Es gibt sie, die wundervollen gesetzlichen Errungenschaften, die zumindest einigen Menschen in der Gesellschaft zu einem schöneren oder zumindest selbstbestimmteren Leben verhalfen. Wir wagen den positiven Blick.
Je nach politischer Gesinnung herrscht großes Frohlocken oder schockiertes Gänsehautgefühl ob der Gesetzesvorhaben, die die noch amtierende Bundesregierung – und die davor - in geltendes Recht umgesetzt haben. Sagen wir mal Netzdurchsuchungsgesetz , Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens oder - noch ganz frisch in Bayern - das Polizeiaufgabengesetz, das "ewig" verlängerbare Haft für Gefährder vorsieht.
Doch Gesetzesänderungen waren und sind nicht immer schlecht. Im Grundgesetz ist seit dem 23. Mai 1949 die Gleichheit von Mann und Frau mit Verfassungsrang geregelt. Seitdem sind Frauen und Männer in Deutschland zumindest formal gleichgestellt – und einiges hat sich ja auch schon getan. Wir wagen einen Blick zurück – manchmal sehr weit. Und erlauben uns Momente der Dankbarkeit.
1/13: Urlaub
Es ist Sommer und wir wollen in den Urlaub. Dürfen wir – und zwar heute nach dem Bundesurlaubsgesetz für mindestens 24 Werktage. Im Schnitt haben deutsche Arbeitnehmer sogar jährlich 27 Tage Urlaub. Das war beileibe nicht immer so: Vor der Industrialisierung wurden maximal einige bezahlte freie Tage einseitig vom Arbeitgeber gewährt.
Doch der erste echte Urlaubsanspruch folgte dann nicht aus dem Gesetz, sondern aus einem Tarifvertrag, den im Jahre 1903 der Zentralverband deutscher Brauereiarbeiter erstritten hatte. Das war übrigens der Vorreiter der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG): Nach mindestens einem Jahr Beschäftigung bekamen die Mitarbeiter drei Tage bezahlten Urlaub. Der gesetzliche Urlaubsanspruch wurde erst 1963 mit dem Bundesurlaubsgesetz geschaffen.
2/13: Arbeitserlaubnis – für die Ehefrau
Eine Erwerbstätigkeit von Ehefrauen war nicht verboten, doch von 1958 bis 1977 hieß es in § 1356 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): " Sie [die Frau] ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist." Und ob dies so war, hatte der Ehemann zu entscheiden: Er musste die Erlaubnis zum Arbeiten geben und konnte Arbeitsverträge ohne die Zustimmung seiner Ehefrau eigenständig kündigen. Das änderte sich erst 1977. Seitdem heißt es unverändert: "Beide Ehegatten sind berechtigt, erwerbstätig zu sein."
3/13: Kontoeröffnung und Kindererziehung
Auch für die Verwaltung des ehelichen Vermögens war bis 1958 ausschließlich der Mann zuständig, inklusive Kontoeröffnungen: Bis 1957 durften Frauen ohne Zustimmung ihres Ehemannes kein eigenes Konto eröffnen.
Diese Regelung wurde mit dem Gleichberechtigungsgesetz (GleichberG) abgeschafft. Es nahm dem Mann das Letztentscheidungsrecht in allen Eheangelegenheiten. Dieses Gesetz beschränkte auch die Rechte der Väter bei der Kindererziehung; auch hier hatten diese stets das letzte Wort. Das gemeinsame Erziehungsrecht besteht aber erst seit 1979.
4/13: Studium
Zugang zu Universitäten haben Frauen seit 1899, allerdings nur als Gasthörerinnen. Immerhin seit 1908 durften sie ernsthaft studieren und einen Abschluss machen, allerdings kam eine Habilitation zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Frage: Lehren dürfen Frauen auch erst seit 1918.
Die Vorreiterin dafür an Universitäten war seit 1923 Margarete von Wrangell. Sie war Chemikerin und Professorin für Pflanzenernährung an der Universität Hohenheim. Heute liegt der Frauenanteil an den Habilitationen bei 30 Prozent (2016). Dieser steigt kontinuierlich, 2006 hatte er noch bei 22 Prozent gelegen. Was Professuren angeht, liegt der Frauenanteil bei 23 Prozent (2016).
