Seit Freitag ist der Zusammenschluss von SJ Berwin mit King & Wood Mallesons offiziell. Markant ist er vor allem deshalb, weil King & Wood Mallesons die einzige internationale Großkanzlei mit Wurzeln in China ist. Über die kulturellen Herausforderungen und wirtschaftlichen Implikationen der Fusion haben wir mit dem langjährigen Managing Partner bei Linklaters, Markus Hartung, gesprochen.
LTO: Globale Zusammenschlüsse von Kanzleien liegen im Trend. Die Kanzlei King & Wood Mallessons ist die bislang einzige international tätige Großkanzlei mit Wurzeln in China. Wieso eigentlich?
Hartung: Man könnte sich auch fragen: Wieso gibt es eigentlich keine einzige international tätige Großkanzlei mit Wurzeln in Deutschland? Immerhin gibt es jetzt sogar schon eine mit Wurzeln in China! Im Ernst: China war bis vor nicht ganz so langer Zeit ein faktisch verschlossenes Land. Dass es schon jetzt, nach vergleichsweise kurzer Zeit der Globalisierung, eine internationale Großkanzlei mit Wurzeln in China gibt, ist sehr beachtlich.
LTO: Glauben Sie, dass die aktuelle Fusion Schule macht und der globale Anwaltsmarkt künftig mehr Kanzleien dieser Art hervorbringt?
Hartung: Wenn Sie die Entstehung von sehr großen und global tätigen Kanzleien meinen, dann steht King & Wood Mallesons nicht am Anfang, sondern eher im Schlussdrittel einer Entwicklung – denken Sie nur an Baker & McKenzie, Jones Day oder DLA Piper, die viel älter sind. Wenn Sie die chinesische Beteiligung meinen, dann kann man das nicht wirklich beantworten. Angesichts der stark wachsenden chinesischen Kanzleien würde ich es aber keinesfalls ausschließen.
LTO: China ist ein Land mit extrem vielen Einwohnern und einer starken Wirtschaft. Da muss der Kanzleimarkt doch auch sehr groß sein. Was haben chinesische Unternehmen bisher gemacht, wenn sie internationale Beratung benötigten?
Hartung: Der Kanzleimarkt in China ist riesig und wächst mit hohen Wachstumsraten. Bis vor einigen Jahren waren chinesische Kanzleien aber auf internationalem Parkett kaum zu finden, weil ihnen die Erfahrung, Expertise und nicht zuletzt Sprachkenntnisse fehlten. Internationale Transaktionen mit Beteiligung von Banken brachten es weiterhin mit sich, dass im Finanzierungsgeschäft erfahrene US- oder UK-Kanzleien beauftragt wurden; da konnten chinesische Kanzleien nicht mithalten. Inzwischen finden Sie in chinesischen Kanzleien aber viele Anwälte, die in den USA ausgebildet wurden, internationale Erfahrung haben und akzentfrei Englisch sprechen. Die chinesischen Kanzleien holen den Rückstand mit atemberaubender Geschwindigkeit auf.
"Trennung von westlicher und chinesischer Kultur ist altes Denken"
LTO: Inwiefern wird sich die Kultur einer chinesisch geprägten Kanzlei wie King & Wood Mallessons von derjenigen englischer, amerikanischer oder deutscher Großkanzleien unterscheiden?
Hartung: Die Frage klingt so, als gäbe es eine einheitliche oder gar "globale" Kultur in englischen, amerikanischen oder deutschen Kanzleien. Das ist aber nicht so: Schon zwischen deutschen und englischen Kanzleien gibt es erhebliche kulturelle Unterschiede. Von der Kultur etwa einer rein französischen Kanzlei wissen wir so gut wie nichts. Insofern ist die Frage nach den Unterschieden zwischen "westlicher Kultur" und "chinesisch geprägter Kultur" in internationalen Kanzleien eher "altes Denken". Wie auch immer: Globalisierung bringt es mit sich, dass wir uns an alle möglichen Kulturen gewöhnen müssen.
LTO: Man sagt den Chinesen nach, viel Wert auf Disziplin und harte Arbeit zu legen. Dasselbe sagt man über Anwälte in Großkanzleien. Entsteht aus der Kombination jetzt eine Art nicht zu bremsender Superanwalt? Und was bedeutet das für die Zusammenarbeit mit den Kollegen aus anderen Ländern?
Hartung: Hier sind wir sehr auf Hörensagen angewiesen, finden Sie nicht? Es scheint allerdings tatsächlich so zu sein, dass Chinesen sehr hart arbeiten, dass sie extrem "hungrig" sind und die noch bestehenden Wohlstandsunterschiede sehr schnell ausgleichen wollen. In unserer alten Welt wird in Großkanzleien aber auch ganz schön hart gearbeitet, so dass ich aus diesem Gesichtspunkt kaum Bedenken habe.
