Geplante Verschärfung des Luftsicherheitsgesetzes: Bruch­lan­dung zu erwarten

Gastbeitrag von Dr. Sebastian Seel

10.12.2024

Nach Protesten von Klimaaktivisten an Flughäfen wollte die Ampel härtere Strafen auf den Weg bringen. Und in der nächsten Legislatur könnte die Union noch einmal eine Schippe drauflegen. Keine gute Perspektive, analysiert Sebastian Seel.

Im Juli 2024 hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Verschärfung des Luftsicherheitsgesetzes beschlossen. Wegen der vorgezogenen Neuwahlen wird das Vorhaben zwar in dieser Wahlperiode nicht mehr Gesetz werden. Dass es jedoch in der kommenden Legislatur den Bundestag beschäftigen wird, gilt als ausgemacht.

Geplant ist dabei ein neuer Straftatbestand. Nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG)-E macht sich strafbar, wer ohne Berechtigung sich oder einem Dritten vorsätzlich Zugang zur Luftseite eines Flughafens verschafft und dadurch die Sicherheit des zivilen Luftverkehrs beeinträchtigt. Geplant sind auch zwei Qualifikationen. Die wichtigere betrifft den Fall, dass der Täter nach dem LuftSiG verbotene Gegenstände bei sich führt. Der Versuch des neuen Delikts und der Qualifikationen soll ebenfalls strafbar sein.

Die Unionsparteien teilen zwar grundsätzlich das Ansinnen, das LuftSiG zu verschärfen. Ihnen gehen die im aktuellen Entwurf vorgesehenen Strafen aber nicht weit genug. Daher hat der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion bereits gegenüber LTO gefordert, dass in der neuen Wahlperiode ein neuer Anlauf "mit einem spürbar erhöhten Mindeststrafmaß" genommen werden müsse.

Wie auch immer die nächste Koalition zusammengesetzt sein wird: Der von der Ampelregierung beschlossene Entwurf dürfte für sie als Blaupause dienen. Dabei ist bereits dieser straf- und verfassungsrechtlich in hohem Maß kritikwürdig.

Angebliche Schutzlücke existiert nicht

So unterstellt die Gesetzesbegründung, der neue Straftatbestand sei aufgrund einer bestehenden Schutzlücke notwendig. Vorhandene Strafgesetze hätten nicht dieselbe "Schutzrichtung". Die behauptete Schutzlücke ist jedoch nicht zu erkennen:

Dringen Klimaaktivisten von außen auf die Luftseite eines Flughafens vor und kleben sich auf einer Start- und Landebahn fest, um den Flugverkehr zum Erliegen zu bringen, dann greifen schon jetzt mehrere Straftatbestände (Hausfriedensbruch, Nötigung, Sachbeschädigung). Kommt es dabei zu einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert, ist auch der Straftatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr einschlägig. Demnach fällt das Verhalten, das der neue Straftatbestand erfassen soll, in aller Regel schon unter mehrere andere Straftatbestände, deren Strafrahmen noch dazu teils deutlich weiter reichen als die im Entwurf vorgesehenen.

Auch dass der neue Straftatbestand irgendeine abschreckende Wirkung haben wird, ist unwahrscheinlich. Schließlich lassen sich die Klimaaktivisten auch von den bereits existierenden Straftatbeständen mit deutlich höherer Höchststrafe nicht von ihren Aktionen an Flughäfen abbringen.

Der Gesetzentwurf dient damit tatsächlich nicht dem Rechtsgüterschutz, sondern lediglich dazu, nach außen ein hartes Durchgreifen gegenüber Klimaaktivisten zu signalisieren.

Kaum getarntes Anti-Klimaaktivisten-Gesetz

In der Begründung zum Gesetzentwurf wird an diversen Stellen deutlich, dass der neue Straftatbestand ausschließlich auf Klimaaktivisten zielt.  

So nennt der Entwurf als einziges Beispiel für ein unberechtigtes Eindringen in die Luftseite eines Flughafens die Aktionen von Klimaaktivisten. Dort heißt es auch, mit der Gesetzesverschärfung würden "die Voraussetzungen geschaffen, um künftig im Schwerpunkt Aktivisten auch strafrechtlich begegnen zu können". Selbst bei den Aufwendungen für den Strafvollzug hat die Regierung offenbar ausschließlich mit der Inhaftierung von Klimaaktivisten gerechnet ("bleibt man wie beschrieben auf Klimaaktivisten fokussiert").

Hier müssen die verfassungsrechtlichen Alarmglocken läuten. Zwar ist der neue Straftatbestand abstrakt-generell formuliert. Nach der Gesetzesbegründung soll die Norm aber offensichtlich nur ganz bestimmte Personen in ganz bestimmten Fällen treffen, nämlich eine kleine Gruppe von Klimaaktivisten bei Protestaktionen auf der Luftseite von Flughäfen. Damit besteht der Verdacht, dass es sich um ein vom Grundgesetz verbotenes, verdecktes Einzelfallgesetz handelt.  

Unbestimmter Tatbestand, vages Rechtsgut  

Der Gesetzentwurf nennt als das von dem neuen Straftatbestand geschützte Rechtsgut die "Sicherheit des zivilen Luftverkehrs". Der neue Straftatbestand setzt ausdrücklich auch die Beeinträchtigung dieses Rechtsguts voraus. Sofort fällt jedoch ins Auge, dass dieses Rechtsgut sehr weit und vage ist. Das wird noch deutlicher, wenn man versucht, die Grenzen für eine Beeinträchtigung dieses Rechtsguts abzustecken.

