Reform der Grundsteuer: Für viele Bürger wird es teurer

von Prof. Dr. Dennis Klein

07.12.2018

Bis zum 31. Dezember muss der Gesetzgeber die Grundsteuer neu regeln, nachdem das BVerfG die alten Regelungen kassiert hat. Nun hat das BMF Reformüberlegungen vorgelegt. Die müssten aber die Quadratur des Kreises schaffen, meint Dennis Klein.

Als das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im April dieses Jahres die Grundsteuer in ihrer jetzigen Form kippte, überraschte das die wenigsten Beobachter. Zu offensichtlich wurden Grundstücke fernab jeglicher Marktrealität bewertet und gleichheitswidrig besteuert.

Die Grundsteuer in ihrer bisherigen Form leidet daran, dass die ihr zugrunde liegende Grundstücksbewertung auf veralteten Werten beruht, nämlich auf den Wertverhältnissen von 1964, teilweise sogar aus dem Jahr 1935. Dabei handelt es sich um die Einheitswerte, die nach der ursprünglichen Gesetzeskonzeption einheitlich für alle Grundstücke ermittelt und dann verschiedenen Steuern wie u.a. eben auch der Grundsteuer zugrunde gelegt werden sollten. Die eigentlich alle paar Jahre vorgesehene Aktualisierung der Einheitswerte unterblieb aber im weiteren Zeitverlauf wegen des großen Verwaltungsaufwandes.

Mittlerweile haben sich in vielen Regionen die Immobilienpreise jedoch massiv verändert. In vielen großstädtischen Wohnlagen sind die Grundstückswerte heutzutage um ein Vielfaches höher als 1964. In anderen Gegenden ist die Veränderung nicht so stark, in wiederum anderen sind sogar Wertverluste zu beobachten.

Da das Grundsteuergesetz all diese Aspekte ignorierte, hat das BVerfG  einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) erkannt und den Gesetzgeber zu einer Änderung gezwungen. Unter Abwägung kommunaler Haushaltsbelange hat das Gericht dem Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2019 Zeit für eine gesetzliche Neuregelung gegeben.

Die Wünsche an die Grundsteuerreform

Der Bund und die Bundesländer als zuständige Gesetzgeber stehen jetzt gleich vor mehreren Herausforderungen. Zum einen soll das den Kommunen zustehende Steueraufkommen von immerhin rund 14 Milliarden Euro erhalten bleiben – der Gesetzgeber spricht in solchen Fällen von Aufkommensneutralität der Steuerreform. Zum anderen muss ein gleichheitsgerechter und zugleich praktikabler Weg gefunden werden, die rund 35 Millionen Grundstücke in Deutschland neu zu bewerten. Immerhin waren diese Mammutaufgabe und das bisherige Scheitern der Finanzverwaltung der Auslöser der Verfassungswidrigkeit.

Und bei alledem sollen sich die Steuermehrbelastungen für die Bürger auch noch in Grenzen halten. Am liebsten wäre es den zuständigen Finanzministern, wenn die Grundsteuerreform nicht nur aufkommens-, sondern auch belastungsneutral wäre. Doch wie soll dies gelingen, wenn die Grundstückswerte maßgeblich sein sollen, diese sich aber in den letzten Jahrzehnten vor allem in Großstädten deutlich erhöht haben?

Der jetzt vorliegende Reformvorschlag bringt dazu zwei unterschiedliche Bewertungsansätze in die anstehende Diskussion mit den Bundesländern ein: Ein wertunabhängiges Modell, das an der Fläche der Grundstücke und der vorhandenen Gebäude ansetzt. Und ein wertabhängiges Modell, das vom tatsächlichen Wert einer Immobilie ausgeht.

Das wertunabhängige Modell

Bei dem wertunabhängigen Modell sollen zunächst Grundstücksfläche und an den Geschossflächen orientierte Gebäudeflächen ermittelt werden. Darauf wird anschließend ein nach Gebäudenutzung differenzierender Faktor angewendet, also etwa eine Differenzierung in Wohngebäude und in Geschäftsgebäude. Anschließend wenden die Gemeinden ihren gemeindlichen Grundsteuerhebesatz an und setzen so die jeweilige Grundsteuer fest.

Der Vorteil dieses Modells liegt in dessen vergleichsweise einfacher Berechnung. Praktikabilität und Erhebungsaufwand können durchaus anzuerkennende Kriterien für die gesetzliche Steuerausgestaltung sein.

Allerdings vernachlässigt dieser Ansatz die nun einmal vorhandenen Wertunterschiede. In der Konsequenz würde beispielsweise eine zentrumsnahe wertvolle Villa genauso bewertet werden wie ein zwar gleich großes, aber baufälliges und billiges Haus am Stadtrand. Ob die Verwaltungsvereinfachung als Rechtfertigung solcher Ungleichbehandlung ausreicht, erscheint fraglich.

Das wertabhängige Modell

Das dürfte auch dem Finanzministerium bewusst sein, weshalb dort auch eine Präferenz für das zweite, wertabhängige Modell zu bestehen scheint.

