Hinter den Fassaden oftmals unscheinbarer Betriebe werden nicht selten allerlei Straftaten begangen. Erfolgreich und von Dauer sind Untersagungen der Gewerbe aber selten. Jörg Lehnert hat einen kreativen Vorschlag, um das Problem anzugehen.
Für Kollegen der Ordnungsämter, aber auch Polizisten ist es Alltag: Bars, Kneipen, Clubs, in denen Drogen so leicht erhältlich sind, wie Aspirin in der Apotheke. Mal sind es harte, mal weiche Drogen. Eigentlich spielt es keine Rolle, was dort gehandelt wird, illegal ist es allemal. Ähnliche Probleme gibt es bei Hotspots in denen oder aus denen heraus es seit Jahren zu gewalttätigen Übergriffen auf Sicherheitskräfte oder unbeteiligte Bürger kommt.
Ab und an gelingt es den lokalen Ordnungsamt oder der Gewerbebehörde, solche Örtlichkeiten im Wege einer Gewerbe- bzw. Gaststättenuntersagung zu schließen. Der Weg hierzu ist lang und mühselig, dauerhaft erfolgreich sind solche Maßnahmen selten. Obwohl das Vorgehen eigentlich denkbar simpel ist: Bei nachgewiesener Unzuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden, kommt eine Untersagung in Betracht (vgl. § 35 Gewerbeordnung (GewO) und vergleichbare Regelungen im Gaststättenrecht). Auf den ersten Blick erscheint die Vorschrift auch praxistauglich. Ist der Gewerbetreibende oder sein Geschäftsführer unzuverlässig, so muss die Gewerbebehörde das Gewerbe untersagen, wenn das zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich ist.
In der Praxis ist das aber alles andere als einfach. Es fängt damit an, dass die Gewerbefreiheit als Teil der Berufsfreiheit ein Grundrecht ist. Bei einer Gewerbeuntersagung wird für den Betroffenen demnach die Ausübung dieses Grundrechts massiv eingeschränkt. Schon deswegen wird eine Untersagung nur bei erheblichen Verfehlungen oder Straftaten in Frage kommen, die im Regelfall über einen längeren Zeitraum erfolgt sein müssen. Oft verlangen die Verwaltungsgerichte in diesem Zusammenhang, dass die zuständige Behörde nachweisen kann, dass mildere Mittel, etwa Gefährderansprachen oder Auflagen fruchtlos geblieben sind.
Katz-und-Maus-Spiel mit den Behörden
Sind Straftaten der Grund für eine Untersagung, müssen diese dem Gewerbetreibenden außerdem zurechenbar sein. Betroffene behaupten in solchen Fällen aber regelmäßig, dass sie von den Straftaten erst durch die Polizei oder die Gewerbebehörde/Ordnungsamt erfahren hätten und im Übrigen außerstande seien, das Verhalten ihrer Gäste zu überwachen. Die Behörde sollte insoweit in der Lage sein, dem Gewerbetreibenden mindestens eine Duldung dieser Straftaten nachzuweisen. Das ist alles im Einzelfall machbar, erfordert aber einen erheblichen Aufwand von regelmäßig unterbesetzten Behörden.
Klappt es mit einer rechtskräftigen Untersagung doch einmal, so kommt die Strohmannproblematik ins Spiel. Entweder es wird die eigene – straf- und gewerberechtlich unbelastete – Lebensgefährtin als Geschäftsführerin eingesetzt oder auch als "neue" Gewerbetreibende. Oder es ist jemand aus der Großfamilie oder dem Bekanntenkreis, der es bislang noch geschafft hat, formal unbelastet zu bleiben. Gerne wird auch eine Person aus EU-Staaten (oftmals vom Balkan) eingesetzt, um es den Behörden noch einmal schwerer zu machen, die tatsächlichen Strukturen zu ermitteln.
Ja, Strohmannkonstruktionen sind illegal und führen theoretisch zur Gewerbe-/Gaststättenuntersagung (statt vieler etwa VG Regensburg, Urteil vom 12.05.2016, RN 5 K 15.804). In der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur findet sich auch ein umfassender Überblick über die entscheidenden Faktoren, bei deren Vorliegen ein Strohmannverhältnis angenommen werden kann – etwa nachgewiesene Unkenntnis des Strohmanns von grundlegenden Voraussetzungen des Geschäftsbetriebs, wiederholtes Verweisen auf den tatsächlichen agierenden Hintermann, Erscheinen des tatsächlichen Hintermanns in Dokumenten oder bei Behördenterminen. Doch der Nachweis solcher Konstrukte gelingt nur selten. Und selbst wenn das Vorgehen auffliegt, wird ein Strohmann oft schlicht gegen einen anderen ausgetauscht.
