Weil nicht genügend Personal für die Sicherheitskontrollen zur Verfügung steht, kommt es am Flughafen Düsseldorf seit Wochen zu langen Warteschlangen. Tim Jülicher erklärt, was Passagiere tun können, die deshalb den Flug verpassen.
Das Gepäck ist aufgegeben und der Reisepass griffbereit, doch die Schlange vor der Sicherheitskontrolle bewegt sich nicht. Solche Szenen sind derzeit oft am Düsseldorfer Flughafen zu beobachten, obwohl der Flughafenbetreiber die Sicherheitsfirma mehrfach aufgefordert hat, mehr Personal einzustellen. Der Flughafen will nun mehr Einfluss auf die Auswahl des Sicherheitsdienstleisters nehmen. Doch wer ist eigentlich verantwortlich für die Kontrollen und was können Passagiere tun, die den Flug verpassen?
Nach § 5 Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) ist es Aufgabe der Bundespolizei, Passagiere und Gepäck zu durchsuchen. Die Sicherheitskontrolle stellt also eine hoheitliche Aufgabe dar, die weder von den Fluggesellschaften noch vom Flughafenbetreiber zu erledigen ist. Allerdings führt die Bundespolizei selbst schon lange keine Kontrollen mehr durch, sondern hat diese sukzessive an private Sicherheitsunternehmen ausgelagert.
Weil solche Dienstleister verwaltungsrechtlich als Beliehene agieren, liegt die Verantwortung weiterhin beim Staat. Trotzdem ist in jedem Fall genau zu prüfen, wen der Passagier wegen Problemen bei der Sicherheitskontrolle in Anspruch nehmen kann.
Entschädigung vom Staat
Wer als Reisender in Verdacht gerät, mit gefährlichem Handgepäck unterwegs zu sein, kann einer intensiven Kontrolle unterzogen werden. Zwar wird es in einem solchen Fall gewisse Tatsachen geben, die den Verdacht begründen, der Verdacht als solcher wird sich aber nur in den seltensten Fällen bestätigen.
Den Passagier vermag die nachträgliche Entlastung jedoch kaum zu trösten. Hat er wegen der Überprüfung seinen Flug verpasst, bedeutet dies oft nicht nur großen Ärger, sondern auch Zusatzkosten für ein Ersatzticket. Hierfür hat der Reisende regelmäßig – schon allein aus zeitlichen Gründen – in Vorleistung zu treten. Je nach Fallkonstellation kann ihm aber ein Erstattungsanspruch zustehen.
Denn wer als Verantwortlicher eines Gefahrerforschungseingriffs nach § 5 i.V.m. § 11 Abs. 1 LuftSiG in Anspruch genommen wurde, kann nach Aufopferungsgrundsätzen eine Entschädigung verlangen, sofern er die Entstehung des Gefahrenverdachts nicht zu verantworten hatte (OLG Frankfurt, Urt. v. 12. 8. 2013, Az. 1 U 276/12).
Bejaht wurde dies etwa bei einem Fluggast, der gar keine gefährlich aussehenden Gegenstände im Handgepäck mitführte. Der Gefahrenverdacht beruhte im besagten Fall allein auf seltsam anmutenden Überlagerungen im Röntgenbild. Weil zur weiteren Überprüfung kein qualifiziertes Personal vorgehalten wurde, sondern erst herbeigerufen werden musste, haftete der Staat wegen Organisationsverschuldens.
Unbedingt rechtzeitig eintreffen
Nicht immer lassen sich die Verantwortlichkeiten so klar trennen. Heikel wird es häufig etwa, wenn es um die Frage der rechtzeitigen Ankunft geht. Damit stets ausreichend Zeit für die Sicherheitskontrolle bleibt, raten Fluggesellschaften, zwei bis drei Stunden vor Abflug am Airport einzutreffen. Wurde keine Check-In-Deadline angegeben, genügt es nach der Fluggastrechteverordnung, sich 45 Minuten vor Abflug einzufinden.
Für das "rechtzeitige Einfinden" kommt es darauf an, sich in die Schlange vor dem Check-In-Schalter einzureihen. Die Airline darf den Zeitpunkt des "Einfindens" somit nicht mit der Aufgabe des Gepäcks oder der Aushändigung der Bordkarte gleichsetzen. Entsprechende AGB-Klauseln sind nach § 307 BGB unwirksam (AG Bremen, Urt. v. 26.07.2012, Az. 9 C 0091/12)
Die Beweislast für die Rechtzeitigkeit des Eintreffens liegt freilich beim Reisenden. Das macht es für Vielreisende, die online eingecheckt haben, nicht leicht: Sie sparen sich zwar den Weg zum Schalter, können ihre Ankunft am Flughafen aber weniger gut nachweisen. Wem der Nachweis misslingt, dem stehen nach der Verordnung auch keine Ausgleichs- und Ersatzansprüche zu.