Bei diesem sind die Immobilien nach bestimmten Verfahren zu bewerten. So soll für unbebaute Grundstücke der aktuelle ortsbezogene Bodenrichtwert gelten. Für bebaute Grundstücke soll ein Ertragswertverfahren gelten, bei dem Nettokaltmieten, Restnutzungsdauer der Immobilie und abgezinster Bodenwert einfließen. Für Nichtwohngrundstücke wie etwa bestimmte Geschäftsgrundstücke sollen die Herstellungskosten der Gebäude berücksichtigt werden.

Die so ermittelten Werte sollen alle sieben Jahre oder bei baulichen Veränderungen aktualisiert werden. Zuständig hierfür sind die Finanzämter, welche die ermittelten Werte außerdem mit einer Steuermesszahl multiplizieren und das Ergebnis den Gemeinden mitteilen. Erst diese erheben die eigentliche Grundsteuer, denn die Gemeinden dürfen einen Steuerhebesatz anwenden und so selbst ihr örtliches Grundsteueraufkommen und die Steuerbelastung ihrer Einwohner beeinflussen.

Mit einer solchen differenzierten Grundstücksbewertung bewegt sich der Gesetzgeber in dem ihm grundgesetzlich zustehenden Gestaltungsspielraum. Allerdings erkauft sich der Staat dieses Mehr an realitätsgerechter Differenzierung durch einen erheblich höheren Verwaltungsaufwand. Auf der anderen Seite sind derlei Bewertungen Tagesgeschäft der Finanzämter. Andere Steuerarten wie die Einkommen-, Körperschaft- oder Gewerbesteuer verlangen deutlich zahlreichere und umfangreichere Berechnungen. Insofern hält auch das Finanzministerium den Verwaltungsaufwand jedenfalls für beherrschbar.

Noch ein Kostenschub für angespannte Mietmärkte

Es bleibt aber das dritte Problem: Mehrbelastungen für die Bürger sollen vermieden werden. Es wird aber allenfalls in Summe gelingen, die Gesamtbelastung für sämtliche Bürger mit rund 14 Milliarden Euro zu halten.

Änderungen der Steuerzahlungen für einzelne Steuerpflichtige sind hingegen zwangsläufig. Denn wegen der verfassungsrechtlich notwendigen Neubewertung sämtlicher Grundstücke werden Einwohner in Wohnlagen mit Wertsteigerungen seit 1964 stärker zur Kasse gebeten werden.

Gerade Metropolen mit angespannten Mietmärkten schwant denn auch Böses. Da die Grundsteuer als Nebenkosten auf die Mieter abwälzbar ist, dürfte dies für gefragte Wohnlagen einen nochmaligen Kostenschub bedeuten. Die Gentrifizierung lässt grüßen.

Abhilfe versprechen sich manche vom gemeindlichen Hebesatz. Die Gemeinde hat es durch den von ihr gewählten Hebesatz selbst in der Hand, die tatsächliche Grundsteuerhöhe und damit die Belastung ihrer Einwohner zu steuern. Nur gilt dieser Hebesatz im gesamten Gemeindegebiet. In Großstädten werden also gefragte teure Stadtteile wie auch preiswerte Problemviertel oder Randlagen über einen Kamm geschoren.

Mieterverbände fordern daher, dass die Grundsteuer zukünftig nicht mehr auf die Mieter abwälzbar sein soll. Selbst bei einem dahingehenden gesetzlichen Verbot würde sie sich aber mittelfristig über die Kalkulation der Immobilienwirtschaft auf die Mietpreise auswirken.

Irgendwer zahlt immer drauf

Auch die weiteren von Fachleuten diskutierten Reformmodelle lösen diese Problematik nicht auf.

So gibt es etwa den Vorschlag einer ausschließlich am Bodenwert orientierten Grundsteuer. Dieses Modell würde den Wohnungsbau begünstigen. Denn gleichgültig, ob das Grundstück bebaut oder unbebaut ist, die Grundsteuer wäre immer gleich. In Großstädten würde die Verdichtung gefördert, denn auch bei Aufstockungen und der Schaffung zusätzlicher Wohnungen würde sich die Grundsteuer nicht erhöhen, der Belastungsanteil pro Wohnung also sinken. Kehrseite wäre aber die Mehrbelastung bei Einfamilienhäusern oder unbebauten Grundstücken in Randlagen.

Am Ende bleibt die Erkenntnis: Auch wenn die Gesamtbelastung gleich bleibt, wird es für viele Bürger teurer werden. Mehr Steuergerechtigkeit bedeutet eben nicht zwangsläufig niedrigere Steuern.

Der Verfasser Prof. Dr. Dennis Klein ist Professor für Wirtschafts- und Steuerrecht sowie Rechnungslegung an der Leibniz-Fachhochschule in Hannover und zugleich Steuerberater, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht in Toppenstedt bei Hamburg.

Zitiervorschlag

Reform der Grundsteuer: . In: Legal Tribune Online, 07.12.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32607 (abgerufen am: 12.10.2024 )

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