GEMA vs. Youtube: "Leider ist dieses Video in Deutschland nicht verfügbar"

von Dr. Günter Poll

17.01.2013

Der Sperrvermerk wird deutsche Youtube-Nutzer wohl auch künftig begleiten, die Google-Tochter und die GEMA konnten sich nicht auf ein Vergütungsmodell einigen. Dabei gefällt auch der Sperrvermerk der Verwertungsgesellschaft nicht, die GEMA will nun sogar Schadensersatz in Millionenhöhe, weil  die User glaubten, sie verderbe ihnen den Spaß. Selbst schuld, kommentiert Günter Poll.

Seit nahezu 4 Jahren streiten die GEMA und die Google-Tochter Youtube über die Zahlung von Vergütungen für das Streaming von Musikvideos, an denen die Verwertungsgesellschaft über die Rechte zur Online-Nutzung verfügt.

Ein Ende der Auseinandersetzung ist nicht nur nicht in Sicht, diese eskaliert vielmehr zunehmend: Nun hat die GEMA die Verhandlungen für gescheitert erklärt und angedroht, gerichtliche Schritte gegen den von Youtube bei einigen Titeln eingeblendeten Sperrvermerk einzuleiten. Gleichzeitig kündigte sie an, bei der Schiedsstelle zu beantragen, ihr einen Millionenbetrag als Schadensersatz zuzusprechen.

Im Kern geht es um die Frage, ob das Internetportal grundsätzlich verpflichtet ist, eine Vergütung pro Stream zu zahlen. Youtube bestreitet das unter Hinweis darauf, dass es sich bei den Videos nicht um eigene Inhalte, sondern um solche Dritter handele und das Google-Tochterunternehmen keine zumutbaren Prüfpflichten verletzt habe. Streitig ist aber auch die Höhe einer solchen Vergütung, so sie denn geschuldet wäre.

GEMA rügt Irreführung – und führt selbst in die Irre

Die GEMA moniert, der wohl fast jedem deutschen Internetnutzer bekannte Sperrvermerk des Videoportals führe die User bewusste in die Irre – und verletze die Verwertungsgesellschaft damit in ihren Rechten.  "Leider ist dieses Video in Deutschland nicht verfügbar, da es Musik enthalten könnte, für die die GEMA die erforderlichen Musikrechte nicht eingeräumt hat" - das will GEMA-Vorstandsvorsitzender Harald Heker nicht auf sich sitzen lassen. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 11. Januar 2013 erklärte er: "Wir lassen uns nicht hinhängen als  diejenigen, die ahnungslosen Nutzern den Konsum ihrer Lieblingsvideos untersagen."

Das ist nicht nur deshalb schief, weil der Vermerk überhaupt keine derartige Aussage enthält. Vielmehr würde selbst dann, wenn die GEMA Youtube das Recht zur Online-Nutzung der von ihr vertretenen, in Videos enthaltenen Werke eingeräumt hätte, davon nur ein geringer Teil der Videos erfasst. Denn die GEMA besitzt überhaupt nur für einen relativ kleinen Teil des aktuellen Musikrepertoires die Rechte zur Online-Nutzung. Die Formulierung, mit welcher der GEMA-Vorstand den Sperrvermerk als irreführend angreifen will, ist also ihrerseits irreführend.

Dazu muss man wissen, dass die GEMA lange Zeit eine Monopolstellung inne hatte, die es ihr erlaubte, ihre Tarife einseitig durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger aufzustellen und durchzusetzen. Sie war Vertragspartnerin der großen angloamerikanischen Musikverlage wie Universal, Emi, Warner-Chappel oder Sony und  der jeweiligen Verwertungsgesellschaften ASCAP und BMI in den USA, Music Alliance in England. Damit vertrat sie nahezu lückenlos das Weltrepertoire an Unterhaltungsmusik.

Die Rechtsprechung stellte daher zu ihren Gunsten die sogenannte GEMA-Vermutung auf: Abweichend von der allgemeinen Beweislastregel wurde zunächst davon ausgegangen, dass die Verwertungsgesellschaft Inhaberin der Rechte und damit anspruchsberechtigt war. Sie musste also nicht nachweisen, dass sie tatsächlich über die behaupteten Ansprüche verfügte.

Im Online-Bereich aber ist alles anders. Die Online-Rechte an ihrem Repertoire nämlich haben die großen Verlage zur individuellen Wahrnehmung aus der GEMA herausgenommen. Sie nehmen diese stattdessen selbst durch eigene Outlets wahr. Es ist daher davon auszugehen, dass die Verwertungsgesellschaft  im Online-Bereich nur noch über etwa ein Drittel der Rechte am Weltrepertoire verfügt. Die GEMA-Vermutung ist jedenfalls auf diesem Sektor nicht anwendbar, so dass sie grundsätzlich die volle Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass ein Eingriff in ihre Rechte vorliegt, wenn sie dies behauptet.

