Britische Regierung droht Asylrechtsanwälten: "Betrü­ge­ri­sche Ein­wan­de­rungs­an­wälte müssen aus­ge­merzt werden"

von Leonie Ott

08.08.2023

Die britische Regierung will schärfer gegen Anwälte vorgehen, die Migranten mit Falschangaben bei Asylanträgen helfen. Die Innenministerin stellt lebenlange Haft für betrügerische Anwälte in Aussicht. Ein Ablenkungsmanöver, vermutet ein Juristenverband.

Lebenslange Haft - eine so drastische Strafe droht die britische Regierung Anwälten an, die Migranten bei betrügerischen Asylrechtsanträgen unterstützen. Einem offiziellen Regierungsstatement zufolge soll eine neue Arbeitsgruppe aus verschiedenen staatlichen Stellen die entsprechende Strafverfolgung vorantreiben.

"Betrügerische Einwanderungsanwälte müssen ausgemerzt und vor Gericht gestellt werden", sagte Innenministerin Suella Braverman. Zwar würde sich die große Mehrheit von Anwälten profesionell und redlich verhalten. "Aber wir wissen, dass einige lügen, um illegalen Einwanderern dabei zu helfen, das System auszutricksen", sagte Braverman gegenüber der Daily Mail. Die konservative Hardlinerin erklärte, dass die britische Bevölkerung von ihr erwarte, dass sie die illegale Migration beende: "Ich bin entschlossen, hart gegen diese unmoralischen Anwälte durchzugreifen und die Boote zu stoppen".

Ausgangspunkt der Debatte war ein Bericht der Daily Mail über den Fall eines Undercover-Journalisten: Gegen Zahlung von mehreren Tausend Pfund bot ein Anwalt ihm an, sich für ihn eine asylrechtstaugliche Hintegrundgeschichte auszudenken. Die Regulierungsbehörde für Anwälte schloss in Folge des Skandals drei Anwaltskanzleien.

Der Branchenverband Law Society, der Anwälte in England und Wales vertritt, kritisiert die britische Regierung, weil es bereits ausreichend Regeln bei einem solchen Fehlverhalten von Rechtsbeiständen gebe. Der Verband wirft dem Innenministerium vor, sich auf eine sehr kleine Minderheit von Anwälten zu konzentrieren. Es gehe der Regierung vielmehr darum, von dem Rückstand bei der Bearbeitung von Aslyanträgen und den Problemen beim Illegale-Migration-Gesetz (Illegal Migration Act) abzulenken.

Das umstrittene Illegale-Migration-Gesetz ist seit Ende Juli in Großbritannien in Kraft. Die Vereinten Nationen kritisieren das Gesetz ungewöhnlich scharf als Bruch internationalen Rechts. Nach dem neuen Gesetz ist die Regierung verpflichtet, diejenigen, die unrechtmäßig in Großbritannien einreisen, nach Ruanda oder in einen anderen "sicheren" Drittstaat abzuschieben. Wie das in der Praxis funktionieren soll, ist jedoch unklar.

Berufungsgericht erklärt Asyl-Pakt mit Ruanda für gesetzeswidrig

Denn der Asyl-Pakt mit Ruanda scheiterte Ende Juni vor einem Berufungsgericht. Die Vereinbarung mit Ruanda sah vor, dass Großbritannien illegal eingereiste Migranten nach Ruanda schickt, damit diese dort einen Asylantrag stellen können. Wenn den Menschen in Ruanda Asyl gewährt wird, sollten sie dort leben und nicht nach Großbritannien zurückkehren. So sollten Geflüchtete von der Überfahrt über den Ärmelkanal abgehalten werden.

In erster Instanz hatte die britische Regierung vor dem High Court noch gewonnen. In der Berufungsinstanz bekamen nun die klagenden Menschenrechtsaktisten Recht. Denn das Vorhaben, Asylsuchende ungeachtet ihrer Herkunft und ihres persönlichen Hintergrunds nach Ruanda abzuschieben, sei gesetzeswidrig, so das Gericht in London.

Die Regierung will den Rechtsstreit um das Illegale-Migration-Gesetz nun vor dem obersten britischen Gericht weiterführen. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, dürften die rechtlichen Hürden einer strengen Asylpolitik die Forderung nach einem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Menschenrechtskonvention anheizen. Diese hatte Großbritannien 1951 selbst mitgegründet.

Der Ton in der britischen Asylpolitik wird derweil rauer. Das betrifft nicht nur Einschüchterungsversuche gegenüber Anwälten, sondern auch politische Äußerungen. Der stellvertretende Parteivorsitzende der Konservativen Partei (Tories) Lee Anderson sagte in Bezug auf Beschwerden über schlechte Unterbringungsbedingungen von Geflüchteten: "Sie sollen sich zurück nach Frankreich verpissen" ("fuck off back to France").

Zitiervorschlag

Britische Regierung droht Asylrechtsanwälten: . In: Legal Tribune Online, 08.08.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52438 (abgerufen am: 08.10.2024 )

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