Gebrauchtsoftware im Visier: Der BGH kurz vor der Ersc­höp­fung

Kein Thema im Bereich Softwarerecht hat die Gerichte in der jüngeren Vergangenheit intensiver und vielschichtiger beschäftigt als der Handel mit so genannter Gebrauchtsoftware. Am Donnerstag hat nun der BGH über das Angebot bereits benutzter Lizenzen für Datenbank-Softwareprogramme zu entscheiden. Wie ein Machtwort aussehen könnte und was der Handel zu erwarten hat.

Die Bandbreite der Ansichten über die Zulässigkeit des Handels mit gebrauchten Softwarelizenzen ist ebenso groß wie die Anzahl der in der Praxis etablierten Modelle und Ansätze für die Weiterveräußerung von Software und Nutzungsrechten. Das in den Details höchst unübersichtliche Spektrum relevanter Konstellationen reicht von der Weiterveräußerung von Lizenzen und Volumenlizenzen über den Handel mit Echtheitszertifikaten bis hin zum Vertrieb von Sicherheitskopien vorinstallierter Software.

In der rechtlichen Aufbereitung von Vertriebsmodellen im Segment Gebrauchtsoftware stehen Fragen der Anwendbarkeit und der Reichweite des Erschöpfungsgrundsatzes gemäß § 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG im Vordergrund. Nach der Vorschrift erschöpft sich das Verbreitungsrecht des Rechteinhabers an einem Vervielfältigungsstück, wenn dieses mit seiner Zustimmung in den Verkehr gelangt ist. Das Recht des Urhebers, Einfluss zu nehmen auf den weiteren Verkehr mit den geschützten Gegenständen, wird also quasi verbraucht.

Kollisionen mit der gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 UrhG erforderlichen Zustimmung des Urhebers zur Übertragung von Nutzungsrechten an seinem Werk sind vorprogrammiert. Das insoweit bestehende Spannungsverhältnis gilt es aufzulösen.

Oracle gegen usedSoft: Der BGH muss entscheiden

Wenn am Donnerstag nun der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in Sachen Oracle gegen usedSoft (Az. I ZR 129/08) über den Handel mit gebrauchter Software und Lizenzen daran zu entscheiden hat, ist eine Richtungsentscheidung zu treffen, um die bestehende Rechtsunsicherheit zu beseitigen und die Weiterveräußerung von Software kalkulierbar zu gestalten.

Hierbei sind die urheberrechtlichen Verwertungsinteressen auf der einen Seite und die wirtschaftlichen Interessen der Erwerber von Softwareprodukten auf der anderen Seite sorgsam abzuwägen.

In welche Richtung das rechtliche Pendel künftig ausschlagen wird, hat der BGH in der Hand, der die Revision zugelassen hat.

Keine Spur von Erschöpfung bei Gebrauchtsoftware?

Einer der zentralen Aspekte der Ausgangsentscheidung des OLG München (Urt. v. 03.07.2008, Az. 6 U 2759/07) betraf die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob der urheberrechtliche Erschöpfungsgrundsatz des § 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG im Bereich des Online-Vertriebs via Internet gilt.

In dem betreffenden Verfahren hatte sich Oracle als Inhaberin ausschließlicher urheberrechtlicher Nutzungsrechte an Datenbank-Softwareprogrammen gegen ein Angebot der Firma usedSoft gewendet, die bereits benutzte Lizenzen anbot. Die Software wurde über das Internet per Download vertrieben, ein Datenträger wurde nicht überlassen.

Landgericht (LG München I, Urt. v. 15.03.2007, Az. 7 O 7061/06) und Berufungsgericht (OLG München, Urt. v. 03.07.2008, Az. 6 U 2759/07) haben der Klage stattgegeben. An der per Download in den Verkehr gebrachten Software könne mangels Verkörperung der Software auf einem Datenträger keine Erschöpfung eintreten, die ausschließlichen Nutzungsrechte der Rechteinhaberin Oracle seien also nicht verbraucht.

Diese Betrachtungsweise liegt auf einer Linie mit der Entscheidungspraxis der Oberlandesgerichte. Neben dem OLG München sprechen sich vor allem das OLG Frankfurt am Main (Beschl. v. 12.05.2009, Az. 11 W 15/09 und Urt. v. 18.05.2010 zur mangelnden Erschöpfung bei der Verwendung sog. Masterdisks) sowie das OLG Düsseldorf (Urt. v. 29.06.2009, Az. I-20 U 247/08) gegen eine Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes im Gebrauchtsoftwarehandel aus. Geteilt wird diese Ansicht auch vom LG Mannheim für den Fall der Aufspaltung von Volumenlizenzen (Urt. v. 22.12.2009, Az. 2 O 37/09).

Ein Indiz für eine zurückhaltende Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes hat der BGH im Urteil Half-Life 2 (Urt. v. 11.02.2010, Az. I ZR 178/08) bereits geliefert. Ein Hersteller eines auf Datenträgern vertriebenen Computerspiels hatte die Nutzbarkeit der Software von einer online zu erteilenden Kennung abhängig gemacht und ein Weitergabeverbot in Bezug auf die Kennung vorgesehen. Der BGH hat den Erschöpfungsgrundsatz insoweit nicht angewendet. Der Senat billigte also, dass der Datenträger praktisch nicht weiterveräußert werden konnte, da er ohne Kennung nicht sinnvoll nutzbar war.

Nach der Erschöpfung ist vor der Erschöpfung

Die Zeichen stehen auf eine einschränkende Interpretation des Erschöpfungsgrundsatzes durch den BGH. Es spricht also vieles für eine Wertentscheidung zugunsten der Verwertungsinteressen der Rechteinhaber.

Unabhängig davon, ob der BGH sich darauf beschränken wird, isoliert über das konkret streitige Problem der Online-Erschöpfung zu entscheiden oder die Gelegenheit zu allgemeinen Erwägungen zum Handel von Gebrauchtsoftware nutzen wird, dürfte die Frage der Erschöpfung nicht erschöpfend geklärt werden, wenn man die Vielschichtigkeit der rechtlichen Implikationen betrachtet.

Offen bleiben wird in jedem Fall, ob und wie der Gesetzgeber auf die aktuellen Entwicklungen reagieren wird. Mögliche Regelungen zum Software-Gebrauchthandel wurden bereits anlässlich der Diskussion um einen Dritten Korb zur Urheberrechtsnovelle ins Spiel gebracht. Es kann also nicht ausgeschlossen werden, dass die Karten künftig wieder neu gemischt werden.

Der Autor Dr. Sascha Vander, LL.M. ist Rechtsanwalt in der Kanzlei CBH in Köln und Lehrbeauftragter der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf im dortigen LL.M.-Studiengang Informationsrecht.

Zitiervorschlag

Sascha Vander, Gebrauchtsoftware im Visier: . In: Legal Tribune Online, 30.09.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1593 (abgerufen am: 06.12.2024 )

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