Der Sperrvermerk gibt bloß die Tatsachen wieder

Auf der anderen Seite können Provider wie Youtube gar nicht zweifelsfrei feststellen, bei welchen Musikvideo-Streams GEMA-Rechte betroffen sind. Sie sind mehr oder weniger auf eigene Schätzungen und Vermutungen angewiesen.

Zwar sind die Verwertungsgesellschaften nach § 10 Urheberrechtswahrnehmungsgesetz (UrhWG) verpflichtet, jedem Interessierten auf Anfrage mitzuteilen, an welchen Werken sie über die Rechte zur Online-Nutzung verfügen. Die GEMA weigert sich aber, dieser für die Verhandlungen mit Internet-Providern elementaren Verpflichtung nachzukommen. Entweder, um nicht ihre eigene Verhandlungsposition zu schwächen oder weil sie dazu selbst nicht in der Lage ist.

Daher ist es weder überraschend noch zu beanstanden, dass Youtube umfassend Musikvideos sperrt und einen Sperrvermerk anbringt, mit dem die Google-Tochter darauf hinweist, dass die betreffenden Videos Werke aus dem GEMA-Repertoire enthalten könnten. Damit wird weder behauptet noch sonst wie zum Ausdruck gebracht, dass die Verwertungsgesellschaft nicht bereit sei, Youtube die entsprechenden Rechte einzuräumen, wie die GEMA dem Vermerk entnehmen will.

Der Vermerk trägt vielmehr einfach der bestehenden Rechtsunsicherheit Rechnung: Solange der rechtliche Status und die Verantwortlichkeit von Youtube nicht eindeutig rechtskräftig geklärt sind, ist er aus Sicht von Youtube schon erforderlich, um sich gegen die von der GEMA angedrohten Schadensersatzansprüche abzusichern.

Musik im Netz: Entwicklungsland Deutschland

Obwohl das Landgericht Hamburg als extrem urheberfreundlich gilt, hat es das Internetportal nämlich nicht als Nutzer  und damit - mangels GEMA- Einwilligung - als Rechtsverletzer eingestuft. Die Hamburger Richter sahen in Youtube vielmehr nur einen Störer nach den Grundsätzen der Störer-Haftung und verpflichteten das Unternehmen, bestimmte Filtermethoden einzusetzen, um Rechtsverletzungen zu verhindern. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg über die von beiden Parteien hiergegen eingelegte Berufung steht noch aus.

Vor allem vor diesem Hintergrund ist kaum nachvollziehbar, wenn die GEMA nun ein Schiedsverfahren beim Deutschen Patent- und Markenamt einleitet mit dem Ziel, dass die Schiedsstelle ihr einen Schadensersatzanspruch zuspricht. Denn dazu ist die Schiedsstelle beim DPMA nach den einschlägigen Vorschriften des UrhWG überhaupt nicht befugt. Rechtsverletzungen und daraus nach § 97 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz resultierende  Schadensersatzansprüche gehören vielmehr nur auf den ordentlichen Rechtsweg. Schon deshalb ist der Antrag der Verwertungsgesellschaft auf Festsetzung von Schadensersatz unzulässig.

Aber auch in der Sache wäre der Abschluss einer Vereinbarung mit Youtube zu angemessenen Bedingungen nicht nur für die unmittelbar Beteiligten dienlich.  Stattdessen versteift die GEMA sich auf eine überhöhte Festvergütung von 0,00375 Euro pro Stream, obwohl nach § 13 Abs. 3 UrhWG grundsätzlich nur eine prozentuale Vergütung zu zahlen ist. Die Rechteverwerter sind hiernach an dem aus der Verwertung erzielten wirtschaftlichen Vorteil zu beteiligen. Viele Rechteinhaber im Inland, darunter auch Major Publisher, sowie die meisten ausländischen Verwertungsgesellschaften haben sich längst mit Youtube auf solche, dem Geschäftsmodell des Portals angepasste, prozentuale Vergütungen für die Nutzung ihrer Musikvideos geeinigt.

Die GEMA aber ist zu einer solchen Anpassung ihres Vergütungsmodells nicht bereit und besteht auf ihren prohibitiv hohen Festvergütungen. Vor allem deshalb ist Deutschland in Sachen Internet-Musiknutzung nach wie vor ein Entwicklungsland. Dies geht eindeutig zu Lasten der übrigen Rechteinhaber wie den Tonträgerherstellern und letztlich auch zu Lasten der Musikurheber.

Der Autor Dr. Günter Poll ist Rechtsanwalt in Oberaudorf und auf das Medien- und Urheberrecht spezialisiert. Zwischen 1973 bis 1979 war er stellvertretender Justiziar der GEMA in München.

Zitiervorschlag

GEMA vs. Youtube: . In: Legal Tribune Online, 17.01.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7986 (abgerufen am: 03.11.2024 )

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