Gesetzesinitiative zur unerlaubten Telefonwerbung: Bestä­ti­gungs­mo­dell ist Sch­nell­schuss auf das fal­sche Ziel

Heinrich Nemeczek

28.10.2011

Um unerlaubte Telefonwerbung effektiver zu bekämpfen, hat der Bundesrat einen Vorschlag in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Doch die "Bestätigungslösung" ist ein untauglicher Versuch, findet Heinrich Nemeczek und zeigt, warum die Idee zu praktischen Problemen führt und nicht nur den Verbraucher nicht schützt, sondern auch den redlichen Unternehmer schadet.

Trotz weitgehender Reformen etwa im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) oder im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) reißen die Belästigungen der Verbraucher nicht ab. Die Verbraucherzentralen berichten von knapp 80.000 Beschwerden in der Zeit zwischen März und November des letzten Jahres. Insbesondere im Bereich der angeblichen Gewinnmitteilungen sind betrügerische Anrufe häufiger geworden.

Der Bundesrat hatte am 27. Mai 2011 den "Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Verbraucherschutzes bei unerlaubter Telefonwerbung" in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht, mit dem er die ungefragte Kontaktaufnahme mit Konsumenten effektiver bekämpfen möchte. Zu dieser Gesetzesinitiative wurde er aufgrund einer vom Bundesjustizministerium durchgeführten Evaluierung des vor über zwei Jahren in Kraft getretenen "Gesetzes zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen" veranlasst.

Bislang haben die Gesetzesreformen ihr Ziel nicht erreicht. In der Politik ist man sich deshalb einig, dass die Belästigung der Verbraucher durch die so genannten Cold Calls effektiver bekämpft werden muss. Weniger klar sind jedoch die hierfür notwendigen Regelungsmodelle. Bereits vor zwei Jahren hatte der Bundesrat die "Bestätigungslösung" vorgeschlagen. Ihr zufolge sollen Verträge, die im Zusammenhang mit unerlaubter Telefonwerbung geschlossen werden, erst dann wirksam werden, wenn sie der Verbraucher innerhalb von vierzehn Tagen in Textform bestätigt. Die Bestätigungslösung ist auch Gegenstand des jüngsten Gesetzesentwurfs.

Zweiter Anlauf für einen alten Vorschlag

Aufgrund des dezidierten Widerstands vonseiten der Bundesregierung und des Bundestags ist diese Lösung allerdings bereits vor zwei Jahren nicht in Kraft getreten. Heute ist dieser Widerstand jedoch sehr viel schwächer geworden, denn alternative Regelungsinstrumentarien scheinen nicht in Sicht zu sein.

So vorteilhaft jenes Regelungsmodell für den Verbraucher auf den ersten Blick erscheinen mag, ist es das tatsächlich nicht. Wäre nämlich eine Bestätigungserklärung in Textform erforderlich, würde dies zu weiteren Anrufen einladen. Der Verbraucher würde dann solange weiter kontaktiert, bis er eine Bestätigungserklärung abgibt. Damit wird genau das erreicht, was das Modell eigentlich verhindern soll, nämlich dass der Verbraucher nicht mehr ungefragt angerufen wird.

Auch wenn nach geltendem Recht Verträge einfach untergeschoben werden, wird dies durch den neuerlichen Vorschlag nicht verhindert. Wo heute Verträge behauptet werden, wird in Zukunft eben einfach die vorherige Zustimmung zum Anruf untergeschoben. Kontaktiert der Unternehmer den Verbraucher nämlich mit dessen ausdrücklicher Einwilligung, wäre nämlich auch die Bestätigungserklärung nicht erforderlich. Häufig werden Verbraucher dann nicht auf die erforderliche Bestätigungserklärung beharren, sondern im Zweifel den vom Unternehmer geforderten Kaufpreis zahlen.

