Bundesarbeitsminister Heil hat einen Gesetzentwurf zur mobilen Arbeit vorgelegt, den das Kanzleramt aber schnell blockiert hat. Über welche geplanten Regelungen sich die Regierung uneins ist, erläutern Michael Winkelmüller und Ira Gallasch.
Seit Beginn der Corona-Pandemie wird der Ruf danach, mobiles Arbeiten zu ermöglichen und gesetzlich zu regeln, immer lauter. Doch die jüngsten politischen Entwicklungen zeigen, wie schwierig es sein kann, diesem Ruf zu folgen: Das SPD-geführte Arbeitsministerium (BMAS) hat Anfang Oktober den Referentenentwurf eines Gesetzes zur mobilen Arbeit vorgelegt. Das Kanzleramt hat diese Initiative aber unmittelbar darauf durch gestoppt, wie kurz darauf in der Presse zu lesen war. Die Begründung: Der Entwurf sei für die weitere Abstimmung zwischen den Bundesministerien nicht geeignet, der Koalitionsvertrag sehe nämlich gar keinen Anspruch auf Homeoffice vor.
Entsprechend stößt der vom BMAS vorgesehene gesetzliche Anspruch auf mobile Arbeit bei den Koalitionspartnern auf breiten Widerstand. Laut CSU-Generalsekretär Markus Blume sei Bundesarbeitsminister Hubertus Heil "mit seinen neuen Regulierungsfantasien auf dem Holzweg". Er erklärte, dass Deutschland "ein modernes Arbeitsrecht und keine neuen Bürokratiemonster" brauche. Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (beide CDU) hatten sich ablehnend geäußert.
Kern des Streits: der Anspruch auf Homeoffice
Mit dem Gesetzentwurf soll erstmalig ein Anspruch auf Homeoffice normiert werden. Durch den geplanten § 111 Abs. 2 Gewerbeordnung (GewO) kann ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat, verlangen, dass der Arbeitgeber regelmäßiger mobiler Arbeit zustimmt. Der Anspruch soll sich auf 24 Tage pro Jahr bei einer Fünf-Tage-Wocheerstrecken.
Mobil arbeitet dabei, wer die geschuldete Arbeitsleistung außerhalb der Betriebsstätte von einem Ort oder Orten seiner Wahl oder von einem oder mehreren mit dem Arbeitgeber vereinbarten Orten und unter Verwendung von Informationstechnologie erbringt. Möchte ein Arbeitnehmer etwa von zuhause aus arbeiten, so muss er dem Arbeitgeber spätestens drei Monate vor dem gewünschten Termin in Textform Beginn, Dauer, Umfang und Verteilung der mobilen Arbeit mitteilen (§ 111 Abs. 1 S. 1 GewO-E). Damit würde eineE-Mail des Arbeitnehmers genügen, um den Arbeitgeber in Zugzwang zu bringen.
Arbeitgeber darf nicht einfach ablehnen
Der Arbeitgeber soll nämlich dieses Verlangen nach mobiler Arbeit nur ablehnen dürfen, soweit die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit für mobile Arbeit nicht geeignet ist oder der mobilen Arbeit betriebliche Gründe entgegenstehen (§ 111 Abs. 2 S. 3 GewO-E).
Anderenfalls muss er mit dem Arbeitnehmer die Bedingungen der mobilen Arbeit (Beginn, Dauer, Umfang, Verteilungund Art) mit dem Ziel erörtern, zu einer Vereinbarung zu gelangen. Kommt der Arbeitgeber seiner Erklärungs- und Erörterungspflicht nicht innerhalb von zwei Monaten nach, so gilt die verlangte mobile Arbeit als festgelegt.
Bei wirksamer Ablehnung durch den Arbeitgeber soll der Arbeitnehmer frühestens vier Monate nach Zugang der ablehnenden Entscheidung erneut mobile Arbeit verlangen können.
Der Entwurf sieht darüber hinaus vor, den Katalog des § 87 Abs. 1 BetrVG zu erweitern. Damit hätte der Betriebsrat bei Fragen der "Einführung und Ausgestaltung mobiler Arbeit" ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht.
EU-Recht geht weiter als Koalitionsvertrag
Im Koalitionsvertrag haben die Regierungsparteien sich darauf geeinigt, dass sie die mobile Arbeit fördern und erleichtern wollen. Geregelt ist dazu, dass ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden soll. Konkret vorgesehen ist ein Auskunftsanspruch der Arbeitnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber, wenn letzterer mobiles Arbeiten ablehnen sollte.
