Der Kauf eines Unternehmens ist komplexer als der eines Autos, beide haben aber etwas gemeinsam: Nicht immer hält der Verkäufer das, was er verspricht. Dirk Kramer analysiert das populäre Geschäftsmodell, mit dem Versicherungen darauf reagieren.
Eine Gewährleistungsversicherung dient dazu, die Garantiehaftung oder Freistellungsverpflichtung des Verkäufers auf eine Versicherung zu übertragen. Sie soll die Interessen zum Ausgleich zu bringen, die bei einem Unternehmenskauf zwar wesentlich vielschichtiger, im Ergebnis aber nicht anders als bei einem Gebrauchtwagenkauf sind: Verkäufer sichern vor dem Vertragsschluss manches zu, aber nicht alles, was versprochen ist, wird auch gehalten. Ein Gebrauchtwagen kommt beispielsweise frisch aus der Werkstatt, obwohl Unfallfreiheit zugesichert war. Ein Unternehmen kann bisweilen Risiken mit sich bringen, die nicht in den Büchern stehen.
Das Problem sind jeweils die zugesicherten Eigenschaften. Unternehmenskaufverträge enthalten daher seitenlange Kataloge zu Beschaffenheitsangaben über das zu veräußernde Geschäft. Deshalb ist die Verhandlung über den Umfang der abzugebenden Garantien im Ergebnis häufig zeitintensiver als die Verhandlung über den Kaufpreis selbst. Zusätzlich bietet sich zur Absicherung einer Transaktion eine sogenannte Representations and Warranty Insurance an, also eine Gewährleistungsversicherung.
Mit solchen verhielt es sich im Rahmen von M&A Transaktionen in Deutschland aber lange Zeit wie mit der Frauenquote: Alle sprechen darüber, aber nur wenige machen es. Zwar sind Gewährleistungsversicherungen im deutschen Markt noch nicht so populär wie im anglo-amerikanischen Raum, doch hat sich der Trend in den letzten Jahren umgekehrt. Denn der Einsatz solcher Gewährleistungsversicherungen eröffnet Gestaltungs¬spielräume und kann im Wettbewerb um attraktive Assets strategische Vorteile bringen.
Gewährleistungsversicherungen im M&A-Kontext immer beliebter
Der derzeitige Markt begünstigt den Aufschwung von Gewährleistungsversicherungen beim Unternehmenskauf, denn die Konkurrenz um hochwertige Assets ist groß und das Angebot knapp. Dieser Umstand macht Investoren erfinderisch und führt sie vermehrt in unbekanntes Terrain, weshalb Vorsicht geboten ist. Dieser wird man in Form von Gewährleistungen und Garantien gut gerecht.
Gleichzeitig sehen Verkäufer im derzeitigen Marktumfeld keine Notwendigkeit, selbst weitgehende Gewährleistungen abzugeben. Für Private-Equity-Investoren als Verkäufer interessant ist dadurch die weit verringerte Notwendigkeit, im Hinblick auf etwaige Gewährleistungsansprüche unter einem Kaufvertrag Rückstellungen bilden zu müssen. Die frühzeitige Ausschüttung von Investitionserlösen kann so die interne Verzinsung des eingesetzten Kapitals erhöhen und damit die Performance des Fonds verbessern.
Die insoweit gestiegene Nachfrage nach entsprechenden Versicherungslösungen hat in den letzten Jahren neue Anbieter auf den Markt gebracht, was in Verbindung mit fallenden Prämien die Produktinnovation gefördert hat. Waren vor Jahren bei Käufer-Policen noch Prämien zwischen drei und sechs Prozent der Deckungssumme üblich, liegen diese derzeit zwischen einem und drei Prozent. Anders als früher fallen Versicherungsprämien neben sonstigen Transaktionskosten daher weniger ins Gewicht, was die Einbindung solcher Gewährleistungsversicherungen attraktiver macht.
2/2: Ein Angebot vor allem für Käufer
Während die Gewährleistungsversicherung ursprünglich als Versicherung für den Verkäufer ausgestaltet war, sind der weit überwiegende Teil der Versicherungen heute Käufer-Policen. Aus diesem Umstand zu schließen, dass die Versicherungen weit überwiegend vom Erwerber initiiert werden, wäre jedoch falsch. Im Gegenteil: Insbesondere im Private-Equity-Umfeld kommt es immer häufiger vor, dass ein Verkäufer potentiellen Erwerbern ein mit einem Versicherer vorabgestimmtes, unverbindliches Angebot zum Abschluss einer Gewährleistungsversicherung zusammen mit dem ersten Entwurf des Kaufvertrags zur Verfügung stellt ("Seller-Buyer-Flip" oder "Stapled insurance" genannt). Auf diese Weise wird deutlich gemacht, dass Angebote ohne Gewährleistungsversicherung wenig aussichtsreich sind. Versicherungsnehmer wird dann jedoch der Erwerber.
Bei dieser Vorgehensweise ist die Haftungsobergrenze des Verkäufers üblicherweise stark reduziert (etwa auf ein Prozent des Unternehmenswertes) und entspricht häufig dem Selbstbehalt unter der Versicherung, der für den Käufer des Unternehmens und damit dem künftigen Inhaber der Police gilt. Der Selbstbehalt ist für Versicherungen wichtig, um sicherzustellen, dass der Erwerber und spätere Versicherungsnehmer eine sorgfältige Risikoprüfung durchführt. Aus der Perspektive der Versicherung sollte gleichzeitig der Verkäufer in Höhe des Selbstbehalts unter dem Kaufvertrag haften, damit er die Richtigkeit der Garantieerklärungen sorgsam prüft.
Wer es sich leisten kann, verkauft fast risikolos
Gegen Prämienzuschlag akzeptieren Versicherer auch Strukturen, in denen Verkäufer nur für einen Teilbetrag des Selbstbehalts oder gar nicht haften und so fast gänzlich risikolos einen Unternehmenskaufvertrag unterzeichnen. Über der vereinbarten Haftungsobergrenze liegende Schäden kann der Erwerber bis zu einer selbst gewählten Deckungssumme direkt gegenüber dem Versicherer geltend machen, ohne sich vorher an den Verkäufer wenden zu müssen. Die Mindestprämie liegt derzeit zwischen 50.000 und 60.000 Euro. Damit der Einsatz einer Gewährleistungsversicherung lohnt, sollte das Transaktionsvolumen daher mindestens fünf bis sechs Millionen Euro betragen.
Spötter behaupten, Versicherungen kämen für alles auf – außer für Schäden, die entstehen. Ob dies für den Bereich der Gewährleistungsversicherung gilt, wird vermutlich der gewährleistungsversicherte Erwerb des Sanitärausrüsters Grohe durch den japanischen Baustoffkonzern Lixil zeigen. Nachdem die chinesische Tochterfirma der deutschen Grohe Beteiligung Joyou AG einen Kredit nicht mehr bedienen konnte, meldete diese kurze Zeit später Insolvenz an. Marktteilnehmer berichten, dass es um rund 270 Millionen Euro Schadenssumme geht. Der Fall könnte zum Gradmesser für die Branche werden.
Der Autor Dirk Kramer, LL. M. ist Associate bei Kirland & Ellis LLP am deutschen Standort in München. Er berät Mandanten im gesamten Wirtschaftsrecht, insbesondere aber im Bereich Private Equity und M&A.
Dirk Kramer, LL. M., Gewährleistungsversicherung bei M&A-Transaktionen: Der neue Standard beim Unternehmenskauf? . In: Legal Tribune Online, 08.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20519/ (abgerufen am: 25.04.2024 )
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