40 internationale Topspielerinnen, darunter die deutsche Weltfußballerin Nadine Angerer, haben Klage gegen die FIFA eingereicht. Sie wollen verhindern, dass die Spiele der Frauenfußball-WM 2015 in Kanada auf Kunstrasen ausgetragen werden. Der sei nicht nur verletzungsträchtig, sondern gar diskriminierend. Alexander Hettel bezweifelt, dass Kunstrasen gegen Menschenrechte verstoßen kann.
Eine Männer-Weltmeisterschaft würde nie auf Kunstrasen gespielt werden. So argumentieren die 40 Klägerinnen in ihrer Klage, welche sie am Samstag beim Human Rights Tribunal in Toronto einreichten. Sie verlangen, dass der Kunstrasen in den Austragungsorten gegen Naturrasen ausgetauscht wird oder die Spiele in Stadien mit Naturrasen verlegt werden. Gestützt auf den Ontario Human Rights Code bezeichnen sie den Einsatz von Kunstrasen als zweitklassig, diskriminierend und illegal.
Damit wenden die Kickerinnen sich gegen eine Entscheidung des Weltfußballverbands FIFA (Fédération Internationale de Football Association) und des kanadischen Fußballverbands CSA (Canadian Soccer Association), bei der nächsten Frauenfußball-WM, die vom 6. Juni bis zum 5. Juli 2015 in Kanada ausgetragen werden wird, die Spiele auf Kunstrasen stattfinden zu lassen.
Wegen schwieriger geographischer und klimatischer Bedingungen will die FIFA auf Naturrasen verzichten. Die Verlegung und Instandhaltung von Kunstrasen sei zum einen kostengünstiger, zum anderen sei die Rasenfläche von gleichmäßigerer Qualität, da der Kunstrasen ganzjährig und witterungsabhängig bespielbar sei.
Angerer: "Der Platz in Vancouver ist eine Frechheit"
Profis berichten von einem geänderten Spielfluss auf Kunstrasenplätzen, da Pässe seltener versprängen und präziser gespielt werden könnten. Auch komme Kunstrasen antrittsschnellen Spielern entgegen, da er den Sportlern mehr Halt biete als natürlicher Untergrund.
Buchstäblich in die andere Richtung wird von den Gegnern des künstlichen Grüns das letztgenannte Argument genutzt: Aufgrund der Härte des Untergrunds berge Kunstrasen eine höhere Gefahr für Bänder- und Gelenkverletzungen. Außerdem schrecke die Angst vor Hautabschürfungen die Spieler ab, spektakuläre Grätschen oder Flugkopfbälle auszuführen, so dass die Attraktivität des Spiels verloren gehe. So klagte Nadine Angerer dem Sport-Informations-Dienst: "Der Platz in Vancouver beispielsweise ist eine Frechheit, das ist Beton. Die Verletzungsgefahr ist riesig.“
In ihrer Klage stützen sich die Spielerinnen neben dieser mutmaßlich erhöhten Verletzungsgefahr auch darauf, dass eine "zweitklassige Spielfläche" dem ersten Anschein nach eine Diskriminierung des Frauenfußballs darstelle. Die Klage ist damit zugleich ein Angriff auf die für WM-Turniere geltenden Ausführungsbestimmungen.
Das Gesetz der FIFA
Auch wenn manchem die FIFA durch ihr machtbewusstes Auftreten als quasistaatliche Institution erscheinen mag, handelt es sich bei ihr um einen Verband, genauer einen Verein schweizerischen Rechts. Die von ihr in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen nationalen Organisationskomitee ausgerichteten Fußball-Weltmeisterschaften sind daher im Grundsatz private Veranstaltungen. Die Veranstalter können die Turniere nach ihrem Gusto mit den Instrumentarien des Privatrechts ausgestalten. Grundlage dieser Rechtssetzungsbefugnis ist die Vereinsautonomie, die in der Schweiz wie auch in Deutschland (Art. 9 Grundgesetz, § 25 Bürgerliches Gesetzbuch) hohen Schutz genießt.
Die Verfassung jeder WM-Endrunde bildet das sogenannte WM-Reglement, das regelmäßig schon vor den Qualifikationsspielen erlassen wird. Als verbandsinterne Wettkampfordnung regelt es Austragungsmodus und Spielregeln der Weltmeisterschaft sowie die Rechte, Pflichten und Verantwortlichkeiten aller WM-Teilnehmer. Die qualifizierten Nationalverbände, bislang bereits 14 Mannschaften, darunter Deutschland, Brasilien und die amtierenden Weltmeisterinnen aus Japan, sind als unmittelbare FIFA-Mitglieder schon kraft Mitgliedschaft an das WM-Reglement gebunden.
Für die einzelnen Spielerinnen gilt das Reglement aber nicht schon durch Berufung in den Nationalmannschaftskader. Sie erkennen die geltenden Regularien, damit auch die Rechtsetzungs- und Sanktionsbefugnis der FIFA, vielmehr vor ihrer Teilnahme rechtsgeschäftlich an. Allerdings hängt ihre Spielberechtigung bei der WM davon ab, dass sie den Regelanerkennungsvertrag abschließen. Wer sich nicht mit den Spielregeln einverstanden erklärt, erhält keine Teilnahmeerlaubnis.
Fußballerinnen gegen FIFA-Reglement: . In: Legal Tribune Online, 06.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13401 (abgerufen am: 04.10.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag