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Grüne mit eigenem Vorschlag zur Lockerung der Schuldenbremse: Ja zur Stär­kung der Ver­tei­di­gung, aber nicht nur der Bun­des­wehr

von Hasso Suliak

11.03.2025

Felix Banaszak, Franziska Brantner,  Katharina Droege, Britta Hasselmann,

Grüner Partei- und Fraktionsvorstand (auf dem Bild von rechts: Felix Banaszak, Franziska Brantner, Katharina Droege und Britta Hasselmann) erteilt den GG-Änderungsplänen von Union und SPD eine Absage. Foto: picture alliance / SZ Photo | Jens Schicke

Grundgesetzänderungen, wie sie Union und SPD vorschweben, lehnen die Grünen ab und machen einen eigenen Vorschlag zur Steigerung der Verteidigungsausgaben. Auch in Cybersicherheit, Bevölkerungsschutz und Geheimdienste soll Geld fließen.

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Seit Montagnachmittag steht fest: Die Grünen werden dem von CDU/CSU und SPD geplanten Finanzpaket und den hierfür notwendigen Grundgesetzänderungen nicht zustimmen.

Union und Sozialdemokraten hatten Ende vergangener Woche einen Gesetzentwurf vorgelegt, der eine gelockerte Schuldenbremse sowie ein Sondervermögen für die Instandsetzung der Infrastruktur im Grundgesetz (GG) verankert.  Ermöglich werden sollte dies im Wege einer Neufassung von Art. 109 und Art. 115 GG.  Damit sollte die im GG verankerte Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben gelockert werden und die Länder mehr Spielraum für Investitionen bekommen.

Außerdem sieht der schwarz-rote Entwurf ein neuen Art. 143h GG vor, um die Errichtung eines Sondervermögens für die Instandsetzung der Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro zu ermöglichen. LTO hatte über die Details berichtet. Weiter hatten sich Union und SPD auf ein Sondierungspapier verständigt, aus dem hervorgeht, für welche Projekte die neuen Schulden verwendet werden sollen.

"Keine Finanzierung schwarz-roter Wahlversprechen"

Die Grünen, die zwecks GG-Änderung für eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag benötigt werden, erklärten nun am Montag, dass sie ihren Abgeordneten nicht empfehlen können, dem schwarz-roten Gesetzentwurf zuzustimmen. Man sei zwar für eine grundlegende Reform der Schuldenbremse, um Investitionen in die Zukunftsfähigkeit des Landes zu ermöglichen, zur Finanzierung von Wahlversprechen von Union und SPD stehe man aber nicht zur Verfügung:

"Wir Grüne stehen nicht dafür bereit, die Steuergeschenke von CDU/CSU und SPD auf Kredit abzunicken. Statt mutiger Reformen zur Lösung der drängenden strukturellen Probleme dieses Landes, enthält der aktuelle Vorschlag vor allem klimaschädliche Steuergeschenke und teure Klientelpolitik: die Erhöhung der Pendlerpauschale, die Subventionierung von Agrardiesel oder willkürliche Steuererleichterungen", heißt es in einer Erklärung. 

Im Verlaufe des Montags verständigte sich sodann die Bundestagsfraktion der Grünen weiter darauf, einen eigenen Gesetzentwurf zur Änderung des GG in dieser Woche in den Bundestag einzubringen. Ziel des Vorschlags ist es allein, den fiskalischen Spielraum für Ausgaben für die Gesamtverteidigung und die Erfüllung sicherheitspolitischer Aufgaben in der Verfassung zu schaffen. Ein Sondervermögen für die Infrastruktur oder mehr finanziellen Handlungsspielraum für die Länder sieht der Entwurf hingegen nicht vor.

Erweiterter Sicherheitsbegriff

Zur Stärkung der Verteidigung schweben den Grünen nicht nur Investitionen in das Militär vor. Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland müsse umfassend gewährleistet werden, heißt es Entwurf.  Im Gesetzentwurf von Union und SPD sei der Begriff der Verteidigungsausgaben zu eng gefasst worden.

"Zu einem umfassenden, breiten und integrierten Sicherheitsbegriff gehören die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit, auch in Systemen kollektiver Sicherheit, der Ausbau nachrichtendienstlicher Fähigkeiten, die Unterstützung für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten, Maßnahmen der Auslandshilfe im Krisenfall, die Stärkung internationaler Organisationen zur Friedenssicherung und der Schutz der Zivilbevölkerung, außerdem der Schutz der informationstechnischen Systeme und der Infrastruktur."

