Der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestags, Stephan Brandner, kann in der nächsten Sitzung des Gremiums abgewählt werden. Rechtlich sei das auf Grundlage der geltenden Geschäftsordnung möglich, so der zuständige GO-Ausschuss.
Nach seiner umstrittenen "Judaslohn"-Äußerung steht der AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner vor der Abwahl als Vorsitzender des Rechtsausschuss. Die Abwahl könnte in der nächsten Sitzung des Rechtsausschusses am 13. November erfolgen. Dafür braucht es keine vorherige Änderung der Geschäftsordnung des Bundestags (GO BT), stellte der zuständige Ausschuss in seiner Sitzung vom Donnerstag fest: Schon jetzt könnten die Mitglieder eines Ausschusses dessen Vorsitzenden abwählen.
Der GO-Ausschuss hatte sich mit der Frage zu befassen, ob eine Abwahl Brandners rechtlich überhaupt möglich ist. In der GO BT, also den internen Regeln zu den Verfahren des Bundestags, findet sich keine ausdrückliche Regelung zur Abwahl eines Ausschussvorsitzenden. Als einzige Vorschrift kommt § 58 der GO BT in Frage. Dort heißt es: "Die Ausschüsse bestimmen ihre Vorsitzenden und deren Stellvertreter nach den Vereinbarungen im Ältestenrat." Aber die Rede ist eben nur von "bestimmen".
Nach der Ansicht mehrerer Rechtswissenschaftler lässt sich daraus allerdings im Gegenschluss folgern, dass die Vorschrift auch die Abwahl umfasst. Der Gedanke dahinter: Wen die Ausschussmitglieder mehrheitlich gewählt haben, den müssen sie auch mit Mehrheitsentscheidung wieder absetzen können. Dieser Auffassung ist der Ausschuss nun offenbar gefolgt, sämtliche Mitglieder mit Ausnahme von denen der AfD erklärten eine Abwahl für möglich.
Rechtspolitiker: "Brandner in dieser Funktion nicht tragbar"
"Stephan Brandner ist nicht geeignet, den Rechtsausschuss zu führen", erklärte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin und Mitglied des GO-Ausschusses, Britta Haßelmann am Mittwochabend nach der Sitzung des Ausschusses. "Er zerstört mit seinen Äußerungen die Gesprächsbrücken zu Bürgerinnen und Bürgern, zur Anwaltschaft, zu Berufsverbänden, zu Religionsgemeinschaften, zur Zivilgesellschaft. Seine letzten Äußerungen machen deutlich, dass wir weiterhin mit seinen ständigen Entgleisungen rechnen müssen. Er selbst hat jede Voraussetzung dafür, die Aufgabe als Vorsitzender des Rechtsausschusses in einer pluralen, offenen Demokratie wahrnehmen zu können, verspielt. Nur er trägt dafür die Verantwortung".
Nach verächtlichen Äußerungen nach dem Anschlag in Halle im Oktober war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, Brandners Tweet zu AfD-kritischen Äußerungen des Musikers Udo Lindenberg, der kürzlich das Bundesverdienstkreuz erhielt. "Klar, warum der gegen uns sabbert/sabbern muss", schrieb Brandner auf Twitter. Dazu stellte der Abgeordnete ein Zitat aus einem Zeitungsartikel zur Auszeichnung Lindenbergs mit dem Bundesverdienstkreuz und fügte den Hashtag "#Judaslohn" hinzu.
Die Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen machten deshalb bereits am Mittwoch im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz deutlich, dass sie Stephan Brandner als Vorsitzenden ablehnen. Die Ausschussmitglieder dieser Parteien wollten nicht länger von ihm repräsentiert werden. Der CDU-Rechtspolitiker Jan-Marco Luczak sagte am Mittwoch im Namen aller Fraktionen außer der AfD, Brandner fehlten offenbar Eigenschaften, die für den Vorsitz des Rechtsausschusses, der über die Demokratie und den Schutz des Rechts wache, unabdingbar seien.
Luczak warf dem AfD-Politiker Grenzüberschreitungen und Diffamierungen sowie die bewusste Nutzung antisemitischer Begriffe vor. Brandner befinde sich damit "in fundamentalem Widerspruch zu all dem, wovon wir überzeugt sind". Brandners Agieren beschädige die Arbeit des Ausschusses und das Amt des Vorsitzenden und schade dem Ansehen des Gremiums und des gesamten Parlaments. Er sei deshalb "in dieser Funktion nicht tragbar". Seine offensichtlich nicht ernst gemeinte Entschuldigung vom 17. Oktober für einen Tweet nach dem rechtsterroristischen Anschlag in Halle könne nicht akzeptiert werden. Luczak sagte, er gehe davon aus, dass Brandner nicht freiwillig zurücktreten werde, und forderte die AfD-Fraktion auf, ihn durch jemand anderen zu ersetzen.
Brandner lehnte einen Rücktritt vom Vorsitz am Mittwoch ab. In einer anschließenden Presserklärung wies er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als "haltlose, unkonkrete Anschuldigungen" zurück. "Inhaltliche Kritik an meiner Arbeit als Ausschussvorsitzender ist mir nicht bekannt, im Gegenteil. Es gibt daher keinen Grund für einen Rücktritt vom Vorsitz des Rechtsausschusses. Wie jeder andere auch, habe ich zudem das Recht, meine Meinung frei zu äußern." Zum umstrittenen Tweet erklärte er u.a., dass er den Begriff "Judaslohn" auf Twitter als Privatperson geäußert habe, für einen Rücktritt vom Posten des Vorsitzenden sehe er keinen Grund.
hs/pl/LTO-Redaktion
Geschäftsordnungsausschuss des Bundestags gibt grünes Licht: . In: Legal Tribune Online, 07.11.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38597 (abgerufen am: 09.10.2024 )
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