Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften laufen bereits Sturm: Maximal 18 Monate soll Arbeitnehmerüberlassung nach einem Gesetzesentwurf künftig noch möglich sein. Thomas Leister fasst die wesentlichen Punkte des Entwurfs zusammen.
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hat sich Zeit gelassen mit dem Gesetzentwurf zur Regulierung von Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträgen. In dieser Woche hat sie ihn endlich in die regierungsinterne Abstimmung gegeben.
Ein wesentliches Ziel des Entwurfs ist die Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen und Dienstverträgen, um feste Beschäftigungsverhältnisse zu schützen. Eine der grundlegenden betrifft die grundsätzliche Überlassungsdauer von höchstens 18 Monaten und eine gleiche Vergütung nach grundsätzlich neun Monaten. Das Gesetz soll zum Januar 2017 in Kraft treten.
Es soll eine Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten eingeführt werden. Die Regelung ist an die Person des Zeitarbeitnehmers gekoppelt, nicht an den Arbeitsplatz. Der Entleiher kann auf demselben Arbeitsplatz nach Ablauf von 18 Monaten einen anderen Zeitarbeitnehmer einsetzen. Es ist jedoch vorgesehen, dass von dieser Überlassungshöchstdauer abgewichen werden kann, um die Dauer des Einsatzes der Zeitarbeitnehmer zu verlängern oder zu verkürzen. Dafür muss die Branche, in der die Zeitarbeitnehmer tätig werden sollen, eine solche Abweichung in Tarifverträgen vereinbart haben. Aber auch durch eine entsprechende Betriebsvereinbarung kann die Dauer der Überlassung verändert werden. Die erlaubte Dauer eines Zeitarbeitsverhältnisses war seit Jahren ungeklärt.
Kein Einsatz als Streikbrecher und neue Unterrichtungspflichten
Regelmäßiger Streitpunkt bei der Arbeitnehmerüberlassung war zudem der sogenannte Equal Pay, die gesetzlich vorgesehene gleiche Bezahlung wie fest angestellte Beschäftigte, solange wie keine anderslautenden tarifvertraglichen Vereinbarungen vorliegen. Nun sieht der Gesetzesentwurf vor, dass Zeitarbeitnehmer nach neun Monaten gleich viel Gehalt wie vergleichbare Stammbeschäftigte erhalten.
Soweit allerdings für das Arbeitsverhältnis ein (Branchen-) Zuschlagstarifvertrag gilt, der eine stufenweise Heranführung des Entgelts an Equal Pay vorsieht, besteht der Anspruch auf Equal Pay erst nach einer Einsatzdauer von zwölf Monaten. Für Arbeitgeber bedeutet die Regelung neben höheren Gehaltskosten mehr Verwaltungsaufwand: Denn sie müssen für jeden Zeitarbeitnehmer prüfen, was das zutreffende Vergleichsgehalt ist.
Bereits nach geltendem Recht sind Zeitarbeitnehmer nicht verpflichtet, bei einem Entleiher tätig zu sein, soweit dieser durch einen Arbeitskampf unmittelbar betroffen ist. Nach dem Referentenentwurf darf der Entleiher Zeitarbeitnehmer zukünftig nicht als Streikbrecher tätig werden lassen – unabhängig von deren etwaiger Einwilligung. Dieses Verbot gilt jedoch nur, soweit der Betrieb des Entleihers unmittelbar durch einen Arbeitskampf betroffen ist.
Ebenfalls bereits nach bisheriger Praxis der Bundesagentur für Arbeit durften Zeitarbeitnehmer ausschließlich von ihrem Vertragsarbeitgeber verliehen werden. Nun soll das Verbot des sogenannten Kettenverleihs, bei dem ein Entleiher die ihm von einem Verleiher überlassenen Zeitarbeitnehmer seinerseits anderen Entleihern überlässt, explizit gesetzlich geregelt werden.
