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24125

Der Fall "PietSmiet" auf dem Gamescom Congress: Das Gesetz, der Spiel­ver­derber

von Marcel Schneider

24.08.2017

Kanzlerin und div. Politiker und Vorstände bei der Eröffnung der Gamescon

(c) Gamescom

Ein neuer Rundfunkstaatsvertrag – darüber diskutierten Juristen, die sich auf der diesjährigen Kölner Spielemesse trafen. Ausgelöst hatte die Debatte der Fall eines Livestreamers und Gamers, der den Gesetzgeber nicht gut aussehen lässt.

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Livestreaming als ein lizenzpflichtiges Rundfunkangebot

Schon die Eröffnung durch die Kanzlerin zeigt: Auf der diesjährigen Gamescom geht es nicht nur ums Spielen, sondern auch um Politik und damit um Recht. Im Rahmen einer an die Spielemesse angekoppelten Veranstaltung, dem "Gamescom Congress", traf sich die Fachwelt, um unter anderem juristische Themen zu diskutieren, die die Spielebranche betreffen. Die wichtigste Frage: Wie kann eine zeitgemäße Novelle des Rundfunkstaatsvertrages aussehen?

Denn "darüber, dass etwas passieren muss, besteht Konsens", stellte Prof. Dr. Rolf Schwartmann von der TH Köln schon früh zu Beginn der zahlreichen Vorträge und Podiumsdiskussionen klar. Die Debatte um den 20. Rundfunkstaatsvertrag losgetreten hatte der Fall des Livestreamers "PietSmiet" im März dieses Jahres. Der Let's-Player, der mit bürgerlichem Namen Peter Georg Smits heißt, begann 2007 damit, auf Youtube kommentierte Beiträge von sich beim Videospielen hochzuladen. Der Kanal etablierte sich über Jahre fest in der Branche, mittlerweile sorgen vier weitere Spieler zusammen mit Smits für Inhalte, die sich über zwei Millionen Abonnenten ansehen.

Mit wachsendem Erfolg übertrug das Kollektiv seine Arbeit auch auf die Streaming-Plattform Twitch, auf der die Fans den fünf Jungs live beim Spielen und Kommentieren zusehen konnten. Wie auf Youtube ließ der Erfolg nicht lange auf sich warten - was letztlich  die Landesanstalt für Medien NRW (LfM) auf den Plan rief. Sie war der Auffassung, dass PietSmiet eine Rundfunklizenz für ihren Twitch-Auftritt brauchten, und gab den Spielern bis Ende April 2017 Zeit, zu reagieren. Sollten sie den Stream ohne Lizenz fortsetzen, drohte ein Bußgeld.

Welche Probleme der Rundfunkstaatsvertrag verursacht

Die Unterhalter stellten den 24/7-Stream daraufhin ab Mai bis auf Weiteres ein. "Lediglich nach Absprache mit der Landesmedienanstalt senden wir noch auf einem Nebenkanal ab und zu live", so Smits im Gespräch mit LTO auf dem Gamescom Congress. Der Kanalgründer saß auch im Publikum, als LfM-Direktor Dr. Tobias Schmid klarstellte, dass sich am grundsätzlichen Konzept in absehbarer Zeit nichts ändern werde: "Medien haben eine Wirkmacht inne, die auf der einen Seite viel Freiheit braucht. Auf der anderen muss der Staat allerdings sicherstellen, dass sich die Akteure an die Mindeststandards halten, wie etwa den Schutz der Menschenwürde und der Jugend."

Schmid ließ erkennen, dass auch er die Probleme sieht, die die aktuelle Rechtslage in der Praxis hervorruft. Er betonte aber: "Eine Medienaufsichtsbehörde ist dafür da, geltendes Recht nicht zu bewerten, sondern anzuwenden." Und danach sind beziehungsweise waren PietSmiets Kanäle auf Twitch ein lizenzpflichtiges Rundfunkangebot, weil sie live, regelmäßig sowie wiederholt sendeten, dabei von mehr als 500 Zuschauern gleichzeitig gesehen werden konnten und ihre Inhalte mehr oder weniger redaktionell gestalteten.

Dabei zeigt Smits' Fall die Unsicherheiten auf, die für eine ungeahnt große Zahl von Kanälen zum Verhängnis werden können: Um auf einer Streaming-Plattform zu senden, braucht es im Prinzip nur die technischen Mittel und eine ausreichende Internetverbindung. 500 Zuschauer sind für Online-Verhältnisse eine vergleichsweise kleine Größenordnung und wer so viele Fans an sich bindet, schafft das in der Regel nur, indem er regelmäßig sendet und seine Inhalte dabei interessant und damit zumindest teilweise redaktionell gestaltet. Eine Rundfunklizenz aber kostet, was sich viele Streamer erst einmal nicht leisten können, obwohl sie ihren Kanal gern zu einem wirtschaftlichen Standbein auszubauen würden.

