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"Obdachloseneinweisung" in neuem Gewand: Pri­vat­woh­nungen für Flücht­linge beschlag­nahmen?

von Prof. Dr. Winfried Kluth

14.09.2015

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© p!xel 66 - fotolia.com

Wenn eine Person droht, obdachlos zu werden, dürfen Behörden Vermieter im Notfall zwingen, sie weiterhin zu beherbergen. Wie diese Rechtsprechung helfen kann, Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen, erläutert  Winfried Kluth.

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Am Wochenende dementierte die Bundesregierung nach Angaben des SWR, dass Bund und Länder die Einführung eines Gesetzes prüfen, damit leer stehende Immobilien notfalls auch zwangsweise vermietet werden können. Das hatte zuvor die ARD berichtet. Der Oberbürgermeister der niedersächsischen Stadt Salzgitter, Frank Klingebiel (CDU) und auch der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) hatten bereits vor einigen Wochen angekündigt, als ultima ratio leerstehende private Räume zu beschlagnahmen, um dort vorübergehend Flüchtlinge unterzubringen.

Viele Kommunen stehen derzeit vor ernsthaften Unterbringungsproblemen. Denn einerseits müssen sie Asylbewerbern schnell eine menschenwürdige Unterkunft gewährleisten, wie es die Genfer Flüchtlingskonvention verlangt. Andererseits haben Kommunal- und Landespolitiker vor allem der dicht besiedelten Großstadtbereiche darauf hingewiesen, dass die Kommunen kaum noch in der Lage sind, kurzfristig ausreichend Wohnraum für die Geflohenen bereitzustellen. Sogar Wohncontainer hätten Lieferzeiten von mindestens sechs Monaten.

Die "Einweisung" ungewollt obdachloser Personen oder Familien in leerstehende Privatwohnungen oder Hotelzimmer gehört zu den polizei- und prozessrechtlichen Standardfällen der juristischen Ausbildung. Bereits jetzt kommt diese im Einzelnen nicht gänzlich gefestigte Rechtsprechung auch in der Praxis regelmäßig zum Tragen.

Diese Möglichkeit kommt jedoch nur in absoluten Ausnahmefällen in Betracht und entbindet die Kommunen nicht von ihrer Pflicht, ausreichend Platz bereitzustellen oder anzumieten, wo immer das möglich ist. Zudem handelt es sich nicht um eine Dauerlösung, denn das Gesetz zwingt die Gemeinden, so schnell wie möglich Alternativen zu finden.

Die polizeirechtliche Generalklausel

Das Landesrecht hält für diese Form der "Beschlagnahme" keine besonderen Befugnisnormen vor. Vielmehr sind die Behörden auf die polizeirechtliche Generalklausel als Ermächtigungsgrundlage verwiesen. Fehlt eine Unterkunft für die Schutzsuchenden, so liegt darin grundsätzlich eine polizeirechtliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und Gesundheit der betroffenen Personen.

Zwar sind die privaten Eigentümer der leerstehenden Wohnungen oder Hotelzimmer nicht für die Entstehung der Gefahrenlage verantwortlich. Sie können jedoch auf der Grundlage der Regelungen zum polizeilichen Notstand in Anspruch genommen werden.

Diese in allen Polizei- und Sicherheitsgesetzen nahezu wortgleich normierte Ermächtigungsgrundlage stellt eine besondere Form einer gesetzlichen Pflicht zu solidarischem Verhalten dar. Nichtbeteiligte Personen können hier verpflichtet werden, persönlich oder durch die Bereitstellung von Sachen bei der Abwehr einer Gefahr mitzuwirken, wenn es für die Behörden keinen anderen Weg gibt, die Gefahr rechtzeitig zu bekämpfen.

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  • Seite 1:

    Gesetzliche Pflicht zu solidarischem Verhalten

  • Seite 2:

    Nur als ultima ratio - und nur, solange es gar nicht anders geht

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Zitiervorschlag

"Obdachloseneinweisung" in neuem Gewand: . In: Legal Tribune Online, 14.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16885 (abgerufen am: 19.11.2025 )

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