Nach heftigen Verhandlungen in Berlin steht ein neuer Koalitionsvertrag. Und macht damit den Weg frei für zahlreiche Neuerungen in der Justiz, bei Unternehmenssanktionen und für die Musterfeststellungsklage.
Am frühen Mittwochvormittag gab es den Durchbruch. CDU, CSU und SPD haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt.
Beim Hauptstreitthema der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen wird es kein absolutes Verbot geben, sondern nur eine Höchstgrenze Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern soll es in Zukunft erlaubt sein, nur bis zu fünf Mitarbeiter ohne vorliegenden Sachgrund befristet zu beschäftigen. Ab 250 Mitarbeitern solle die Obergrenze bei zwei Prozent der Beschäftigten liegen.
Bei zahlreichen rechtspolitischen Themen war man sich bereits zuvor einig geworden. Zwar gibt es noch keine offiziell abgesegnete Version des Koalitionsvertrages, aber ein letzter Textentwurf von Mittwochmittag ist bereits bekannt.
So soll ein "Pakt für den Rechtsstaat" geschmiedet werden und mindestens 2000 neue Stellen in der Justiz von Bund und Ländern entstehen. Das hatte unter anderem der Deutsche Richterbund gefordert. Auch der Generalbundesanwalt in Karlsruhe soll mehr Personal bekommen. Außerdem sollen die deutschen Sicherheitsbehörden um 15.000 Stellen verstärkt, sowie der Datenaustausch zwischen Polizei und Justiz ausgebaut werden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll ebenfalls personell und finanziell verstärkt werden.
Videoüberwachung und DNA-Analyse
Auf öffentlichen Straßen und Plätze soll die Überwachung ausgebaut werden. Die Große Koalition setzt dabei offenbar auch auf neue Formen wie etwa "intelligente Videoüberwachung". Ein Modellversuch zur automatischen Gesichtserkennung läuft derzeit bereits am Berliner Bahnhof Südkreuz.
Um die Polizeigesetzes der Länder anzugleichen, soll als Vorlage eine neues Muster-Polizeigesetz geschaffen werden. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) beklagte noch im vergangenen Jahr einen "Flickenteppich".
Im Strafprozessrecht soll die DNA-Analyse nach § 81 e StPO nicht mehr nur den Abgleich von Spuren am Tatort mit dem genetischen Fingerabdruck eines bereits bekannten Tatverdächtigen erlauben, sondern nunmehr auch Schlüsse auf das äußere Erscheinungsbild des Verdächtigen zulassen. Die Ausweitung erlaubt dann auch Aussagen über Haar, Augen oder Hautfarbe des Verdächtigen. Damit folgt der Entwurf des Koalitionsvertrags in zahlreichen Punkten den Beschlüssen der Innenministerkonferenz aus dem vergangenen Jahr.
Musterfeststellungsklage kommt noch im November 2018
Sie wurde lange gefordert und steht nun im Koalitionsvertrag: Die Musterfeststellungsklage. Sie soll es Verbrauchern erleichtern ihre Rechte gegen große Unternehmen durchzusetzen. Die Klagebefugnis soll auf gesondert festgelegte, qualifizierte Einrichtungen begrenzt werden, um eine uferlose Klageindustrie zu verhindern. Solche Einrichtungen können dann insbesondere die Verbraucherverbände sein. Das Gesetzgebungsprojekt lag lange Zeit auf Eis, nun soll es mit der Einführung der Musterfeststellungsklage offenbar möglichst schnell gehen. Johannes Fechner (SPD), Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Recht und Verbraucherschutz, sagte gegenüber LTO: "Weil die Ansprüche tausender VW-Geschädigter zum Jahreswechsel 2018/2019 zu verjähren drohen, wurde auf Druck der SPD ausdrücklich vereinbart, dass das Gesetz zum 1. November 2018 in Kraft tritt."
Der Textentwurf enthält zudem weitere Details zum Verfahren: Wer eine Musterfeststellungsklage anstrengen möchte, muss schlüssig mindestens zehn individualisiert Betroffene glaubhaft machen können. Um ein Musterklageverfahren durchzuführen, müssen sich dann mindestens 50 Anmelder in einem neuen Klageregister, das beim Bundesamt für Justiz ab Herbst 2018 eingerichtet werden soll, registrieren. Mit diesen Vorgaben soll die Arbeit für die Gerichte eine zu bewältigende Aufgabe bleiben.
"Durch die Registereintragung wird die Verjährung der Verbraucheransprüche gestoppt", erläuterte Fechner die bereits sehr detaillierten Pläne. Auf eine genaue Registergebühr für die Anmeldung konnten sich die Unterhändler noch nicht endgültig einigen. "Uns schwebt ein Betrag in Höhe von 30 Euro vor", kommentierte Fechner die Pläne.
Die Musterfeststellungsklage soll also eine reine Feststellungsklage bleiben. Schadensersatz muss dann nach der gerichtlichen Feststellung individuell eingeklagt werden. Die vom Gericht getroffenen Feststellungen des Urteils sind für die Beklagten und die im Klageregister angemeldeten Betroffenen bindend. Die Bindungswirkung kann nur für sich aufheben, wer vor Beginn der ersten mündlichen Verhandlung seine Anmeldung zurücknimmt.
Unternehmen schärfer sanktionieren
Neuregelungen soll es auch für Unternehmenssanktionen geben. So sollen neben den Mitarbeitern auch die von einem Fehlverhalten profitierenden Unternehmen stärker zur Rechenschaft gezogen werden können. Der Bußgeldrahmen soll an die Wirtschaftskraft des Unternehmens angepasst werden. Bei Unternehmen mit mehr als 100 Millionen Euro Umsatz soll die Grenze bei 10 Prozent des Umsatzes liegen. Die künftige Große Koalition setzt offenbar auch stark auf die Kooperation betroffener Unternehmen. So werden neue gesetzliche Anreize für sogenannte "Internal Investigations", also unternehmensinterne Ermittlungen geschaffen um dadurch die Aufklärung zu erleichtern.
Weitere Gesetzesänderungen sollen dafür sorgen, dass Asylverfahren an den Verwaltungsgerichten schneller durchgeführt werden können. Genauere Details sind dazu noch nicht bekannt.
Beim umstrittenen neuen Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), das Hetze und Fake-News in sozialen Medien bekämpfen soll, wird es allenfalls Nachbesserungen geben.
Justizminister in einer neuen Großen Koalition soll nach einem Bericht der Rheinischen Post der bisherige Justizminister Heiko Maas (SPD) bleiben.
Jetzt liegt die Entscheidung allerdings noch bei den gut 460.000 SPD-Mitgliedern. Der Mitgliederentscheid soll innerhalb der nächsten Wochen stattfinden.
Markus Sehl, Einigung von CDU, CSU und SPD: . In: Legal Tribune Online, 07.02.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26937 (abgerufen am: 13.10.2024 )
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