2/2: "Zusammenschluss bietet rechtliche und tatsächliche Herausforderungen"
LTO: Welche Herausforderungen bringt ein Zusammenschluss von zwei Großkanzleien im Allgemeinen, und der von King & Wood Mallessons mit SJ Berwin im Speziellen mit sich?
Hartung: Das ist eine immense Aufgabe, es gibt Herausforderungen für das Management, und es gibt rechtliche Hürden, die derzeit nicht zu überwinden sind: Die allgemeinen Management-Herausforderungen sind sicher die "Angleichung" verschiedener Büros und Ethnien unter eine Kanzleikultur und ein Leistungsversprechen: Denn das ist ja die Idee der Global Firms, dass Mandanten, egal wo sie auf der Welt zu, sagen wir, King & Wood gehen, immer das gleiche Leistungsniveau vorfinden. Dieses Versprechen muss man einhalten, es erfordert erheblichen Integrationsaufwand.
Was die Verbindung mit SJ Berwin angeht, so wird es eine besondere Herausforderung für Legacy SJ Berwin sein – die hätten sich vor einigen Jahren vermutlich nicht träumen lassen, heute Teil einer chinesisch-australischen Firma zu sein. Aber auch hier gilt: Alle Bemühungen müssen auf Integration der verschiedenen Kanzleiteile gerichtet sein.
In rechtlicher Hinsicht weiß ich einfach nicht, wie man die IT-Systeme und alle Mandantendaten einer chinesischen mit einer europäischen Kanzlei zusammenlegen oder austauschen kann, ohne gleich den Datenschutzbeauftragten oder den Staatsanwalt oder beide am Hals zu haben. Vermutlich werden die Systeme voneinander abgeschottet. Es gibt außerdem noch zahlreiche andere Herausforderungen.
"Mit erhofften Mergerpartnern ist es wie mit Märchenprinzen, die nie kommen"
LTO: SJ Berwin wird seinen Namen zunächst in King & Wood Mallesons SJ Berwin, langfristig aber in King & Wood Mallesons ändern. Ist das Gerangel um solche und ähnliche Fragen, die sicher auch etwas mit Historie, Stolz und Status zu tun haben, oft ein schwieriger Punkt bei Fusionen, oder nur eine unbedeutende Fußnote?
Hartung: Natürlich gibt es Eitelkeiten bei der Namensfrage, aber das sollte man keineswegs überbewerten. Bei einem Merger of Equals kann es mit dem Namen schwierig werden, aber wir haben hier keinen Merger of Equals. Wichtiger ist der mit dem Namen verbundene Goodwill, den SJ Berwin bei seinen Mandanten hatte und hat, und man würde mit dem Namen auch gleich den Good Will über Bord werfen. Das wäre aber unklug. Nach einer Übergangszeit haben dann alle verstanden, dass Raider jetzt Twix heißt und der SJ Berwin Goodwill ist auf die neue Kanzlei übergegangen. Vermutlich entfällt dann auch gleich der Namensteil Mallesons und es bleibt bei King & Wood – ich würde nicht dagegen wetten.
LTO: SJ Berwin hatte lange Zeit nach einem Partner gesucht, unter anderem waren Orrick und Mayer Brown im Gespräch. Denken Sie, dass King & Wood Mallesons nun eine gute Wahl ist? Warum (nicht)?
Hartung: Ach, wissen Sie... wichtig ist doch, dass SJ Berwin endlich eine Entscheidung getroffen hat. Rein strategisch und langfristig gesehen ist das Segment, in dem K&WM tätig wird, erfolgversprechender als ein Mittelfeld. Daraus muss man jetzt etwas machen, und das wird auch klappen, trotz einiger noch anstehender Partnerverluste. Aber mit erhofften Mergerpartnern ist es wie mit den Märchenprinzen, die nie kommen: Oft entpuppt sich dann der Partner, den man stattdessen geheiratet hat, als Traumpartner. Wenn man hingegen sein Leben lang seinem Märchenprinzen oder der Traumfrau hinterherhängt, wird man nur unglücklich.
LTO: Herr Hartung, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Markus Hartung ist Rechtsanwalt und war viele Jahre Managing Partner von Linklaters in Deutschland. Seit 2010 ist er Direktor des Bucerius Center on the Legal Profession an der Bucerius Law School.
Die Fragen stellten Constantin van Lijnden und Tobias Kohl.
Markus Hartung, Zusammenschluss internationaler Großkanzleien: "Chinesische Kanzleien holen mit atemberaubender Geschwindigkeit auf" . In: Legal Tribune Online, 01.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9935/ (abgerufen am: 24.04.2024 )
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