Die Meldung erschreckt: Wie das Sächsische Innenministerium im Landtag mitgeteilt hat, besitzen allein in Sachsen 38 Rechtsextremisten mehr als 150 Schusswaffen. Und das ganz legal, etwa als Mitglieder in einem Schützenverein. Trotzdem ist unser Waffenrecht nicht zu lasch. Es bedarf nur einer strikteren Anwendung, meint Alfred Scheidler.
Auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Kerstin Köditz (Die Linke) im Sächsischen Landtag (Landtags-Drucksache 5/7205) teilte das Sächsische Innenministerium am 7. November mit, dass bei 38 Personen, die dem Rechtsextremismus zugeordnet werden, Erkenntnisse zu einem legalen Waffenbesitz vorliegen. Dies betrifft in der Summe 105 Lang- und 51 Kurzwaffen.
Die Angaben beziehen sich allein auf Sachsen, das Bundesland, in dem die Terrorzelle des "Nationalsozialistischen Untergrunds" zuletzt untergetaucht war. Das Trio zog über Jahre hinweg mordend und raubend quer durch Deutschland. Über die mitgeteilten Zahlen hinaus liegen der sächsischen Staatsregierung weitere Erkenntnisse vor, die sie jedoch wegen "überwiegender Belange des Geheimschutzes" nicht preisgeben will.
Es steht zu befürchten, dass nicht nur in Sachsen, sondern verteilt über die ganze Bundesrepublik noch wesentlich mehr Rechtsextremisten mit Erlaubnis der zuständigen Behörden und somit ganz legal im Besitz von Waffen sind. Obwohl das Waffenrecht – in Reaktion auf den Amoklauf von Winnenden am 11. März 2009 – zuletzt im Jahr 2009 verschärft wurde, stellt sich angesichts dieses latent vorhandenen Bedrohungspotentials die Frage, ob die gesetzlichen Bestimmungen zum Besitz von Waffen immer noch zu lasch sind.
Grundvoraussetzungen für den Waffenschein: Zuverlässigkeit und Bedürfnis
Grundsätzlich stellt das Waffengesetz (WaffG) an die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis strenge Anforderungen: Neben der Vollendung des 18. Lebensjahres gehören dazu Zuverlässigkeit, persönliche Eignung, Nachweis der Sachkunde und ein so genannter Bedürfnisnachweis (§ 4 Abs. 1 WaffG).
Dieser Nachweis ist erbracht, wenn besonders anzuerkennende persönliche Interessen glaubhaft gemacht sind (§ 8 WaffG). Eine Voraussetzung, die für einen Sportschützen sicherlich kein Problem darstellt. Neonazis werden oft gutgläubig in Schützenvereinen aufgenommen. So lange sie ihre rechtsextreme Gesinnung verbergen können, stehen ihnen die Schießbahnen offen. Die Mitgliedschaft in solchen Vereinen oder auch Reservistenkameradschaften kann also den Rechtsextremen einen Weg zum legalen Waffenbesitz öffnen. Auf diese Weise kommen sie nicht nur an Gewehre und Pistolen, sondern lernen auch, damit umzugehen.
Das Gesetz nennt jedoch auch Personen, denen die für eine waffenrechtliche Erlaubnis erforderliche Zuverlässigkeit fehlt: So fallen sofort diejenigen heraus, die wegen eines Verbrechens oder sonstiger vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden sind. In derartigen Fällen können die Waffenbehörden die Erlaubnis also problemlos versagen, so etwa bei einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§ 129a StGB). Vermutungen, dass dies ein adäquates Ausschlusskriterium wäre, gehen jedoch oft ins Leere: Nicht jeder Neonazi ist bereits straffällig in diesem Sinne geworden.