5/13: Kranzgeld
Tja, die Eigenverantwortlichkeit der Frauen hat auch ihre Tücken. Mit dem BGB war die Regelung des Kranzgeldes gem. § 1300 BGB in Kraft getreten. Dort hieß es: "Hat eine unbescholtene Verlobte ihrem Verlobten die Beiwohnung gestattet, so kann sie, wenn die Voraussetzungen des § 1298 oder des § 1299 vorliegen, auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangen." Mit anderen Worten: Es gab Schadensersatz für Beischlaf, der nicht in der Ehe mündete.
Noch 1968 bekam eine Frau vom Oberlandesgericht Köln ein Kranzgeld zugesprochen (Az: 9 U 182/67). Das OLG ließ nicht gelten, dass der Mann, wie er behauptet habe, von der Frau verführt worden sei und nach seiner Ansicht dafür eigentlich etwas von der Frau zu bekommen habe. Ebenso wenig zählte in Köln die Behauptung, die Frau sei gar nicht unbescholten gewesen.
Es heißt, die letzte dokumentierte Verurteilung zu einer Kranzgeld-Zahlung sei 1980 am Amtsgericht Korbach erfolgt. Erst das Amtsgericht Münster urteilte, die Regelung verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz (Urt. v. 08.12.1992, Az. 50 C 628/92). Gestrichen wurde die Norm schließlich durch das Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechtes im Jahr 1998.
6/13: Führerschein
Noch heute dürfen Frauen in einigen Ländern kein Auto fahren. In Deutschland dürfen sie immerhin seit 1958 den Führerschein machen, wenn zu diesem Zeitpunkt auch nur mit der Erlaubnis von Ehemann oder Vater.
Das änderte sich erst mit dem GleichberG. Seitdem dürfen sie tatsächlich selbst entscheiden, ob sie selbst fahren oder nur mitfahren wollen.
7/13: Wahlrecht
Frauen dürfen wählen und gewählt werden – und zwar seit dem 30. November 1918, als das Reichswahlgesetz in Kraft trat. Erstmalig davon profitieren konnten die Frauen im Januar bei der Wahl zur verfassungsgebenden Nationalversammlung.
Die erste Frau, die es tatsächlich schaffte, zumindest mal Ministerpräsidentin zu werden, war dann 1993 Heide Simonis (SPD) in Schleswig-Holstein (bis 2005). Mittlerweile haben das auch Christine Lieberknecht (CDU, 2009 bis 2014 in Thüringen), Hannelore Kraft (SPD, 2010 bis 2017 in Nordrhein-Westfalen) und noch amtierend seit 2011 (Saarland) Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), seit 2013 Marie-Luise Dreyer in Rheinland-Pfalz und noch ganz frisch seit diesem Jahr Manuela Schwesig (SPD) in Mecklenburg-Vorpommern vollbracht.
Leichter merken lässt sich: Angela Merkel ist die erste weibliche Bundeskanzlerin, nämlich seit 2005.
8/13: Züchtigungsrecht
Wer heute ungestraft seine Kinder oder auch seine Ehefrau züchtigen möchte, kann dies in Russland tun. Dort zählen die körperlichen Übergriffe seit Jahresanfang in der Regel nur noch als bloße Ordnungswidrigkeit. Wer nicht so weit fahren möchte, muss sich in die Schweiz begeben, denn auch dort sind körperliche Strafen an Kindern zumindest nicht explizit verboten.
In Deutschland sind sie das hingegen schon, wenn auch erst seit dem Jahr 2000, als das Gesetz zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung in Kraft trat. Seitdem ist in § 1631 BGB bei Inhalt und Grenzen der Personensorge in Abs. 2 geregelt: "Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig."
