme: . In: Legal Tribune Online, 18.10.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1736 (abgerufen am: 13.12.2024 )
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