Die Gesetzesbegründung hilft hier nicht weiter. Ganz im Gegenteil stolpert der Entwurf an dieser Stelle über die Systematik des deutschen Strafrechts: So soll der neue Straftatbestand ein abstraktes Gefährdungsdelikt sein. Gemeint ist damit, dass ein Verhalten unabhängig davon strafbar ist, ob es auch zu einer konkreten Gefahr geführt hat. Zugleich soll die "Beeinträchtigung der Sicherheit des zivilen Luftverkehrs" aber wie ein ähnliches Merkmal in § 315 Strafgesetzbuch (StGB) zu bestimmen sein. Nur ist § 315 StGB, der u.a. den gefährlichen Eingriff in den Luftverkehr unter Strafe stellt, gerade ein konkretes Gefährdungsdelikt. Durchdacht wirkt das alles nicht. Der neue Straftatbestand verquickt vielmehr in unglücklicher Art und Weise verschiedene Deliktstypen.  

Langfassung im StV 1/25

Die Beispiele, die im Entwurf als "Beeinträchtigung der Sicherheit des zivilen Luftverkehrs" genannt werden, sind denn auch teils vage, teils überhaupt nicht nachvollziehbar. Weshalb soll etwa eine solche Beeinträchtigung darin liegen, dass ein abgestelltes Flugzeug durchsucht werden muss? Das mag aufwändig und teuer sein, wird aber meist keinerlei Einfluss auf die Sicherheit des Flugbetriebs haben.

Qualifikation als verkappter Grundtatbestand

Hochproblematisch ist die schon erwähnte Qualifikation, die eingreifen soll, wenn der Täter einen verbotenen Gegenstand bei sich führt. Denn bei Klimaaktivisten, die von außen auf die in aller Regel zumindest durch Zäune geschützte Luftseite eines Flughafens vordringen, wird diese Qualifikation so gut wie immer vorliegen.

Grund dafür ist eine etwas komplizierte Verweisung im Luftsicherheitsgesetz auf die Anlage zu einer älteren EU-Verordnung. Diese Anlage listet als verbotene Gegenstände unter anderem Messer und Scheren mit einer Klingenlänge über 6 cm, Brecheisen, tragbare Akkubohrmaschinen, Schraubendreher, Meißel und Sägen auf.

Wenn danach Klimaaktivisten solche oder vergleichbare Werkzeuge benutzen, um einen Zaun zur Luftseite des Flughafens zu überwinden, ist die Qualifikation erfüllt. Da zugleich der geplante neue Straftatbestand ausschließlich auf Klimaaktivisten zielt, die regelmäßig mit solchen Mitteln auf die Luftseite vordringen, ist die angebliche Qualifikation mit einem Strafrahmen bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe de facto der Grundtatbestand.

Nebulöse Begründung für die Versuchsstrafbarkeit

Nicht nachvollziehbar ist auch die Begründung, warum auch der Versuch des neuen Straftatbestands strafbar sein soll. Dieser soll geeignet sein, "das Vertrauen der Allgemeinheit in die Sicherheit des zivilen Luftverkehrs und in die Geltung der zu seinem Schutz bestimmten Regelungen" zu erschüttern.  

Unklar ist schon, was es mit dem Vertrauen der Allgemeinheit in die "Sicherheit des zivilen Luftverkehrs" auf sich haben soll. Noch unklarer ist, ob ein Vertrauen der Allgemeinheit in die Geltung der zum Schutz des zivilen Luftverkehrs bestimmten Regelungen überhaupt existiert. Wer macht sich schon Gedanken darüber, ob die Geltung solcher Regelungen erschüttert wird, wenn ein Klimaaktivist am Zaun eines Flughafens gestoppt wird?

Rechtspolitische Bigotterie

Schon jetzt lässt sich feststellen: Die in der nächsten Wahlperiode zu erwartende Verschärfung des LuftSiG wäre nicht nur aus rechtlichen Gründen verfehlt, sondern auch rechtspolitisch scheinheilig.

So hat die Ampel-Regierung über Jahre hinweg in schwerwiegender Weise gegen das Klimaschutzgesetz verstoßen. Schon Mitte 2022 erklärte der Expertenrat für Klimafragen das vom Bundesverkehrsministerium vorgelegte Sofortprogramm für völlig unzureichend. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg verurteilte 2023 und 2024 die Bundesregierung wegen gravierender Verstöße gegen das Klimaschutzgesetz dazu, notwendige Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen.

Klimaaktivisten fordern nunmehr seit Jahren von der Bundesregierung nichts anderes als der Expertenrat für Klimafragen und das OVG: Die Einhaltung der Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen und aus dem Klimaschutzgesetz.

Vor diesem Hintergrund wäre die Verschärfung des LuftSiG nichts anderes, als ein missglückter Versuch der politisch Verantwortlichen, von den fortgesetzten eigenen Verstößen gegen das Klimaschutzgesetz und dem darin liegenden Versagen gegenüber der größten Herausforderung unserer Zeit abzulenken.

Autor Dr. Sebastian Seel ist Strafverteidiger und Rechtswissenschaftler. Er hat diverse Texte zum Verhältnis von Klimaaktivismus und Strafrecht veröffentlicht.  

Bei dem Text handelt es sich um eine Zusammenfassung eines wissenschaftlichen Beitrags mit Literatur- und Rechtsprechungsbelegen, der in der Zeitschrift "StV – Strafverteidiger", Heft 1, 2025, erscheinen wird. Die Zeitschrift wird wie LTO von Wolters Kluwer herausgegeben. Sie ist als Einzelausgabe und als Abo hier erhältlich.

Zitiervorschlag

Geplante Verschärfung des Luftsicherheitsgesetzes: . In: Legal Tribune Online, 10.12.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56073 (abgerufen am: 24.01.2025 )

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