Darüber hinaus sieht der Entwurf Unterrichtungspflichten des Entleihers gegenüber dem Betriebsrat vor. So ist er insbesondere über den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben von Fremdpersonal zu unterrichten. Betriebsräte und Gewerkschaften hatten sich insbesondere im Hinblick auf die Beauftragung von Werkunternehmern ein noch weiteres echtes Mitbestimmungsrecht im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes gewünscht. Dass ein solcher massiver Eingriff in die unternehmerische Freiheit nicht Gesetz werden würde, hatte die Bundesarbeitsministerin bereits im Vorfeld klar gemacht.
2/2: Kriterien für die Abgrenzung von Arbeitsverträgen zu Werk- und Dienstverträgen
Ein Hauptziel des Entwurfs ist die Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen und Dienstverträgen. Zu diesem Zweck wird die von der Rechtsprechung entwickelte Abgrenzung abhängiger von selbstständiger Tätigkeit erstmals gesetzlich niedergelegt. Hierzu soll ein Katalog von acht Kriterien dienen, nach dem eine abhängige Beschäftigung insbesondere vorliegt,
wenn jemand
- nicht frei darin ist, seine Arbeitszeit oder die geschuldete Leistung zu gestalten oder seinen Arbeitsort zu bestimmen,
- die geschuldete Leistung überwiegend in Räumen eines anderen erbringt,
- zur Erbringung der geschuldeten Leistung regelmäßig Mittel eines anderen nutzt,
- die geschuldete Leistung in Zusammenarbeit mit Personen erbringt, die von einem anderen eingesetzt oder beauftragt sind,
- ausschließlich oder überwiegend für einen anderen tätig ist,
- keine eigene betriebliche Organisation unterhält, um die geschuldete Leistung zu erbringen,
- Leistungen erbringt, die nicht auf die Herstellung oder Erreichung eines bestimmten Arbeitsergebnisses oder eines bestimmten Arbeitserfolges gerichtet sind,
- für das Ergebnis seiner Tätigkeit keine Gewähr leistet.
Diese Kriterien sind nicht abschließend und es soll auf eine "wertende Gesamtbetrachtung" ankommen – was nach bisheriger Praxis der Behörden und der Rechtsprechung bereits der Fall gewesen ist. Insoweit werden diese Kriterien keine Rechtsklarheit und Rechtssicherheit bringen oder auch nur erhöhen. Klar ist vielmehr, dass bei der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit nach wie vor eine erhebliche Rechtsunsicherheit bleiben wird. Denn es kommt nicht darauf an, die Abgrenzungskriterien im Gesetz zu benennen, sondern sie im konkreten Fall richtig anzuwenden. Für noch mehr Rechtsunsicherheit wird jedoch sorgen, dass nach diesen Kriterien bislang unstreitige Werkverträge in Frage gestellt würden, z.B. wenn ein Kunde ein IT-Dienstleistungsunternehmen beauftragt, Software zu programmieren und im System des Kunden zu installieren.
Bislang konnte der vermeintliche Werkunternehmer eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis vorhalten und sich auf diese berufen, wenn eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung festgestellt wurde. Mit der Neuregelung soll diese sog. vorsorgliche Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis unzulässig sein. Damit sollen künftig Vertragskonstruktionen verhindert werden, die von den Parteien zwar als Werkvertrag bezeichnet, tatsächlich aber als Arbeitsverträge oder Arbeitnehmerüberlassungsverträge "gelebt" werden.
Gesetzlich geregelt werden soll zudem, dass Zeitarbeitnehmer bei den betriebsverfassungsrechtlichen und für die Unternehmensmitbestimmung geltenden Schwellenwerten auch beim Entleiher grundsätzlich zu berücksichtigen sind. Damit wird die neuere Rechtsprechung kodifiziert.
Dr. Thomas Leister, MBA, ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner im Münchener Büro von Osborne Clarke.
Dr. Thomas Leister, Gesetzentwurf zu Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträgen: Klar ist vor allem: Es bleibt unklar . In: Legal Tribune Online, 19.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17593/ (abgerufen am: 24.04.2024 )
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