Die Hamburger Grünen fordern eine Ehe "ohne Ewigkeitsversprechen". Etwa 40 Prozent der Deutschen wollen nicht mehr heiraten, jedes dritte Kind wird außerhalb einer Ehe geboren. Also statt der in die Jahre gekommenen Ehe ein neues Modell? Steuerlich top - für die Absicherung erziehenden Frauen und die Stabilität der Beziehung für Kinder eher ein Flop, meint Herbert Grziwotz.
Die Ehe wird auf Lebensdauer geschlossen. Das ist verdammt lang. Und aufgrund der demographischen Entwicklung wird es immer länger. Das ist nach Ansicht der Hamburger Grünen die hauptsächliche Hemmschwelle für viele Paare, eine Ehe einzugehen. Deshalb wollen sie entsprechend dem französischen Vorbild eine, so Anjes Tjarks, Parteivize der Grünen Alternativen Liste, "Ehe ohne Ewigkeitsversprechen", den so genannten Zivilpakt.
Im Einkommensteuerrecht , bei der Krankenversicherung, im Erb- und Pflichtteilsrecht, aber auch hinsichtlich der Freibeträge und des Steuersatzes im Schenkungsteuer- und Erbschaftsteuerrecht sieht das Modell die volle Gleichstellung mit der Ehe vor. Die Partner haben zudem im gerichtlichen Verfahren ein Zeugnisverweigerungsrecht und automatisch ein gemeinsames Sorgerecht für ihre Kinder.
Interessant ist, was im Unterschied zur Ehe nicht gilt: Es soll nicht möglich sein, gemeinsam ein Kind zu adoptieren oder automatisch ein Aufenthaltsrecht für einen ausländischen Partner zu erhalten. Unterhaltspflichten bestehen nur in der Zeit der Verpaktung. Ein Vermögensausgleich und eine Beteiligung an den Versorgungsanwartschaften des Partners bei einer Trennung sieht der Pakt nicht vor. Und das Wichtigste: die Partnerschaft kann einseitig innerhalb von drei Monaten, im gegenseitigen Einvernehmen sofort beendet werden. Bei der Ehe muss der ausbrechende Partner drei Jahre warten - und eine einvernehmliche Scheidung setzt immer noch den Ablauf eines Trennungsjahres voraus.
Die altehrwürdige Ehe: Pflichten, Pflichten, Pflichten?
"Heirate oder heirate nicht, du wirst es stets bereuen", meinte Sokrates. Aber der war ja bekanntlich mit Xanthippe verheiratet, die es allerdings mit dem absonderlichen Weisen auch nicht immer leicht hatte. Derartige Sprüche zur Ehe ließen sich noch mehr finden. Meist kommt sie dabei nicht gut weg.
Die Juristen betonen vor allem die Pflichten, die sie mit sich bringt. Sogar die geschlechtlichen Kontakte, die bis zum Ja-Wort noch richtig Spaß machten, werden nun zur "ehelichen Pflicht". Hinzu kommen die Pflicht zum Unterhalt, zur gemeinsamen Steuererklärung, zum Zusammenwohnen und – für Männer erst in letzter Zeit – zur Mitarbeit im Haushalt und zur Betreuung der Kinder.
Aber damit noch nicht genug: auch das Verhältnis zu den Kindern ist von Pflichten geprägt. Umgangspflicht, Unterhaltspflicht und Pflichtteil, stets wird man mit dem Wort "Pflicht" konfrontiert, wenn es um Ehe und Familie geht.
Und das Pflichtenprogramm endet noch nicht einmal mit einer Scheidung. Die angebliche eheliche Solidarität mit dem Partner soll diese überdauern. Die Vermögensteilhabe im Rahmen des Zugewinns, die Teilung der Rentenanwartschaften und die zwar zeitlich begrenzte, aber immerhin bestehende nacheheliche Unterhaltspflicht bei Kindererziehung, Krankheit und nach langjähriger Ehe auch im Alter beweisen, dass der Kern der Ehe aus Pflichten besteht.