Mehr Ausgaben für Verteidigung aus normalem Haushalt

Nach dem Vorschlag der Grünen sollen die Verteidigungsausgaben oberhalb von 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von der Schuldenbremse ausgenommen werden. Union und SPD wollen diese Grenze bei einem Prozent ziehen. Die Grünen beabsichtigen demnach, einen höheren Anteil der Verteidigungsausgaben aus dem normalen Haushalt zu bestreiten.

Konkret gelingen soll all das mit einer Neufassung der Art. 109 Abs. 3 und Art. 115 Abs. 2 GG.

In Art. 109 Abs. 3 soll es künftig daher heißen: "Von den zu berücksichtigenden Einnahmen aus Krediten ist der Betrag abzuziehen, um den die Ausgaben für Gesamtverteidigung und für die Erfüllung sicherheitspolitischer Aufgaben 1,5 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt übersteigen. Zu den vorgenannten Ausgaben zählen insbesondere solche für  

1. die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit, einschließlich des Ausbaus nachrichtendienstlicher Fähigkeiten, auch in Systemen kollektiver Sicherheit,  

2. die Hilfe für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten, krisenreaktive Maßnahmen der Auslandshilfe und die Stärkung internationaler Organisationen zur Friedenssicherung und  

3. den Schutz der Zivilbevölkerung, den Schutz der informationstechnischen Systeme und der Infrastruktur."

Auch Art. 115 Abs. 2 wird entsprechend angepasst: "Von den zu berücksichtigenden Einnahmen aus Krediten ist der Betrag abzuziehen, um den die Ausgaben für Gesamtverteidigung und für die Erfüllung sicherheitspolitischer Aufgaben 1,5 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt übersteigen."

Unions-Geschäftsführer: "Wir liegen nicht meilenweit auseinander"

Ob sich Union und SPD den Vorstellungen der Grünen annähern werden, ist noch offen, aber nicht ausgeschlossen. Über den Gesetzentwurf der Grünen zum Finanzpaket könne man diskutieren, sagt Unions-Geschäftsführer Thorsten Frei am Dienstagmorgen im Deutschlandfunk. "Wir liegen da nicht meilenweit auseinander."

Am Montagabend waren die möglichen Koalitionäre und die Grünen für rund anderthalb Stunden zu einer vertraulichen Runde in einem Besprechungsraum der Grünen-Fraktion im Bundestag zusammengekommen. Einzelheiten aus dem Gespräch wurden nicht bekannt.  

Klar ist jedoch: Ohne das geplante Finanzpaket würde Union und SPD die finanzielle Grundlage ihres Sondierungsergebnisses und damit auch für die ab Donnerstag anvisierten Koalitionsverhandlungen fehlen. Und eigentlich sollten die Grundgesetzänderungen am Donnerstag ins Plenum eingebracht und am 18. März noch vom alten Bundestag beschlossen werden.

BVerfG entscheidet über Eilanträge

Ob das funktioniert, hängt allerdings nicht nur von einer Einigung mit den Grünen ab, sondern auch vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG): Erwartet wird bis Donnerstag eine Entscheidung aus Karlsruhe über Eilanträge von AfD, Linken und einzelnen Abgeordneten. Sie alle wollen aus unterschiedlichen Gründen, dass sich erst der neu gewählte Bundestag mit der Schuldenbremse und einem möglichen Sondervermögen befasst. Dass sie damit beim BVerfG durchdringen, gilt jedoch nach Ansicht von Verfassungsrechtlern als unwahrscheinlich. Die Bundesregierung wird in den Verfahren vom Staatsrechtler Prof. Alexander Thiele vertreten. Dieser kommt in einem Schriftsatz an das BVerfG, der LTO vorliegt, zu einem klaren Ergebnis:

"Der alte Bundestag ist bis zur Konstituierung des neuen Bundestages jedenfalls befugt, Verfassungsänderungen im hier vorliegenden Sinne zu beschließen. Das ergibt sich bereits aus der Regelung des Art. 39 Abs.1 S. 2 GG, wonach dessen Wahlperiode erst mit dem Zusammentritt eines neuen Bundestages endet."  

Auch mit Blick auf das Demokratieprinzip (Art. 20 GG) sei das Vorgehen unproblematisch: "Die vorgesehenen Verfassungsänderungen begründen für sich gerade keinerlei Verpflichtungen für den neuen Bundestag, sondern erweitern vielmehr dessen Handlungsmöglichkeiten, indem für die jeweilige politische Mehrheit im neuen Bundestag die Option eröffnet wird, für den Bereich der Verteidigung oder der Infrastruktur ausnahmsweise auf eine Kreditfinanzierung zurückzugreifen." 

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Grüne mit eigenem Vorschlag zur Lockerung der Schuldenbremse: . In: Legal Tribune Online, 11.03.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56766 (abgerufen am: 08.11.2025 )

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