Die rechtswissenschaftliche Forschung hat den Schutz von Gesundheitsdaten bisher nur in Teilbereichen und auch dort zum Teil nur rudimentär erschlossen, weil die Materie im Schnittfeld diverser Rechtsgebiete angesiedelt ist. Ein Forschungsprojekt an der Universität Regensburg soll diese Lücke nun schließen. Von Prof. Dr. Thorsten Kingreen und Prof. Dr. Jürgen Kühling.
Die rechtlichen Grundlagen für den Umgang mit Gesundheitsdaten sind äußerst unübersichtlich und nur schwer zugänglich - nicht zuletzt, weil sie auf zahlreiche Einzelgesetze verteilt sind.
Im Rahmen einer Analyse der rechtlichen Rahmenbedingungen sollen die sozial-, gesundheits- und datenschutzrechtlichen Fragestellungen mit dem Verfassungsrecht der informationellen Selbstbestimmung verknüpft und Vorschläge für ein Gesundheitsdatenschutzrecht erarbeitet werden, das das grundrechtliche Spannungsfeld zwischen Wissen und Nichtwissen über Gesundheitsdaten aufarbeitet.
Ziel des Forschungsvorhabens ist es damit zugleich, einen Beitrag für einen verbesserten Datenschutz zu leisten, der einen mitunter hochsensiblen und immer wichtiger werdenden Bereich betrifft.
Gesundheitsdaten als wichtige Handlungs- und Entscheidungsgrundlagen
Gesundheitsdaten enthalten Informationen über den Gesundheitszustand eines Menschen. Sie werden in zahlreichen Lebensbereichen erhoben und genutzt, nicht nur im Arzt-Patienten-Verhältnis, sondern auch zur Begründung und Beendigung von Arbeits- und Versicherungsverhältnissen, in der medizinischen Ausbildung und Forschung ebenso wie im Hochleistungssport zur Bekämpfung des Dopings oder etwa zum Schutz von Kindern vor Gewalt.
Auf der einen Seite sind die in den Gesundheitsdaten gespeicherten Informationen auf allen diesen Feldern wichtige Handlungs- und Entscheidungsgrundlagen; auf der anderen Seite bedürfen sie rechtlichen Schutzes vor unbefugter Erhebung und Verwendung.
Exemplarisch zeigt das die jüngste Diskussion über das Gendiagnostikgesetz. Durch genetische Untersuchungen werden Informationen über individuelle unveränderliche Veranlagungen gewonnen. Einerseits erleichtert das die Diagnose von Krankheiten und es wird Wissen generiert, das etwa für gezielte Präventionsmaßnahmen genutzt werden kann. Andererseits besteht die Gefahr, dass diese Informationen zu Lasten der Betroffenen verwendet werden, etwa beim Abschluss von Versicherungs- oder von Arbeitsverträgen.
Grad der Sensibilität hängt vom Verwendungzweck ab
Versicherungsunternehmen wie Arbeitgeber haben ein Interesse daran, die gleichen Informationen über genetische Krankheiten zu haben wie Versicherungs- und Arbeitnehmer. Das führt unweigerlich zu Konflikten: Darf etwa ein Land sich weigern, eine Lehrerin zu verbeamten, in deren Familie die unheilbare vererbliche Nervenkrankheit Chorea Huntington aufgetreten ist? Hat das Land überhaupt einen Anspruch darauf, davon zu erfahren?
Verfassungsrechtlich sind Gesundheitsdaten durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Jeder darf grundsätzlich selbst darüber entscheiden, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über ihn weiß. Der Staat hat die Aufgabe, dieses Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu sichern, etwa durch die Aufstellung von Verfahrensregeln über die Erhebung, die Verwendung und die Löschung von Daten.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Grad der Sensibilität eines Datums von seinem Verwendungszusammenhang abhängt. Daten über die Gesundheit eines Menschen sind in einem bestimmten Zusammenhang trivial, etwa im Verhältnis zu seinem Arzt, der die Behandlungsdaten zum Zwecke der Abrechnung an die Kassenärztliche Vereinigung weiterleitet; das gleiche Datum wird aber zur Grundlage einer sensiblen Information, wenn das aus ihm abgeleitete Wissen zur Auflösung eines Arbeitsvertrages führt oder den Abschluss einer privaten Lebensversicherungsvertrages verhindert.
Verfassung gebietet Differenzierungen beim Gesundheitsdatenschutz
Insgesamt kommt es für die persönlichkeitsrechtliche Bedeutung von Daten also sowohl auf die sozialen Zusammenhänge an, in die sie eingespeist werden, als auch auf die Akteure, die in ihren Besitz kommen und sie wiederum weiterleiten. Wesentlich sind nicht die einzelnen Daten, sondern die Informations- und Wirkungszusammenhänge, und diese werden maßgeblich durch das einfache Recht hergestellt, ausgestaltet und begrenzt.
Die verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Differenzierungen beim Gesundheitsdatenschutz ergibt sich auch aus dem Umstand, dass nicht nur die grundsätzliche Verfügungsgewalt über eigene personenbezogene Daten, sondern auch der Umgang mit Daten und die Erlangung von Informationen grundrechtlichen Schutz genießen, etwa beim Arzt, der abrechnet, beim Versicherungsunternehmen, das vor dem Abschluss der Lebensversicherung etwas über die Krankheiten ihres Vertragspartners erfahren möchte (jeweils Art. 12 Abs. 1 GG) oder beim Wissenschaftler, der die Gesundheitsdaten für seine Forschung benötigt (Art. 5 Abs. 3 GG).
Prof. Dr. Thorsten Kingreen und Prof. Dr. Jürgen Kühling sind als Inhaber der Lehrstühle für Öffentliches Recht, Sozialrecht und Gesundheitsrecht sowie Öffentliches Recht, Immobilienrecht, Infrastrukturrecht und Informationsrecht an der Universität Regensburg für das Forschungsprojekt zum Gesundheitsdatenschutzrecht verantwortlich.
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Gesundheitsdatenschutzrecht: . In: Legal Tribune Online, 28.01.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2429 (abgerufen am: 05.12.2024 )
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