Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken geplant: Filesharing-Abmahnungen und ein Ende?

2/2: Was ist eine schwere Rechtsverletzung?

Es steht zu befürchten, dass auch die nun geplante Begrenzung der Anwaltsgebühren letztlich ins Leere laufen wird. Ähnlich unbestimmte Rechtsbegriffe wie die Norm des § 97 Abs. 2 UrhG enthält mit den "besonderen Umständen des Einzelfalles", aber auch der "Anzahl oder Schwere der Rechtsverletzungen" die nun geplante einschränkende Bestimmung des Gesetzentwurfs der Koalition ebenfalls.

Diese Verwässerung der Deckelung des Gegenstandswertes bietet erneut ein Einfallstor für die Argumentation von Seiten der abmahnenden Kanzleien. Auf die Anzahl und Schwere der Rechtsverletzungen stellt schon nach geltendem Recht die obergerichtliche Rechtsprechung bei dem ebenfalls in diesen Fällen relevante Auskunftsanspruch nach § 101 UrhG beim Merkmal des gewerblichen Ausmaßes ab. 

Die Obergerichte gehen dabei davon aus, dass eine schwere Rechtsverletzung in diesem Sinne beispielsweise dann anzunehmen ist, wenn ein aktuelles Musikalbum oder ein aktueller Film über eine Tauschbörse hochgeladen wird. Es sind aber gerade diese Fälle, die den weit überwiegenden Teil der Abmahnungen wegen Filesharings ausmachen. Mit dieser Auslegung wird die geplante Ausnahme faktisch zur Regel.

Die Krux mit dem fliegenden Gerichtsstand

Um eine ausgewogenere Anwendung gerade solcher auslegungsbedürftigen Regelungen und letztlich auch eine ausgeglichenere Rechtsprechung in diesen Fragen zu erreichen, sollte im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens auch der fliegende Gerichtsstand eingeschränkt werden.

Derzeit klagen die Abmahner unter Berufung auf diesen Gerichtsstand an einigen wenigen Gerichten, an denen sich eine bestimmte, oftmals den Rechteinhabern zuneigende Rechtsprechungspraxis herausgebildet hat.

Wie für den wettbewerbsrechtlichen Bereich vorgesehen, sollte die Koalition auch im Urheberrecht die Rechteinhaber wieder auf den zivilprozessualen Grundsatz zurückverweisen, nach dem der Abgemahnte an seinem Wohnsitz bzw. dem für ihn örtlich zuständigen Gericht in Urheberrechtssachen zu verklagen ist.

Hintertürchen Schadensersatz

Dies gilt umso mehr, als der Gesetzentwurf keine Regelung vorsieht, um den mit den Abmahnungen neben den Anwaltskosten geforderten Schadensersatz zu deckeln. Das ist im Grunde auch konsequent, da eine pauschale Deckelung von Schadensersatzansprüchen dem deutschen Schadensrecht fremd ist.

Sie würde den Rechteinhaber auch unangemessen benachteiligen, zumal ein abgemahnter Anschlussinhaber nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zwangsläufig schadensersatzpflichtig ist. Die Bemessung der Schadensersatzansprüche bleibt also der Beurteilung der angerufenen Gerichte überlassen.

Die hierzu bisher ergangenen Entscheidungen sprechen den Abmahnern  jedoch oft mit kritikwürdigen Begründungen pauschale Beträge zu. Häufig beruht das ohne nachweisbare Grundlage mehr oder weniger auf freier richterlicher Schätzung. Auch deshalb sollte die Rechtsfindung nicht weiterhin einigen wenigen Gerichten  überlassen, sondern auf eine breitere Grundlage gestellt werden. Denn nur mit einer ausgewogenen Rechtsprechung, welche die Interessen beider Seiten angemessen berücksichtigt, ist langfristig eine breite Akzeptanz des bestehenden Urheberrechts zurückzugewinnen und zu sichern.

Der Autor Carl Christian Müller, LL.M. ist Rechtsanwalt und Mitgründer der Kanzlei MMR Müller Müller Rößner, Berlin, die unter anderem auf das Medienrecht, das Presse- und Äußerungsrecht, das Breitbandkabelrecht und das Urheberrecht spezialisiert ist. Er fungiert zudem als Justiziar des Deutschen Medienverbandes (DMV).

Zitiervorschlag

Carl Christian Müller, Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken geplant: . In: Legal Tribune Online, 01.02.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8086 (abgerufen am: 04.12.2024 )

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