Lösungsansätze und warum PietSmiet erst einmal offline bleiben

2/2: Rundfunklizenz nicht nur teuer, sondern kompliziert

Dabei sind die Kosten für eine Lizenz, die je nach  Wirtschaftlichkeit fünfstellige Beträge im unteren Bereich ausmachen können, für manche Kanäle und die dahinter stehenden Unternehmen nicht einmal das Hauptproblem. So wandte Dr. Pietro Graf Fringuelli, Rechtsanwalt und Partner bei CMS in Köln, ein: "So eine Rundfunklizenz druckt man sich nicht mal eben aus und schickt sie an die Aufsichtsbehörde zurück. Sie zu beantragen ist vielmehr höchst kompliziert und setzt Expertenwissen voraus, das sich die Streamer in Form von Rechtsberatung in der Regel extern einkaufen müssen."

Noch ein Knackpunkt: Wer ernsthaft über den Erwerb einer Rundfunklizenz nachdenkt, um mit Livestreams wirtschaftlich erfolgreich zu werden, hat die nötigen Ambitionen und klare Ziele vor Augen. Häufiger ist allerdings der Fall, dass Streamer klein, teils sogar nur hobbymäßig anfangen und entweder durch Zufall oder langsame Ausweitung ihres Angebots erfolgreich werden, bis sie die relevante Schwelle übertreten und sich so – mangels rechtlicher Kenntnisse oft unbewusst – dem Lizenzrisiko aussetzen.

Föderalismus verhindert schnelle Reformen

Schwartmann schlug vor, solchen Neulingen das "Reinwachsen" in das Geschäft zu erleichtern und bei einer Reform des Rundfunkstaatsvertrages einen "Vertrauens- und Freiheitsvorschuss" zu gewähren, der "an einen empfindlichen Sanktionskatalog geknüpft wird." So könne man für den Anfang eine Anzeige anstelle einer vollwertigen Lizenz  genügen lassen, um nach einem festen Zeitraum – etwa nach einem halben Jahr – erneut von der Behörde prüfen zu lassen, ob sich das Projekt zu einem lizenzpflichtigen Angebot ausgewachsen hat.

Das entspricht in etwa dem "abgestuften System", das in den zuständigen Arbeitskreisen der Länderkommission derzeit diskutiert werde, wie Heike Raab verriet. Die Staatssekretärin und Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund für Europa, Medien und Digitales berichtete ebenso über Pläne, "die Schwellenvoraussetzungen generell zu überarbeiten, um den Spezifika der Angebote aus dem Internet gerecht zu werden."

Die Verantwortlichen haben die Probleme also auf dem Schirm, eine Umsetzung wird aber noch auf sich warten lassen: "Koordinieren Sie mal 16 Bundesländer und unterschiedliche Ansichten wie die eines Horst Seehofers oder eines Olaf Scholz", so Raab. Schmid betonte, dass sich die Landesmedienanstalten auch "im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten" in der Regel möglichst kulant zeigten. Die gesamte Branche sei aber genau wie die Aufsichtsbehörden "letztendlich auf den Gesetzgeber angewiesen".

Smits selbst zeigte sich mit dem Reformprozess zufrieden. Regelmäßig wird er zu diversen Veranstaltungen eingeladen, er steht auch in regem Kontakt mit der LfM. Ob und wann seine Kanäle aber wieder online gehen, ist indes völlig offen.

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Zitiervorschlag

Marcel Schneider, Der Fall "PietSmiet" auf dem Gamescom Congress: Das Gesetz, der Spielverderber . In: Legal Tribune Online, 24.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24125/ (abgerufen am: 03.03.2021 )

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Kommentare
  • 25.08.2017 02:38, Tristan H.

    Im Falle eines YouTubers oder Twitchers, der im Laufe der Zeit auf diesen Medien eine gewisse Gefolgschaft aufgebaut hat, gäbe es eine einfache Umgehungsmöglichkeit für diese Art staatlicher Medienüberwachung. Denn es gibt da einige Jungs, nicht nur der Smits, die damit ein ganz nettes Sümmchen verdienen. Mehrere 100.000 Euro pro Nase/Jahr ist für diese Gamer kein Problem. Sie haben daher ein gutes Motiv, dieser Gängelung durch den Staat zu entgehen. Nicht jeder würde monate oder gar jahrelang auf Einnahmen verzichten, weil wir Gesetze in Form von Rundfunkstaatsverträgen haben, die praktisch nur für Fernsehen und Radio gestrickt sind.

    Tristan H.
    • 26.08.2017 15:19, Bob

      Während der Grund für das Verlangen von Presselizenzen in der besseren Kontrollierbarkeit dieser Medien lag, liegt ein wesentlicher Grund für das Verlangen von Radio- und Fernsehlizenzen (Rundfunklizenzen) in den knappen Ressourcen: Die begrenzte Anzahl von Frequenzen lässt sich nur an eine begrenzte Anzahl von Programmveranstaltern vergeben.