BVerfG 2001: Schluss mit Eheverträgen als Ausweg aus der Pflichtenfalle
Bis zum Jahr 2001 gab es noch einen Ausweg aus der "Ehefalle": die Heirat mit Ehevertrag. Man konnte als Mann Familie haben und gleichzeitig vertraglich fast alle Pflichten ausschließen. Dem hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) einen Riegel vorgeschoben. Die Ehe ist nach Auffassung des höchsten deutschen Gerichts eine Einrichtung, in der Mann und Frau in gleichberechtigter Partnerschaft zueinander stehen.
Einer besonders einseitigen Aufbürdung der wechselseitigen Rechte und Pflichten sollen die Familienrichter Einhalt gebieten. Bei Eheschließung soll nicht mittels eines Vertrages bereits feststehen, wer im Fall des Scheiterns der Beziehung der Verlierer ist.
Keinesfalls darf derjenige Ehegatte, der den Haushalt führt, die Kinder betreut und hierzu zumindest vorübergehend seine Berufstätigkeit einschränkt, der Dumme sein. Der andere Ehegatte muss die sich aus der Familienarbeit ergebenden ehebedingten Nachteile ausgleichen. Das betrifft vor allem den nachehelichen Unterhalt und den Ausgleich von Rentenanwartschaften. Diskutiert wird aber auch darüber, ob nicht zusätzlich eine Vermögensteilhabe geschuldet ist.
Den Kuchen essen und gleichzeitig behalten?
Die von den Hamburger Grünen vorgeschlagene Ehe ohne (lebenslange) Pflichten, mit jederzeitiger Ausstiegsmöglichkeit und gleichzeitig sämtlichen steuerlichen Vorteilen, die gut auch von der FDP stammen könnte, sieht im Ergebnis genau das vor, was man bis zu der Entscheidung des BVerfG im Jahr 2001 bei einer Eheschließung mit Ehevertrag vereinbaren konnte.
Und hier müssen sich die Feministen unter den Grünen, die vor zehn Jahren die verfassungsgerichtliche Entscheidung als Abkehr von der "Macho-Ehe" bejubelt haben, fragen lassen, ob sie nicht heiratsunwilligen Männern die Möglichkeit bieten wollen, den Kuchen zu essen und gleichzeitig zu behalten. Soll heißen: über eine Partnerschaft auf Zeit eine Familie zu haben, aber später jederzeit aussteigen zu können, ohne dass eine Vermögensbeteiligung, ein Rentenausgleich und eine Unterhaltspflicht bestehen.
Tatsache ist aber, dass hierzulande die Hauptlast der Kindererziehung immer noch die Frauen zu tragen haben. Während Männer, jedenfalls bisher, die Kinder auch nicht bekommen und hinsichtlich ihres beruflichen Fortkommens durch den Nachwuchs kaum Nachteile erfahren. Das ist der entscheidende Unterschied zu den französischen Nachbarn, deren Pacte civil de solidarité laut den Hamburger Grünen Vorbild der Ehe light ist.
Für Anjes Tjarks von der GAL ist das allerdings kein Problem: "Wir gehen davon aus, dass die Frauen, die sich zu einer solchen Aufteilung entschließen, weiterhin eine klassische Ehe eingehen würden. Der Zivilpakt ist auf die aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse zugeschnitten, die nicht nur dem demografischen Wandel, sondern vor allem auch der Emanzipation geschuldet sind." Er stellt klar, dass eine solche Ehe light natürlich voraussetze, dass in einer Partnerschaft mit Kindern beide Partner berufstätig sind und ein Einkommen erzielen. "Der Zivilpakt will diejenigen privilegieren, die gemeinsam Verantwortung für eine Partnerschaft und für Kinder übernehmen - auch, wenn sie eine lebenslange Bindung dabei nicht versprechen können oder wollen."
Festhalten und weitersuchen!
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass es gerade die Grünen waren, die die Gleichstellung der "Homo-Ehe" mit der Ehe zwischen Mann und Frau auf allen Ebenen vehement betrieben haben. Während das ursprüngliche Modell keinen Versorgungsausgleich und kaum Unterhaltspflichten kannte, wurde die eingetragene Lebenspartnerschaft 2005 insoweit der Ehe gleichgestellt.
