Gastbeitrag von Bundesjustizminister Heiko Maas: Der Rechts­staat lebt vom Ver­trauen

von Heiko Maas

13.09.2017

Wer Recht hat, muss auch zu seinem Recht kommen. Dafür braucht es mehr Ressourcen, denn der Rechtsstaat kann nur so gut sein wie die Justiz, die seine Gesetze umsetzt. Davon gab es einige. Appell und Bilanz von Heiko Maas

Rechtspolitik bedeutet mehr, als die Wahl der Bundesrichter vorzubereiten und die Gesetzentwürfe der Bundesregierung auf ihre Rechtsförmlichkeit zu prüfen. Rechtspolitik ist Gesellschaftspolitik. Unsere Gesetze müssen aktuell und zeitgemäß sein. Wir brauchen ein modernes Recht für eine moderne Gesellschaft. Mindestens genauso wichtig ist, dass unser Recht gegenüber jedermann durchgesetzt wird, dass derjenige, der Recht hat, auch zu seinem Recht kommt und dass wichtige Lebensbereiche nicht von rechtlichen Regeln ausgenommen sind.

Wenn all dies nicht gewährleistet ist, wenn am Ende der Eindruck entsteht, dass wer Recht hat, kein Recht bekommt, dann droht uns eine Erosion des Rechtsbewusstseins. Ohne die freiwillige Beachtung des Rechts durch seine Bürger kann auf Dauer kein freiheitlicher Rechtsstaat bestehen. Und: Die besten Gesetze nützen nichts, wenn sie nicht ordentlich vollzogen werden.

Mehr Ressourcen für die Justiz

Wir brauchen in der Justiz ausreichend Personal und eine moderne Infrastruktur. Wenn wir weiterhin die besten Köpfe für den Justizdienst gewinnen wollen, brauchen wir zudem eine attraktive Besoldung in ganz Deutschland. Und die Besoldung in den einzelnen Ländern darf auch nicht weiter auseinanderdriften.

Wir haben seit 2015 das Personal beim Generalbundesanwalt um fast 20 Prozent aufgestockt; aber es sind vor allem die Länder, die hier gefordert sind. Der Deutsche Richterbund schätzt, dass bundesweit rund 2.000 Richter und Staatsanwälte fehlen. Was nützen mehr Polizei und eine Erhöhung der Aufklärungsquote, wenn es anschließend an Staatsanwälten und Richtern mangelt, um Täter auch anzuklagen und abzuurteilen?

Die Digitalisierung wird die Justiz effizienter und bürgernäher machen. Die Attraktivität und Autorität unserer Justiz hängen aber auch vom Zustand der Gebäude ab, in der sie arbeitet: Marode Gerichtssäle untergraben Ansehen und Autorität der Justiz. Justizgebäude sollten Leuchttürme der Gerechtigkeit sein. Deshalb sind in der gesamten Fläche deutlich mehr Investitionen nötig.

Vom Recht im Netz

Die Digitalisierung bringt unseren Rechtsstaat allerdings auch an einen Scheideweg: Nehmen wir hin, dass das Internet unsere Gesetze und damit auch unsere demokratische Streitkultur massiv infrage stellt? Oder machen wir Ernst mit dem Anspruch, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist? Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. In einer offenen Gesellschaft, in einer Demokratie sind Streit und Debatte unverzichtbar. Zur Meinungsfreiheit gehören auch scharfe und hässliche Äußerungen. Das muss jeder und jede ertragen können.

Aber die Meinungsfreiheit endet da, wo das Strafrecht beginnt: Beleidigungen, Bedrohungen, Mordaufrufe, Volksverhetzung oder die Auschwitz-Lüge – mit solchen kriminellen Hass-Postings sollen Andersdenkende eingeschüchtert und mundtot gemacht werden. Solche Hass-Kommentare in sozialen Netzwerken sind die wahren Angriffe auf die Meinungsfreiheit. Sie müssen nicht nur konsequent von der Justiz verfolgt, sondern auch schnell aus dem Netz gelöscht werden.

Es geht hier nicht nur um die Streitkultur und den Kampf gegen die verbale Verrohung im Netz. Es geht auch darum, dass wir deutlich machen, dass unser Strafgesetzbuch auch online gilt. Und: Bei uns steht niemand über dem Gesetz – auch nicht Facebook, Twitter oder YouTube. Deshalb haben wir soziale Netzwerke in die Pflicht genommen. Diese sind schon lange verpflichtet, strafbare Inhalte zu löschen, sobald sie davon Kenntnis erlangen. Allerdings sind sie dieser Aufgabe nur äußerst unzureichend nachgekommen. In Zukunft drohen ihnen Bußgelder, wenn sie kein effektives Beschwerdemanagement haben, das gewährleistet, dass offensichtlich strafbare Inhalte innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden.

Zitiervorschlag

Heiko Maas, Gastbeitrag von Bundesjustizminister Heiko Maas: Der Rechtsstaat lebt vom Vertrauen . In: Legal Tribune Online, 13.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24493/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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