Rechtsextreme Aktivitäten begründen Unzuverlässigkeit
Zum Glück scheint es eine weitere Zugangsschranke zum Waffenbesitz zu geben: Die Zuverlässigkeit fehlt nämlich auch Personen, die einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgen oder unterstützen, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG). Doch obwohl rechtsextremistische Ideologien der freiheitlich demokratischen Grundordnung widersprechen und aufgrund ihrer Ausländerfeindlichkeit auch den Gedanken der Völkerverständigung missachten, lässt sich die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit eines Neonazis nicht ohne weiteres mit diesem Merkmal begründen.
Eine rechtsextremistische Gesinnung alleine oder eine bloße Mitgliedschaft in einer dementsprechenden Vereinigung reichen nämlich nicht: Das WaffG verlangt konkrete Aktivitäten mit entsprechender Zielrichtung. Das Sächsische Innenministerium fordert hierfür ein "aktives, ziel- und zweckgerichtetes Vorgehen gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung".
Ein weiteres Erschwernis für eine Anwendung der entsprechenden Vorschrift sah der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) bei solchen Personen, die Mitglied einer rechtsextremen Partei wie der ehemaligen DVU waren. Hier gelte § 5 Abs. 2 Nr. 2 WaffG als Spezialvorschrift, die die allgemeinere Norm in Nr. 3 verdrängt und unanwendbar macht. Nach Nr. 2 reicht für eine Unzuverlässigkeit die bloße Mitgliedschaft in einer Partei, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat. Dies war bei der DVU aber nicht der Fall, so dass § 5 Abs. 2 Nr. 2 WaffG nicht anwendbar war. Da aber nach Ansicht des BayVGH die Nr. 3 wegen der Spezialität von Nr. 2 ebenfalls ausscheidet, musste der BayVGH die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit in der Konsequenz verneinen (Urt. v. 26.05.2008, Az. 21 BV 07.586). Waffenbesitz mit gerichtlichem Segen also.
Das BVerwG zieht die Grenzen enger
Die obersten Verwaltungsrichter in Leipzig sahen dies indes anders. In einer Revisionsentscheidung vom 30. September 2009 (Az. 6 C 29.08) urteilten sie, dass in der Regel auch derjenige unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG ist, der verfassungsfeindliche Bestrebungen im Rahmen der Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen politischen Partei verfolgt.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts lässt es damit jedenfalls zu, auch Mitgliedern der ehemaligen DVU oder NPD die Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG abzusprechen.* Und zwar, obwohl die Verfassungswidrigkeit der Parteien vom Bundesverfassungsgericht bislang nicht festgestellt wurde.
Was bleibt, ist das Erfordernis, dass konkrete Aktivitäten gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung vorliegen müssen. Angesichts der aktuell aufgedeckten, auf Rechtsextremisten zurückgehenden Mordserie und der damit verbundenen Erkenntnis, dass die Bedrohung durch Rechts viel größer ist, als bisher angenommen, sollte dieses Erfordernis nicht zu eng ausgelegt werden.
Bereits die Kundgabe verfassungs- oder ausländerfeindlicher Parolen, etwa im Rahmen von rechten Demonstrationen, sollte dafür ausreichen, die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG annehmen zu können. Bei einer dermaßen restriktiven Anwendung des Waffengesetzes durch die zuständigen Behörden kann das Bedrohungspotential eingedämmt werden, ohne dass es einer weiteren Verschärfung der gesetzlichen Bestimmungen bedarf.
Der Autor Dr. Alfred Scheidler ist Oberregierungsrat in Neustadt an der Waldnaab und Autor zahlreicher Publikationen zum öffentlichen Recht.
(*Anm.d.Red.: Noch am Tag der Veröffentlichung wurde dieser Satz korrigiert. Zuvor war von "Unzuverlässigkeit" die Rede, selbstverständlich hat der Satz nur mit "Zuverlässigkeit" Sinn.)
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Alfred Scheidler, Gewaltbereite Neonazis: . In: Legal Tribune Online, 30.11.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4934 (abgerufen am: 11.10.2024 )
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