Vorschlag führt zu mehr Bürokratie und verkompliziert Telefonbestellungen

Der Schutz durch die Bestätigungslösung setzt insofern rechtliche Kenntnisse des Verbrauchers voraus. Solche können aber nicht ohne weiteres angenommen werden. Der Vorschlag würde damit zur Intransparenz der Rechtslage beitragen. Zudem ist zweifelhaft, ob es einer zusätzlichen Anerkennung eines fernmündlich geschlossenen "Vertrages" bedarf, weil die Gefahr der Überrumpelung bei Fernabsatzverträgen bereits durch das bestehende Widerrufsrecht beseitigt wird. Ist der Verbraucher nicht selbstbewusst genug, davon Gebrauch zu machen, wird auch die Bestätigungslösung nicht weiterhelfen.

Sie wäre insbesondere bei Geschäftsbeziehungen problematisch, in denen Telefonwerbung ohne Einwilligung nicht zwangsläufig als Belästigung empfunden wird. Ein weiteres Problem: Würden Unternehmer ihre Waren zusenden, ohne dass die erforderliche Bestätigung durch den Verbraucher erklärt wurde, handelte es sich dabei um unbestellte Waren im Sinne des § 241a BGB, wodurch ein Anspruch des Unternehmers gegen den Verbraucher nicht begründet wird. Gerade für mittelgroße oder kleine Unternehmer wäre dies unter Umständen mit verheerenden wirtschaftlichen Konsequenzen verbunden. Wäre die gelieferte Ware umgekehrt mangelhaft, stünden dem Verbraucher keine Gewährleistungsrechte zu, da kein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen wäre.

Im Zweifel würden Unternehmen also dazu übergehen, bei jedem am Telefon geschlossenen Vertrag eine Bestätigung zu fordern, auch wenn eine solche im Einzelfall garnicht erforderlich wäre. Die oftmals angenehmen und unkomplizierten Telefonbestellungen wären dann insgesamt Geschichte.

Wie einen Hausbrand löschen, indem man Falschparker vor dem Haus abschleppt

Das zentrale Problem dieses Regelungsmodells besteht darin, dass es an der falschen Stelle ansetzt. Die heutige Rechtslage ist unmissverständlich: Ruft der Unternehmer den Verbraucher zum Zwecke der Telefonwerbung an, greift er in die Privatsphäre des Verbrauchers ein. Ohne ausdrückliche Einwilligung ist dieser Eingriff rechtswidrig und verletzt den Angerufenen in seinem Persönlichkeitsrecht. Diesem stehen dann Ansprüche auf Schadensersatz und Unterlassung zu.

Im bundesweiten Abschlussbericht der Verbraucherzentralen aus dem Jahr 2010 heißt es, dass bei 53.019 registrierten Beschwerden 19.084 Mal kein Vertrag geschlossen wurde, 17.861 Mal wurde ein solcher untergeschoben. In letzterem Fall behauptet der Unternehmer damit lediglich einen Vertrag. Ob ein solcher zustande gekommen ist, müsste er aber erst beweisen. In jedem Fall kann der Verbraucher den Vertrag allerdings widerrufen.

Da das Kernelement der Diskussion die Belästigung des Verbrauchers darstellt und nicht die angeblich geschlossenen, weil untergeschobenen Verträge, sind vielmehr Reformen im Bereich der Rechtsdurchsetzung nötig. Ein Hausbrand wird eben nicht dadurch gelöscht, dass falsch parkende Autos vor dem Haus abgeschleppt werden. Der Gesetzgeber sollte insbesondere untersuchen, ob den 80.000 Beschwerden, die die Verbraucherzentralen verzeichnen, tatsächlich nachgegangen wird, und, wenn dies nicht der Fall sein sollte, worauf dies zurückzuführen ist.

Insofern wäre es nötig, die politische Kraft dafür aufzubringen, einen gesetzgeberischen Schnellschuss zu vermeiden und mögliche Lösungsmodelle sorgfältig zu untersuchen. Dass diese nötig sind, steht jedenfalls außer Frage.

Heinrich Nemeczek ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für das Recht des geistigen Eigentums an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Er veröffentlicht Fachaufsätze zur aktuellen Diskussion und hielt einen Vortrag zur Bestätigungslösung an der Frankfurt School of Finance and Management.

 

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Zitiervorschlag

Gesetzesinitiative zur unerlaubten Telefonwerbung: . In: Legal Tribune Online, 28.10.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4678 (abgerufen am: 13.12.2024 )

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