In Deutschland ist die Herstellung von Gänstestopfleber strafrechtlich untersagt, der Import aus Frankreich dagegen erlaubt. Wirklich konsistent ist diese Rechtslage nicht. Die europarechtlichen Hintergründe erläutert Eike Fesefeldt.
Die Marktregeln der Europäischen Union haben zu einigen absonderlichen Situationen in den zwischenstaatlichen Rechtsordnungen geführt. Ein Dauerbrenner ist der Import von Gänsestopfleber. Obwohl es bereits einige rechtliche Initiativen gab, ist der Import von Frankreich nach Deutschland erlaubt.
Deutsche Landwirte müssen sich bei der Tierhaltung an hohe Standards halten, manche Produktionsarten sind ihnen untersagt. Aus dem Ausland darf jedoch insbesondere ein Produkt importiert werden, das all diese Regeln missachtet.
Es gibt kaum noch eine Delikatesse, die umstrittener ist als Foie Gras. Sie findet sich auf den Speisekarten vieler Gourmet-Restaurants für den gutsituierten Oberschichtenbürger. Abseits aller ethischen Fragen wird weltweit darum gestritten, wie rechtlich mit der Gänsestopfleber umgegangen werden soll. Das erste landesweite Importverbot gab es etwa in Indien.
Folterähnliche Herstellungsprozedur
Es ist nicht viel Fantasie nötig, um das Grauen der Gänsestopfleberzucht zu beschreiben und entsprechend fällt die ethische Beurteilung dieser Produktionsweise aus: Im Alter von acht bis zehn Wochen bekommen die Tiere jeden Tag zwei bis viermal ein etwa 50 Zentimeter langes Rohr in den Hals bis zum Magen geschoben, durch das etwa ein Kilo Mais- oder Getreidebrei gepumpt wird. Um zu verhindern, dass sie sich winden oder entkommen, werden die Tiere dabei in engen Käfigen gehalten.
Nach zwei bis drei Wochen systematischem Stopfen ist die Tortur für die Gänse beendet und sie werden geschlachtet. Bei Schlachtreife ist die Leber krankhaft bis auf das zehnfache ihrer normalen Größe angeschwollen. Der Fettgehalt liegt dann bei 40 bis 50 Prozent der Masse.
Dieser hohe Fettanteil der Leber macht Foie Gras zur Delikatesse. Frankreich ist bis heute der mit Abstand größte Hersteller von Gänsestopfleber und produziert zusammen mit Ungarn und Bulgarien jährlich mehr als 24.000 Tonnen Stopfleber. Foie Gras ist in Frankreich eine kulturell bedeutende Delikatesse und stellt einen wichtigen Wirtschaftszweig dar. Nicht verwunderlich ist Frankreich auch der Hauptkonsument, wobei sich auch deutsche Unternehmen unter den Hauptabnehmern befindet.
Europarechtliches Kuriosum
Es braucht auch wenig (juristische) Fantasie, um dieses Vorgehen unter die (strafrechtlichen) Sanktionsvorschriftlichen des Tierschutzgesetzes (TierSchG) zu subsumieren. So verbietet § 17 Nr. 2 b TierSchG die Zufügung von länger anhaltenden oder sich wiederholenden erheblichen Schmerzen oder Leiden an Tieren und § 3 Nr. 9 und Nr. 10 TierSchG (gewissermaßen als Lex Foie Gras), einem Tier durch Zwang Futter einzuverleiben. Ähnlich ist die Produktion in den anderen deutschsprachigen Ländern Österreich, Luxemburg und der Schweiz sowie vielen EU-Ländern verboten.
Eigentlich dürfte die Herstellung von Stopfleber in einem EU-Mitgliedsstaat kein Thema sein. Die EU-Richtlinie 98/58CE (insbesondere Anhang 24 zu Art.4) verbietet die Produktion von Stopfleber bereits seit 1999. Danach darf die Art des Fütterns bei Tieren "keine unnötigen Leiden oder Schäden"§ verursachen. Die Richtlinie lässt jedoch Ausnahmen zu und muss darüber hinaus nicht zwingend umgesetzt werden. Schlussendlich liegt es am freien Binnenmarkt, dass der Import von Stopfleber innerhalb aller EU-Staaten weiter zugelassen wird. Deshalb wird auch in Deutschland immer noch Stopfleber verkauft. Um sich weiter abzusichern, erklärte Frankreich im Jahr 2005 Foie Gras sogar zum nationalen und gastronomischen Kulturerbe. Dadurch konnte das Land eine weitere Ausnahmeregelung im Sinne von Art. 36 des Vertrages über die Arbeitsweise der europäischen Union (AEUV) vorweisen.