Schlupflöcher und "Beratungsangebote"
Bei der Kontrolle einer Shishabar im Rahmen eines Verbundeinsatzes wurde so beispielsweise der vermeintlich ehemalige Betreiber angetroffen, während der formale neue Betreiber immer wieder auf diesen verwies. Das sind alles indizielle Momentaufnahmen, die spätestens bei einer Anhörung im Rahmen verwaltungsrechtlicher Maßnahmen wieder entkräftet werden können. So wird etwa argumentiert, es könne niemandem verwehrt werden, sich an seiner alten Wirkungsstätte zu amüsieren oder der neue Betreiber sei durch das Auftauchen von Kontrollkräften so verwirrt gewesen, dass er fast reflexhaft auf seinen Vorgänger verwiesen habe.
Das sind zwar meistens bloße Schutzbehauptungen, aber der Nachweis hierfür obliegt den Behörden. Was im Einzelfall einmal glücken mag, gelingt systematisch nur selten, vor allem angesichts des hohen Stellenwerts, den Gerichte der Gewerbefreiheit auch in solchen Konstellationen einräumen.
Teilweise wird der Betrieb auch einfach fortgesetzt, also die Gewerbeuntersagung schlicht ignoriert. Ein Versuch ist es auch wert, trotz erfolgter Untersagung den Betrieb eines Gewerbes einfach erneut – gegebenenfalls mit einer angeblichen Änderung des Gewerbebetriebs – anzuzeigen. Gelegentlich reicht auch eine Abmeldung und danach eine neue Anmeldung, beispielsweise unter Verwendung eines leicht unterschiedlichen Namens. Gerade bei der Transkription vietnamesischer, georgischer oder arabischer Namen in das lateinische Alphabet eröffnen sich zahlreiche Möglichkeiten.
Es zeigt sich: Eine Gewerbeuntersagung ist mit viel Aufwand verbunden. Sie kann faktisch leicht umgangen werden. Im Internet gibt es sogar "Beratungsangebote": "Tricks bei Gewerbeverbot, sofort wieder geschäftsfähig", lautet die Werbung einer "Wirtschaftskanzlei". Nach der Gewerbeuntersagung ist also aus der Sicht der Ordnungsbehörde in vielen Fällen vor der Gewerbeuntersagung.
"Problemlösung" durch Bauordnungsrecht?
Ein Weg aus dem Dilemma liegt vielleicht nicht nur im Gewerberecht und Gaststättenrecht, sondern im Baunutzungsrecht, genauer gesagt in einer Kombination aus Gewerberecht und baurechtlicher Nutzungsuntersagung.
Eine Nutzungsuntersagung ist eine bauordnungsrechtliche Verfügung, die von der Bauaufsichtsbehörde erlassen wird, wenn eine bauliche Anlage als solches baurechtsmäßig ist und nur deren konkrete Nutzung im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht.
Hier würde das Gewerberecht mit dem Bauordnungsrecht verknüpft. Hätten also gewerberechtliche Maßnahmen (sprich eine Gewerbe-/Gaststättenuntersagung) keinen nachhaltigen Erfolg, könnte das Bauordnungsrecht ergänzend aktiviert werden. Mittels einer bauordnungsrechtlichen Verfügung könnte die Nutzung der fraglichen Örtlichkeit beschränkt werden und zwar unabhängig von dem tatsächlichen oder formalen Betreiber.
Die systematischen Hürden für eine solche Verknüpfung sind hoch. Es stellen sich mehrere Fragen: Ist die Abwehr von allgemeinen, auch mit dem Strafrecht verbunden polizeilichen Gefahren überhaupt vom Schutzweck des Bauordnungsrechts umfasst (so wohl VGH Mannheim, Urteil vom 09.11.2020, 3 S 2590 l)? Stehen Festlegungen aus einem etwa vorhandenen Bebauungsplan einer Nutzungsuntersagung entgegen? Und vor allem: Lässt das Bauordnungsrecht die Zurechnung des Verhaltens Dritter zulasten des Grundstückeigentümers zu?
Denn eine bauordnungsrechtliche Verfügung richtet sich gegen den Eigentümer des Grundstücks. Dieser ist im Regelfall ein anderer als der Gewerbetreibende, der meist nur Mieter ist. Hier wäre der Grundstückseigentümer wegen des Verhaltens eines Dritten einem massiven Grundrechtseingriff (Art 14 GG) ausgesetzt. Der Satz, "Eltern haften für Ihre Kinder", den man früher vor Baustellen lesen konnte, würde dann entsprechend im Verhältnis Eigentümer zu Mieter gelten. Für einen derartige Drittwirkung bräuchte es gute Gründe.