9/13: Vergewaltigung in der Ehe
Der Bundesgerichtshof erklärte 1966, die Ehe fordere nicht nur die Teilnahme der Ehefrau am Geschlechtsverkehr mit ihrem Ehemann, "vielmehr fordere die Ehe eine Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft und verbiete es, Gleichgültigkeit oder Widerwillen zur Schau zu tragen." Und auch bei der Debatte zur Strafrechtsänderung zur Vergewaltigung in der Ehe sagte der CDU-Politiker Wolfgang von Stetten: "Die Ehe ist eine Geschlechtsgemeinschaft und verpflichtet grundsätzlich zum ehelichen Verkehr. […] Zum ehelichen Leben gehört auch, die Unlust des Partners zu überwinden. Der Ehemann ist nicht darauf aus, ein Verbrechen zu begehen - manche Männer sind einfach rabiater."
Bis zum Mai 1997 waren eheliche Vergewaltigung und eheliche sexuelle Nötigung nach § 177 und § 178 Strafgesetzbuch (StGB) nicht strafbar. In § 177 StGB hieß es: "Wer eine Frau mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zum außerehelichen Beischlaf mit ihm oder einem Dritten nötigt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren." Gleiches galt bei sexueller Nötigung – auch, wenn die Eheleute getrennt lebten. Um das zu ändern, strich man das Wort "außerehelich" aus der Norm.
10/13: Kuppelei
Obacht! Noch heute gilt § 180 StGB - allerdings in erheblich anderer Weise als noch vor rund 45 Jahren. Damals stand es unter Strafe, Menschen die Möglichkeit zu geben, sexuelle Handlungen aneinander vorzunehmen, denn diese sollten der Ehe vorbehalten sein. Und so mussten sich bis zur Strafrechtsreform, die 1973 zur Änderung der Norm führte, Hoteliers nachweisen lassen, dass das an einem Zimmer interessierte Paar verheiratet ist. Auch die Miete einer gemeinsamen Wohnung war bei fehlendem Trauschein unmöglich. Heute dient die Norm "nur" noch dem Schutz von Kindern und Jugendlichen.
11/13: Todesstrafe
1981 wurde in Deutschland zum letzten Mal die Todesstrafe vollstreckt – das war in der DDR. In der BRD wurde sie mit Art. 102 Grundgesetz 1949 abgeschafft, in der DDR schließlich 1987. Verrückt genug, dass sie in Hessen noch vorgesehen ist: in Art 21 der Landesverfassung steht, dass ein Straftäter "bei besonders schweren Verbrechen […] zum Tode verurteilt werden" könne.
12/13: Mutterschutz, Elternzeit, Kindergeld, Teilzeitanspruch, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
Für Mütter beziehungsweise Eltern gibt es eine Vielzahl weiterer Regelungen, die dankbar machen können: Das seit 1965 geltende Mutterschutzgesetz (mit einem Vorläufer seit 1927), die Freistellung von der Arbeit bei Krankheit des Kindes seit 1980, das 1961 beschlossene Kindergeldgesetz. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall kommt allen Arbeitnehmern zugute, selbiges gilt für den Anspruch auf Teilzeit. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz gibt allen Arbeitnehmern das Recht auf Teilzeitarbeit – unabhängig von den Gründen. In Kraft getreten ist das Gesetz im Januar 2001.
13/13: Strafbarkeit der Homosexualität
Einst war Homosexualität strafbar – nun ist sie es nicht mehr. Zu finden war der Tatbestand in der Bundesrepublik in § 175 StGB. Erst hieß es widernatürliche Unzucht, später dann homosexuelle Handlungen. Diese waren in unterschiedlichen Fassungen strafbar und wurden teilweise mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe geahndet. In der DDR wurde der Tatbestand 1988 abgeschafft, in der BRD erst 1994. Erst 2001 wurde dann die Möglichkeit zur Lebenspartnerschaft geschaffen, im Juli 2017 nun sogar die "Ehe für alle" beschlossen .
Tanja Podolski, Gute gesetzliche Regelungen: "Die Todesstrafe ist abgeschafft" . In: Legal Tribune Online, 02.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23741/ (abgerufen am: 25.04.2024 )
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