Regierungsentwurf eines Anti-Doping-Gesetzes: Wer die Musik bezahlt, bestimmt die Melodie

von Prof. Dr. Jens Adolphsen

22.05.2015

2/3: Geschützt ist der Sport – nicht die Gesundheit

Die Strafbarkeit des Selbstdopings kann nicht mit der Gesundheitsschädigung durch Doping begründet werden. Die Eigenschädigung ist in Deutschland anerkanntermaßen straffrei. Daher benennt der Entwurf auch klar ein anderes Ziel: "Die Norm dient dem Schutz der Integrität des Sports. Sie stellt damit den Kern der Neuausrichtung in der strafrechtlichen Dopingbekämpfung dar."

Dies ist mutig und richtig. An der Frage des zu schützenden Rechtsgutes hatte sich die rechtliche, aber auch die rechtspolitische Diskussion entfacht. Der Staat missachte, wenn er "rein" sportliche Werte mit dem Strafrecht schütze, die Trennung von Moralität und Legalität, hatten Kritiker moniert. Er missbrauche das Strafrecht und übergehe das ultima ratio-Prinzip.

Richtig ist, dass es sich bei der Integrität des Sports um ein diffuses Rechtsgut handelt. Dieses Schicksal teilt es mit jüngeren, anerkannt schutzwürdigen Rechtsgütern, allen voran dem des wirtschaftlichen Wettbewerbs, der bereits durch die §§ 298 ff. Strafgesetzbuch (StGB) geschützt wird.

Rechtsgüter fallen nicht vom Himmel

Der Staat ist aber nicht darauf beschränkt, Kernrechtsgüter zu schützen. Rechtsgüter fallen nicht vom Himmel, sie bilden sich heraus und werden vom Gesetzgeber als schützenswert herausgegriffen, auch, um eine ansonsten bestehende Schutzlücke zu schließen. Die Regierung formuliert diesen Findungsprozess in ihrer Entwurfsbegründung ganz offen: "Angesichts der herausragenden gesellschaftspolitischen Bedeutung des Sports muss der Staat – neben den Anstrengungen der Sportverbände, deren Maßnahmen allein aber nicht ausreichen – zum Schutz der Integrität des Sports zur Dopingbekämpfung beitragen."

Zudem hatte sich das Rechtsgut der Integrität des Sports ohnehin bereits systemwidrig in das AMG eingeschlichen: Dieses enthält das Verbot von Arzneimittel zu Dopingzwecken im Sport. Der Arzt darf Studenten und Manager dopen, nicht aber Sportler. Mit Arzneimittelsicherheit hat das wenig, mit dem Schutz des Sports wohl eher zu tun.

Neben dieser eher dogmatischen Frage nach dem zu schützenden Rechtsgut ist gewarnt worden, das Nebeneinander von Verbands- und Strafverfahren führe ins Chaos. Es drohe eine Haftung der Sportverbände, wenn Sportler vom Verband bestraft, vom Staat aber frei gesprochen würden. In Expertenanhörungen haben sich jedoch gerade leitende Staatsanwälte der Schwerpunktstaatsanwaltschaften Doping gegen diese These ausgesprochen.

Gleichlauf von Straf- und Sportgerichtsbarkeit keineswegs zwingend

Seit fast zehn Jahren muss nach den Vorgaben von WADA und NADA das Umfeld des Sportlers (Trainer, Ärzte, Betreuer) von den verbandlichen Dopingbestimmungen erfasst sein. Dieser Personenkreis war schon bisher tauglicher Täter nach dem AMG. Ein Chaos ist ausgeblieben.

Die Anwendung von unterschiedlichen Normkomplexen auf einen Sachverhalt ist im Recht zudem eher häufig: Bei jedem Verkehrsunfall können zivilrechtlich (sogar Gefährdungshaftung nach dem Straßenverkehrsgesetz) und strafrechtlich unterschiedliche Ergebnisse herauskommen.  Dass dies beim Sport, an dem größeres öffentliches Interesse als an Verkehrsunfällen besteht, einen gewissen Erklärungsaufwand mit sich bringen wird, mag sein. Für zu blöd sollte man aber weder Journalisten noch die Öffentlichkeit halten.

Im Übrigen begründet die Unterschiedlichkeit der Ergebnisse allein noch keine Haftung. Die rechtmäßige Anwendung rechtmäßiger Regeln durch Sportverbände ist sicher keine unerlaubte Handlung. Sie wird dies auch nicht dadurch, dass der Staat auf der Grundlage seiner Vorschriften zu einem anderen Ergebnis kommt.

Weniger Diskussion wird das gegenüber dem AMG neu gefasste Verbot des Fremddopings hervorrufen. Die Regelungen aus dem AMG werden in das Anti Doping Gesetz überführt, neue Tathandlungen (Herstellen, Handel treiben, Abgeben, in oder durch den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbringen) aufgenommen, zudem werden Dopingmethoden erfasst. Schwierigkeiten, ein zu schützendes Rechtsgut zu finden, bestehen hier nicht - die Vorschriften dienen klar dem Gesundheitsschutz.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Jens Adolphsen, Regierungsentwurf eines Anti-Doping-Gesetzes: Wer die Musik bezahlt, bestimmt die Melodie . In: Legal Tribune Online, 22.05.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15634/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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