Umweg über den Grundstückseigentümer
Auch wenn die hier angedachte Verknüpfung aus Gewerberecht/Gaststättenrecht und Baurecht selten erfolgt, gänzlich unbekannt ist eine Mithaftung für das Verhalten anderer im deutschen Recht nicht. Offensichtlichstes Beispiel aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht ist die Halterhaftung für Parkverstöße im ruhenden Verkehr. Kann bei einem Parkverstoß der Verursacher nicht ermittelt werden, so richtet sich der Vorwurf gegen den Fahrzeughalter (§ 25 a StVG). Im Bereich der Vermögensabschöpfung gibt es die Einziehung bei Dritten, die weder Teilnehmer noch Täter einer Straftat sind (§ 74 a StGB). Im Polizeirecht gibt es polizeilichen Notstandsmaßnahmen gegen Unbeteiligte. Dennoch ist die Haftung unbeteiligter Dritter im deutschen Recht die Ausnahme.
Vorliegend kommen für einen Brückenschlag zwischen Gewerbe-/Gaststättenrecht und Bauordnungsrecht Konstellationen in Betracht, in denen es örtlich begrenzt anhaltende, durch andere Maßnahmen nicht nachhaltig abstellbare polizeiliche Gefahrenlagen gibt, die von bestimmten Betrieben ausgehen. Inhaltlich würde dem Grundstückseigentümer aufgegeben, das Grundstück, von dem die Gefahren ausgehen nicht mehr als Gewerbe oder Gaststätte zu nutzen. In der Nachnutzung wäre der Grundstückseigentümer – vorbehaltlich der baunutzungsrechtlichen Zulässigkeit – frei. Er könnte die Räume etwa als Kindergarten oder Nachbarschaftsheim vermieten. Die Nutzung seines Eigentums wäre ihm also weiter möglich, nur eben ausschließlich bestimmter Nutzungsarten.
Auf Grund der Eingriffsintensität in das Grundrecht auf Eigentum käme eine solche Brückenverfügung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit wohl frühestens bei der zweiten Gewerbeuntersagung und auch dann vermutlich nur als Ermessenentscheidung in Betracht. Ab einer dritten Gewerbeuntersagung könnten bauordnungsrechtliche Schritte als gebundene Entscheidung erfolgen. Um den Eigentümer des betroffenen Grundstücks zu warnen, sollten ihm die rechtskräftige erste und ggf. zweite Gewerbeuntersagung zugestellt werden, verbunden mit dem Hinweis, dass ab der zweiten Gewerbeuntersagung auch bauordnungsrechtliche Maßnahmen ergriffen werden können. Dies würde vermutlich ein Drittwiderspruchsrecht des Grundstückseigentümers erfordern, auch gegen die gewerbe-/gaststättenrechtliche Verfügung. Adressat der bauordnungsrechtlichen Verfügung wäre der Grundstückseigentümer, was die Verwendung von Strohmännern wirkungslos machte.
Mit der Möglichkeit eines Brückenverwaltungsakts zwischen Gewerberecht und Bauordnungsrecht würden zwei Rechtsmaterien des Gefahrenabwehrrechts sinnvoll verbunden.
Fazit
Ob und in welchem Ausmaß es einer rechtlichen Anpassung der jeweiligen Landesbauordnungen für eine gewerbebezogene Nutzungsuntersagung bedürfte, ist fraglich. Denn es gibt ja jetzt schon die Möglichkeit der Nutzungsuntersagung. Wichtiger wäre wohl eine enge Zusammenarbeit zwischen Gewerbebehörde und Bauordnungsbehörde.
Hier gibt es das Problem, dass Bauordnungsbehörden, sei es aufgrund von Einsparungen oder der Pensionierungswelle, manchmal eher auf dem Papier als in der Realität existieren. Zwar könnte erwogen werden, die Zuständigkeit auch für die Brückenverfügung bei der Gewerbebehörde zu belassen, ohne den Sachverstand aus der Bauordnungsbehörde ginge es vermutlich aber nicht.
In jedem Fall könnten Jahre vergehen, bis ein solches Vorgehen im Einzelfall rechtskräftig werden könnte. Betroffene würden mit Sicherheit auch solche Verfügungen schon in der verwaltungsinternen Anhörung nach Kräften verzögern. Endgültig hierüber entscheiden würde wohl das Oberverwaltungsgericht.
Die Idee einer drittwirkenden Brückenverfügung kann im Ergebnis nur ein weiteres Instrument im Werkzeugkasten der Ordnungsbehörden sein. Ob das wirklich hilfreich wäre, lässt sich derzeit nicht sagen. Aber Nachdenken sollte erlaubt sein.
Der Verfasser ist Leiter der Berliner Geldwäscheaufsicht und nimmt immer wieder an Verbundeinsätzen mit Polizei, Finanzbehörden, Ordnungsamt und Zoll teil. Es handelt sich um seine private Meinung.
Effizientere Gefahrenabwehr durch Kombilösung?: . In: Legal Tribune Online, 08.03.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54008 (abgerufen am: 04.10.2024 )
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