Der Handel mit gebrauchter Software boomt, moderne Technik eröffnet neue Möglichkeiten, die den Rechteinhabern graue Haare wachsen lassen. Was wirtschaftlich so bedeutsam ist, ist rechtlich ungeklärt. Und dabei ist nicht nur eine Frage offen.
Software hat einen entscheidenden Vorteil im Vergleich zu anderen Gütern: Sie verdirbt nicht und nutzt sich nicht ab. Damit ist Software zur Weiterveräußerung prädestiniert.
Seit Jahren boomt daher der Handel mit gebrauchter Software, das heißt Software, die weiterveräußert wird, wenn sie nicht mehr gebraucht wird. Diverse Unternehmen haben sich darauf spezialisiert, Standardsoftware anzukaufen und gewinnbringend weiterzuveräußern. Dabei stammt die Software teilweise von Unternehmen, die ihre IT Systeme umstellen oder auch aus Insolvenzen.
Daneben floriert der Handel von Privatleuten untereinander, die ihre gebrauchte Software auf einschlägigen Handelsplattformen zum Kauf anbieten. Es handelt sich um einen Markt, der stetig wächst und nach Angaben von Experten noch lange nicht gesättigt ist. Sowohl Privatunternehmen als auch die öffentliche Hand und Privatleute decken sich zunehmend mit gebrauchter Software ein, die teilweise für 50 Prozent des Neupreises angeboten wird.
Der Streit ist vorprogrammiert: Diverse Unternehmen wittern gute Geschäftsmöglichkeiten, Privatpersonen machen noch etwas Geld aus der nicht mehr gewollten Software, während hingegen Hersteller von Standardsoftware dem Weiterverkauf ihrer Software naturgemäß nur sehr widerwillig zusehen. Denn jeder Weiterverkauf bedeutet den Verlust baren Geldes. Die Softwarehersteller verdienen nichts am Weiterverkauf und verlieren stattdessen sehenden Auges potentielle Kunden.
Mal wieder die moderne Technik
Das Geschäft floriert, obgleich die Rechtslage noch nicht abschließend geklärt ist. Kern des Streits ist der urheberrechtliche Erschöpfungsgrundsatz.
Dieser besagt, dass sich der Softwarehersteller bezüglich eines konkreten Werkstückes nicht mehr auf sein ausschließliches Verbreitungsrecht berufen kann, sofern er das Werkstück einmal willentlich in den Verkehr gebracht hat. Er verliert also das Recht, über den Vertrieb dieses konkreten Werkstücks weiterhin zu verfügen.
Da heutzutage der Vertrieb von Software unter Distribution einzelner Werkstücke (z.B. CD-ROM) immer mehr von anderen Vertriebsformen verdrängt wird, insbesondere durch den Vertrieb per Download, stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Erschöpfungsgrundsatz direkt oder analog auf die neuartigen Vertriebsformen angewendet werden kann.
Ein Problem mit vielen Varianten
Für den Vertrieb "gebrauchter" Software sind folgende Fallgruppen zu unterscheiden:
- Zustimmung: Zulässig ist eine Weiterveräußerung – unabhängig von der Frage der Erschöpfung - jedenfalls immer dann, wenn der Hersteller dieser zustimmt.
- Körperliches Werkstück: Die Weiterveräußerung ist auch dann zulässig, wenn die Software körperlich erworben wurde und der Originaldatenträger anschließend weiterveräußert und keine Kopie zurückbehalten wird. Denn an dem Originaldatenträger ist Erschöpfung eingetreten, sofern die erste Veräußerung mit Zustimmung des Softwareherstellers erfolgt ist. Davon umfasst ist auch die Weiterveräußerung von OEM-Software-Paketen.
- Kopie: Etwas anderes gilt dann, wenn nicht der Original-Datenträger veräußert wird, der bereits beim ersten Erwerb Gegenstand der Veräußerung war. Auf eine Kopie des ursprünglichen Werkstückes erstreckt sich der Erschöpfungsgrundsatz nämlich nicht, so dass eine Veräußerung der Kopie nicht zulässig ist.
- Bloßes Nutzungsrecht: Download und Übertragung eines bloßen Nutzungsrechts an unverkörperter Software: Hier tobt der Streit. Eine gewisse Klärung verspricht das Verfahren Oracle gegen usedSoft vor dem BGH. Dabei geht es, abgesehen von Besonderheiten der jeweiligen Verträge, um die Frage, wie das Fehlen eines Werkstückes zu behandeln ist.
- Volumenlizenzen: Daneben wird Software auch über Volumenlizenzen vertrieben. Dabei wird einer Mehrzahl von Nutzern der Gebrauch der Software gestattet. Unterschieden wird zwischen Stand-Alone-Lizenzen und Client-Server-Lizenzen. Bei ersteren erwirbt der Käufer vom Hersteller das Recht, jeweils vollständige und voneinander unabhängige Vervielfältigungen der Software selbst anzufertigen. Bei letzteren wird dem Ersterwerber lediglich ein Nutzungsrecht eingeräumt verbunden mit dem Recht, Zugriffsmöglichkeiten in einer bestimmten Anzahl zu gewähren. In diesen Fällen rankt sich die Diskussion um die Frage, wie das Vorhandensein eines Werkstückes zu behandeln ist.
So jedenfalls die graue Theorie.
Neue Ideen, neue Entscheidungen und eine spannende Zukunft
Softwarehersteller aus dem Bereich der Gaming-Industrie haben jedoch einen nun höchstrichterlich vom Bundesgerichtshof gebilligten (BGH, Urt. v. 11.02.2010, Az. I ZR 178/08 – HalfLife 2) Weg gefunden, die Erschöpfungswirkung auch bei per Datenträger erworbener Software faktisch zu überwinden.
Der Kniff liegt in der Verbindung des körperlichen Vertriebs mit der Notwendigkeit, einen weiteren Vertrag abzuschließen, um die Software oder das Spiel nutzen zu können. Diese Vertriebsform ist dazu geeignet, den Softwarevertrieb zu revolutionieren und den Handel mit gebrauchter Software insgesamt zu verhindern.
Wie sich der Handel mit gebrauchter Software zukünftig entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Die Entscheidung des BGH in Sachen Oracle gegen usedSoft wird die Frage nach dem Handel mit unkörperlich erworbener Software klären. Der Streit um "gebrauchte" Software endet damit jedoch nicht. Die weitere Entwicklung bleibt interessant.
Der Autor Jörg-Alexander Paul ist Partner bei Bird & Bird am Standort Frankfurt. Einer seiner Schwerpunkte ist das IT-Recht, er ist Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen und hält Vorträge u.a. auf diesem Gebiet.
Gebrauchte Software: . In: Legal Tribune Online, 30.09.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1597 (abgerufen am: 10.12.2024 )
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