2/2 Der Flughafenbetreiber haftet nur in Ausnahmefällen
Doch selbst der pünktlichste Passagier ist vor unerwarteten Verzögerungen durch die leidige Sicherheitskontrolle nicht gefeit. Mal wird gestreikt, mal zu wenig Personal eingesetzt, mal ist die Kontrolle schlecht organisiert. Juristisches Neuland betrat in dieser Hinsicht unlängst das AG Erding (Urt. v. 23.8.2016, Az. 8 C 1143/16):
Es urteilte, dass Reisenden – obwohl sie nur einen Beförderungsvertrag mit der Airline schließen – ein Schadensersatzanspruch gegen den Flughafenbetreiber zustehen kann. In der Tat lässt sich ein solcher Anspruch aus dem Bodenabfertigungsvertrag zwischen Fluglinie und Flughafenbetreiber herleiten, wenn man diesen als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter qualifiziert.
Dies funktioniert jedoch nur, soweit der verpasste Flug auf organisatorischen Fehlern im Vorfeld der Kontrolle beruht. Hintergrund ist, dass der Betreiber seinen Flughafen so zu gestalten und zu unterhalten hat, dass die Sicherheitskontrolle sachgerecht durchgeführt werden kann (vgl. § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 LuftSiG). Tut er dies nicht, haftet er nach § 280 BGB, weil dem Reisenden gerade kein gleichwertiger (d.h. kein vertraglicher) Anspruch gegen die Airline zusteht.
Resultiert die Verzögerung indes aus der Kontrolle selbst, liegt die Verantwortung nicht beim Betreiber, sondern bei der Bundespolizei bzw. den von ihr beauftragten Dienstleistern. Ihnen können und dürfen aber weder der Airportbetreiber noch die Fluggesellschaften in Eigenregie unter die Arme greifen. Denkbar ist allenfalls ein Modell wie am Frankfurter Flughafen, wo die Sicherheitskontrollen durch ein Tochterunternehmen des Flughafenbetreibers durchgeführt werden. So sichert sich der Airportbetreiber zwar einen größeren Einfluss auf Auswahl und Einsatz des Sicherheitspersonals, setzt sich zugleich aber auch einer Haftung für dessen Fehlorganisation aus.
Was tun als Passagier?
Wer seinen Flug wegen unvorhergesehener Verzögerungen bei der Sicherheitskontrolle verpasst, kann – je nach Sachverhalt – Ersatzansprüche geltend machen. Er muss sich aber unter Umständen nach § 254 BGB ein Mitverschulden anrechnen lassen.
Wer sichergehen will, pünktlich am Gate zu sein, sollte sollte deshalb unbedingt rechtzeitig am Flughafen erscheinen und im Zweifelsfall einen Puffer für die Abfertigung einplanen. Dies gilt insbesondere, wenn vorab in den Medien oder auf der Website des Flughafens oder der Airline auf Verzögerungen hingewiesen wurde.
Ein vorheriger Online-Check-In spart zwar Zeit und Nerven, erschwert mangels Schalterkontakt aber den Nachweis der Ankunft und der Bemühungen am Flughafen. Sobald sich ernsthafte Probleme ankündigen, sollte versucht werden, alle relevanten Geschehnisse mit präzisen Zeitangaben zu dokumentieren.
Wer Gefahr läuft, seinen Flieger zu verpassen, sollte nicht schicksalsergeben in der Schlange verharren. Den Fluggast trifft eine Obliegenheit, das Personal zu kontaktieren und auf die Situation aufmerksam zu machen. Wer nichts unternimmt, hat doppelt Pech: Er verpasst nicht nur den Flug, sondern muss sich im Zweifel auch noch ein Mitverschulden ankreiden lassen.
Der Autor Tim Jülicher ist Rechts- und Politikwissenschaftler. Er ist Rechtsreferendar im OLG-Bezirk Düsseldorf und (meist) zufriedener Fluggast am Düsseldorfer Airport.
Tim Jülicher, Düsseldorfer Flughafen: Ärger mit der Sicherheitskontrolle . In: Legal Tribune Online, 04.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24833/ (abgerufen am: 03.12.2023 )
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