Und auch den Vermögensausgleich bei Beendigung der Partnerschaft hat der Gesetzgeber schließlich entsprechend zur Ehe gestaltet, obwohl die ursprüngliche Regelung vorsah, dass die Lebenspartner entscheiden sollten, ob sie einen Vermögensausgleich bei Beendigung ihrer Partnerschaft wollen. Und das, obwohl die schwulen und lesbischen Paare meist keine Kinder haben und deshalb das gesetzliche Versorgungsmodell entsprechend der Ehe, die traditionell noch als Kern der Familie angesehen wird, nicht passt.
Nach dem Willen der Hamburger Grünen aber sollen nun auch gleichgeschlechtliche Paare die Möglichkeit der "Lebenspartnerschaft zweiter Klasse" mit (fast) jederzeitiger Aufstiegsmöglichkeit haben.
Für das Modell können die Hamburger Grünen auch politisch nicht das Urheberrecht beanspruchen. Die Stoiber-Kritikerin Pauli hat bereits die Ehe auf Zeit propagiert. Vor ihr haben sie schon Goethe und der englische Philosoph B. Russell diskutiert. Russell meinte, dass die Beständigkeit der Ehe im Interesse der Kinder wichtig ist.
Liebe auf Zeit oder auf Ewigkeit?
Wenn man gemeinsame Kinder wünscht, und zwar gleichgültig, ob leibliche Kinder oder adoptierte, und ebenso gleichgültig, ob in einer Ehe oder eingetragenen Lebenspartnerschaft, ist Beständigkeit erforderlich. Kinder, aber auch jeder Partner, der seine Berufsaussichten zugunsten der gemeinsamen Kinder, zugleich damit aber auch im Interesse des Partners einschränkt, brauchen Sicherheit. Damit verträgt sich eine jederzeitige Ausstiegsmöglichkeit, mag sie auch noch so modern sein, nicht.
Die "Ehe light" der Hamburger Grünen entpuppt sich somit als Steuersparmodell für ehe- und lebenspartnerschaftsunwillige Paare. Was bleibt, ist der angebliche Vorteil, dass registrierte Lebensgefährten ebenso wie Ehegatten von Ärzten Auskunft über den Gesundheitszustand ihres Partners erhalten.
Auch dabei handelt es sich allerdings um einen Schnellschuss. Der Arzt verstößt gegen seine Schweigepflicht, wenn er einem Ehegatten ohne Erlaubnis des anderen Auskünfte über dessen Gesundheitszustand erteilt. Nur bei Bewusstlosigkeit eines Ehegatten kann er von einer diesbezüglichen mutmaßlichen Einwilligung ausgehen. Das ist bei Lebensgefährten nicht anders, nur lässt sich eine "Beziehung" wegen des Fehlens eines Trauscheins nur schwer nachweisen. Insofern könnte eine Registrierung im Vorsorgeregister helfen. Wieso damit auch noch steuerliche Vorteile verbunden sein müssen, lässt sich nur wahltaktisch begründen.
Wenn sich der Vorschlag der Hamburger Grünen, der auch in den eigenen Reihen Kritiker hat, durchsetzt, werden Heiratsanträge jedenfalls weniger romantisch. Oder würden Sie "Ja" sagen, wenn sie jemand fragt: "Ich liebe dich! Möchtest du mit mir einen Zivilpakt mit jederzeitiger Ausstiegsmöglichkeit eingehen?" Selbst wenn das mit dem "Partner auf Zeit" noch gut geht - das Modell "Kinder auf Zeit" funktioniert jedenfalls nicht.
Der Autor Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz ist Notar in Regen-Zwiesel und Autor zahlreicher Fachpublikationen zum Familienrecht.
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Herbert Grziwotz, Forderung der Hamburger Grünen: . In: Legal Tribune Online, 03.10.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4448 (abgerufen am: 12.12.2024 )
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