Nun geht der Referentenentwurf des BMAS zwar darüber hinaus, indem er einen Anspruch auf Homeoffice vorsieht. Das mag für Ärger hinsichtlich der Vereinbarung im Koalitionsvertrag sorgen, der Entwurf stützt sich aber auch auf die EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige, diebis zum 2. August 2022 umgesetzt werden muss.
Nach der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten ermöglichen, dass Arbeitnehmer mit Kindern (mindestens) bis zum Alter von acht Jahren sowie pflegende Angehörige das Recht haben, flexible Arbeitsregelungen für Betreuungs- und Pflegezwecke zu beantragen. Für diese kann eine angemessene zeitliche Begrenzung gelten. "Flexible Arbeitsregelungen" schließen Telearbeit und damit Homeoffice-Tätigkeit ausdrücklich mit ein. Die Arbeitgeber müssen bei ihrer Entscheidung sowohl die eigenen als auch die Bedürfnisse des Arbeitnehmers berücksichtigen, sieht das EU-Recht vor.
Das ist nun die Krux an der Sache: Ob ein bloßer Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers – wie ihn der Koalitionsvertrag vorsieht –, was den Arbeitgeber zur Ablehnung des Antrags auf Heimarbeit bewogen hat, ausreicht, ist zweifelhaft. Auf der anderen Seite sieht aber auch die umzusetzende EU-Richtlinie keinen eindeutigen Anspruch auf Homeoffice vor.
Näher liegt es, dass der Arbeitgeber nach dem EU-Recht eine Ermessensentscheidung treffen müssen wird. Wie bei dem Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit nach § 8 Abs. 4 S. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz müssten dann für eine Ablehnung betriebliche Gründe bestehen. Da die Darlegungs- und Beweislast beim Arbeitgeber liegt, würde dem Arbeitnehmer der Anspruch bei unzureichender Begründung zugesprochen.
Der zweite Schritt: Arbeitsschutz im Homeoffice
Nach § 111 Abs. 6 S. 1 GewO-E bleiben die Regelungen des Arbeitsschutzes unberührt. Das heißt: Der Arbeitgeber muss die bei der Arbeit auftretenden Gefährdungen beurteilen, Arbeitsschutzmaßnahmen festlegen und dokumentieren. Das bedeutet aber nicht, dass er eine Begehung jedes Homeoffice-Arbeitsplatzes vornehmen müsste. Er dürfte dies gar nicht: Ein Zugangsrecht des Arbeitgebers zu den privaten Räumlichkeiten des Arbeitnehmers besteht aufgrund der grundgesetzlich normierten Unversehrtheit der Wohnung nicht (Art. 13 Grundgesetz).
In erster Linie geht es nach dem BMAS-Entwurf also um Unterweisungen, um die Beschäftigten zu befähigen, für ihre eigene Sicherheit und Gesundheit Sorge zu tragen. Ihre Mitwirkungsbereitschaft beim Arbeitsschutz gewinnt bei mobiler Arbeit besondere Bedeutung. Es wird vor allem um die Größe und Beschaffenheit von Bildschirmen, die Arbeitsergonomie und die anderen üblichen Arbeitsschutzmaßnahmen bei Büroarbeitsplätzen gehen. Der Referentenentwurf verweist hier auf eine Konkretisierung durch Arbeitsschutzregeln, die noch durch die beim BMAS gebildeten Ausschüsse erlassen werden sollen.
Das alles heißt fürs Erste: Ein Regierungsentwurf eines Gesetzes zum Homeoffice wird aufgrund der Meinungsverschiedenheiten zwischen den Regierungsparteien sicherlich noch etwas auf sich warten lassen. Der Trend zum Homeoffice, der in der Corona-Pandemie einen großen Schub erlebt hat, wird gleichwohl weitergehen. Jedenfalls für das Ende der Umsetzungsfrist der EU-Richtlinie müssen Unternehmen in Deutschland sich darauf einstellen, Homeoffice weitergehend einrichten zu müssen und sich im Arbeitsschutz darauf einzustellen.
Die Autoren sind Rechtsanwälte bei Redeker Sellner Dahs. Dr. Michael Winkelmüller ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und spezialisiert auf Arbeitsschutz, Umweltschutz und Gesundheitsschutz. Ira Gallasch ist spezialisiert auf Arbeits- und Dienstvertragsrecht.
Gesetzentwurf zum mobilen Arbeiten: . In: Legal Tribune Online, 12.10.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43070 (abgerufen am: 02.12.2024 )
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