Verbotsinitiativen immer wieder gescheitert
Immer wieder wollten Verbände oder einzelne Politiker diese Rechtslage nicht stehen lassen. Eine der bekanntesten Aktionen war im Jahr 2006 von der Tierrechtsorganisation Peta gestartet worden, die erfolglos gegen etwa 50 deutsche Restaurants und Köche Strafanzeigen erstattete.
Im Oktober 2012 gab es eine Initiative verschiedener EU-Parlamentarier, die Produktion von Gänsestopfleber EU-weit zu verbieten. Auch im Juli 2019 etwa versuchten dänische EU-Politiker noch einmal, mit Hinweis auf fortentwickelte Moralvorstellungen in Europa und den grausamen Mästungsmethoden, ein europaweites Importverbot durchzusetzen.
Selbst die Schweiz, immerhin Nicht-EU-Mitglied, hat es trotz entsprechender politischer Versuche bislang nicht geschafft, ein Importverbot durchzusetzen. Zwischen 2017 und 2019 wurde auch in der Schweiz politisch über ein Einfuhrverbot diskutiert. Einer der Kernpunkte der Diskussion war dabei, ob ein Einfuhrverbot mit den Handelsverpflichtungen der Schweiz vereinbar wäre, etwa mit den WTO- und GATT-Abkommen. Der Ständerat lehnte ein Importverbot am Ende ab.
Gerichtsstreitigkeiten in den Vereinigten Staaten
Während es in Europa noch keine bekannt gewordenen gerichtlichen Auseinandersetzungen zum Thema Importverbot von Foie Gras gibt, beschäftigt dies US-Gerichte seit fast zwei Jahrzehnten.
Den ersten Vorstoß in diese Richtung machte der Staat Kalifornien mit einem Importverbot im Jahr 2004, indem der "California Health and Safety Code" angepasst wurde. Dem folgte ein langer, bis heute nicht richtig entschiedener Gerichtsstreit. Schließlich wies der Supreme Court eine Klage in Kalifornien zurück und das Verbot konnte in Kraft treten.
Dagegen nicht positiv ging ein Verbot des Stadtrats von Chicago im Jahr 2006 aus, welches schon 2008 wieder aufgehoben wurde. Verstöße gegen das Verbot wurden mit Geldstrafen von 250 bis 500 US-Dollar geahndet. Im Oktober 2019 stimmte als weitere Stadt New York City dafür, Foie Gras ab 2022 zu verbieten. Ein Verstoß wird mit einem Bußgeld von bis zu 2.000 US-Dollar bestraft.
Eines der rechtlichen Hauptargumente der Verbotsgegner ist dabei, dass ein US-Bundesstaat oder sogar eine Stadt kein Lebensmittel verbieten kann, das auf föderaler Ebene zugelassen ist.
Importverbot nur über die EU?
Wenn die Verbote in den USA gerichtlich dauerhaft halten, kann wohl konstatiert werden, dass einzelne US-Bundesstaaten gegenüber den Vereinten Staaten unter Umständen mehr Souveränität als EU-Mitgliedsstatten gegenüber der EU haben.
Interessant wäre sicher das gerichtliche Ergebnis gewesen, wenn Peta ein Klageerzwingungsverfahren eingeleitet hätte oder ein anderes deutsches Gericht über die Frage der Rechtmäßigkeit von solchen Importverboten zu urteilen hätte. Über ein Vorabentscheidungsverfahren könnte dann sogar der EuGH diese Frage klären.
Derzeit scheint der einzige Weg zu einem Importverbot über Brüssel und Straßburg zu gehen. Letztere Stadt ist bekanntermaßen in Frankreich. Als kleine Pointe, um aufzuzeigen, wie weit es bis zu einem europaweiten Herstellungsverbot noch ist, wird oft auf ein Weihnachtsmenü von EU-Abgeordneten aus dem Jahr 2014 hingewiesen. Auf dem Speiseplan stand im mehrgängigen Menü auch die in Straßburg beliebte Gänsestopfleber.
Der Autor Dr. Eike Fesefeldt arbeitet als Staatsanwalt. Er ist als Trial Lawyer vom Land Baden-Württemberg an den Internationalen Strafgerichtshof abgeordnet. Die in dem Text genannten Ansichten spiegeln allein seine persönliche Meinung wider.
Herstellung verboten, Import erlaubt: . In: Legal Tribune Online, 18.04.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41337 (abgerufen am: 15.10.2024 )
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