      In Zeiten des Internets ist das Argument der knappen Ressourcen (Funkfrequenzen) obsolet und damit auch die Rundfunklizenz an sich völlig überflüssig. Dies ist natürlich ein Dorn im Auge der öffentlich rechtlichen Anstalten, da diese den Zug längst verpasst haben und die jungen Leute entgegen derer Meinung nicht mehr ARD und ZDF schauen, sondern Let's play etc.

  • 25.08.2017 08:08, M.D.

    Diese Rundfunklizenz-Geschichte geht auf die Gründung der Bundesrepublik zurück. Damals wurde sichergestellt, dass die Nazis keinen Medienzugang haben. Das heißt, die Zeitungslizenzen wurden an bekannt/bewährte Personen vergeben und der Rundfunk war komplett öffentlich-rechtlichen Anbietern vorbehalten.

    Youtube hat die politische Medienkontrolle auf den Kopf gestellt und denn dort hat jeder, vom größten Rechtsradikalen bis zum größten Linksradikalen, von morgens bis abends Sendezeit. Die Bedeutung hat sich allerdings auch angepasst. Jeder weiß mittlerweile, dass im Internet 99,99% Blödsinn verbreitet wird. Man darf einfach nicht alles glauben.

    Übrigens haben auch Drittstaaten über Youtube die Möglichkeit zur politischen Einflussnahme in Deutschland, und diese Möglichkeit wird natürlich auch genutzt.

    M.D.
  • 26.08.2017 06:33, Marc E.

    Ein abgestuftes System ist Unsinn. Twitcher und YouTuber sind überhaupt nicht unter ein Rundfunksystem zu packen. Hierdurch versuchen die Rundfunkanstalten lediglich ihr marodes Finanzierungssystem aufzubessern. Die sollen erstmal dafür sorgen, dass die Rundfunkanstalten mit ihren bisherigen Budget haushalten und nicht nach immer mehr Geld zu gieren.

    Marc E.
    • 26.08.2017 08:03, Tristan H.

      Da verwechseln Sie wohl etwas. Der Umstand, dass Ö-R-Rundfunkanstalten "nach immer mehr Geld gieren", interessiert die Medienaufsicht nicht die Bohne. Die gucken sich deren Haushalt nicht an.
      Wer das nicht will, sollte andere Parteien wählen. Denn die Länder bestimmen die Rundfunkbeitragshöhe bzw haben dafür eine Kommission eingesetzt - die aber weitgehend abnickt, was die Anstalten haben wollen. Die wollen soviel haben, weil es viele Anstalten sind, die alles mögliche produzieren und Sportrechte einkaufen etc - und das wird alles von der Politik gedeckt, weil die in den Rundfunkräten ihre Leute haben, welche die Anstalten nominell kontrollieren sollen, in Wahrheit aber kungeln.
      Parteien wählen, welche die Anstalten zurechtstutzen wollen und deren Angebot auf die Grundversorgung mit Infos, Dokumentationen beschränken, dann sinkt auch der Rundfunkbeitrag.^^

  • 26.08.2017 12:46, A.D.

    Wieso sprechen die eigentlich um den heißen Brei herum?
    1. Twitch ist keine Sendeanstalt. Inhalte müssen hier abgerufen werden, daher kann und darf der Rundfunkstaatsvertrag nicht angewendet werden
    2. Jeder Streamer ist nur Produzent und lädt seine Inhalte zu Twitch hoch. Wenn überhaupt, so muss Twitch diese Lizenz bereithalten. Ich bezweifel aber, dass deutsche Gesetze in den USA Anwendung finden werden.

    A.D.
    • 28.08.2017 13:52, M.R

      Ähnlich auch meine Überlegung,
      ich habe mir die Frage gestellt, ob die Definition i.S.d §2 RStV von "allgemein" überhaupt auf Twitch oder ähnliche Seiten zutrift. Meines Wissens können Twitchstreams wahlweise öffentlich oder privat zugänglich gemacht werden und über die Möglichkeit verfügen Nutzer(Ip-Adressen) auszuschließen, was die Unbestimmtheit des Zugangs einschrenkt.

  • 26.08.2017 16:12, Olli

    Niemand braucht den Rundfunkstaatsvertrag, sowie das völlig aufgeblasenen Konstrukt ÖR überhaupt noch.
    Längst überholt und absolute Diktatur.

    ....und Gier nach noch mehr Kohle.

    Olli
  • 29.08.2017 22:53, gast

    LfM-Direktor Dr. Tobias Schmid


    Vor der Wahl klang der Mann noch ein wenig forscher, der für die neue Auslegung des Rundfunkstaatsvertrages sorgte.
    Ist eben schwierig, wenn die, denen man eine Freude machen wollte, plötzlich abgewählt werden.

    gast
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