Nach dem Germanwings-Absturz: Warum die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt

2/2: Warum die Deutschen ermitteln

Warum ausgerechnet die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt, erschließt sich nicht sofort. Denn grundsätzlich endet der Arm des Strafrechts an den Staatsgrenzen. Sollte sich der Absturz auf Organisations- und Aufsichtsmängel auf der Verwaltungsebene der deutschen Fluggesellschaft zurückführen lassen, wären die deutschen Behörden schon wegen der dann in Rede stehenden Inlandstaten zuständig. Anhaltspunkte gibt es dafür derzeit nicht.

Doch das Strafrecht kennt auch Ausnahmen vom Territorialprinzip. So sind nach deutschem Recht etwa auch Straftaten verfolgbar, welche in einem Flugzeug begangen werden, das– wie die Maschine der Germanwings – die Bundesflagge der Bundesrepublik führen dürfen (§ 4 StGB). Ebenso gilt deutsches Strafrecht für Angriffe auf den Luftverkehr (§ 6 Abs. 3 StGB).

Und schließlich findet deutsches Strafrecht Anwendung auf alle Auslandstaten, die gegen oder von einer Person mit deutscher Staatsangehörigkeit begangen werden, sofern  die Tat auch am Tatort mit Strafe bedroht ist. Die meisten der Opfer waren Deutsche, und fahrlässige Tötung, Totschlag und Mord sind auch nach spanischem und französischem Recht strafbar.

Örtlich zuständig ist die Staatsanwaltschaft, in deren Bezirk die Tat begangen wurde. Tatort in diesem Sinne ist nicht nur der Ort der Tathandlung, sondern auch der Ort, in dem der Taterfolg eingetreten ist. Bei Straftaten auf Luftfahrzeugen ist zudem der Heimatflughafen maßgeblich (§ 10 Abs. 2 StPO). Wonach konkret die Staatsanwalt Düsseldorf ihre Zuständigkeit begründet, ist derzeit nicht bekannt.

Weite Kreise: bis zur Unternehmensgeldbuße auch für Drittunternehmen

Die Ermittlungen haben gerade erst begonnen. Wie das Verfahren enden wird, ist nicht absehbar. Vielleicht kann schon nach der Auswertung der Blackbox eine Straftat ausgeschlossen werden, so dass das Verfahren eingestellt wird. Dasselbe würde im Fall eines Pilotenfehlers oder des Suizids eines Besatzungsmitglieds geschehen: Da die Besatzung zu den Opfern des Unglücks gehört, kommt ein Strafverfahren gegen sie nicht mehr in Betracht. Die Staatsanwaltschaft würde dann die Ermittlungen einstellen, weil es nicht ihre Aufgabe ist, Sachverhalte ohne Bezug zu einer verfolgbaren Straftat weiter aufzuklären. Auf die Aufarbeitung des Unglücks durch andere Stellen, welche im Interesse der Öffentlichkeit und der Hinterbliebenen weiter ermitteln würden, hätte das keinen Einfluss.

Konkretisiert sich ein Anfangsverdacht allerdings, können die Strafverfolger ihre Bemühungen ausbauen: Die Staatsanwaltschaft dürfte dann Ermittlungsmaßnahmen anstellen, wo immer sie Beweise für die Straftat vermutet. Im Ausland kann dies nur im Wege der Rechtshilfe erfolgen. Im Inland ist der Weg frei: für Durchsuchungs- und Sicherstellungsmaßnahmen, für die Vernehmung von Zeugen und Beschuldigten oder die Beauftragung von Sachverständigen zur technischen Aufklärung.

Sollte sich herausstellen, dass das Bodenpersonal oder Mitarbeiter der Fluggesellschaft Fehler gemacht haben, die zu der Tragödie geführt haben, drohen die Sanktionen nicht nur ihnen, sondern auch ihren aufsichtspflichtigen Vorgesetzten (§ 130 Ordnungswidrigkeitengesetz, OWiG). Sogar andere Unternehmen, in denen der Fehler durch den Einzeltäter geschehen ist (wie etwa der Hersteller fehlerhafter Software, der Lieferant eines mangelhaften Ersatzteils oder der Arbeitgeber unqualifizierten Wartungspersonals) müssten mit einer Sanktion rechnen. Ihnen droht eine Unternehmensgeldbuße, die bis zu 10 Millionen Euro betragen kann.

Der Autor Dr. André-M. Szesny, LL.M., ist Partner, der Autor Urs J. Stelten Rechtsanwalt der Wirtschaftskanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek in Düsseldorf und Frankfurt. Sie beraten Unternehmen und Einzelpersonen in Fragen der Compliance und des Unternehmensstrafrechts und sind zudem als Strafverteidiger in Wirtschaftsstrafsachen tätig.

Zitiervorschlag

André-M. Szesny und Urs J. Stelten, Nach dem Germanwings-Absturz: Warum die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt . In: Legal Tribune Online, 26.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15068/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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