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"Feuerwehrführerschein": Wenn Retter zum Risiko werden

Prof. Dr. Dieter Müller

08.09.2010

Feuerwehrauto

© K. Krueger - fotolia.com

Der Bundesrat empfahl mit Beschluss von Anfang Juli dem Bundestag, den gerade erst gesetzlich eingeführten "Feuerwehrführerschein" nochmals zu erweitern. Einsatzfahrer von Feuerwehren, Rettungsdiensten und technischen Hilfsdiensten sollen zukünftig ohne eine allgemeine Fahrerlaubnis Lkw bis zu 7,5 t fahren. Ein riskantes Unterfangen. Von Prof. Dr. Dieter Müller

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Freiwillige Feuerwehren und Rettungsdienste beklagten sich seit vielen Jahren bei der Politik, dass durch das rigide EU-Fahrerlaubnisrecht viele ihrer Mitarbeiter mit ihrem Pkw-Führerschein keine Einsatzfahrzeuge mehr fahren dürfen. Der Pkw-Führerschein der Klasse B erlaubt nämlich nur das Führen von Kraftfahrzeugen bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von 3,5 t. Viele Einsatzfahrzeuge von Feuerwehr und Rettungsdienst sind aber schwerer, so dass zum Führen dieser Fahrzeuge nach der Fahrerlaubnis-Verordnung die Klasse C1 erforderlich wäre.

Der Erwerb der Klasse C1 ist jedoch ungleich teurer als der Erwerb der Klasse B, so dass viele potenzielle Einsatzfahrer von Freiwilligen Feuerwehren und Rettungsdiensten, aber auch des THW keine schwereren Einsatzfahrzeuge mehr fahren durften. Welcher ehrenamtlich tätige Feuerwehrkamerad, so die nahe liegende Argumentation, würde schon in sein Hobby erst einmal mehrere Tausend Euro investieren, um ein Feuerwehrfahrzeug im Einsatz fahren zu dürfen?

Die beharrlich bei Politikern in Bund und Länder vorgetragenen Klagen hatten im letzten Jahr Erfolg. Die deutsche Verkehrspolitik schuf in der Vorschrift des § 2 Abs. 10 StVG eine Sonderfahrberechtigung. Sie erlaubt den Einsatzfahrern das Führen von Fahrzeugen bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von 4,75 t, ohne zuvor eine Fahrerlaubnis der Klasse C1 erworben zu haben. Voraussetzung ist lediglich der zweijährige Besitz der Fahrerlaubnisklasse B (Pkw-Führerschein). Zur Begründung für diese Ausnahmeregelung wurde von der Politik angegeben, nur auf diese Weise die Einsatzbereitschaft der Hilfsdienste wiederherstellen zu können.

Eine Ausbildung, die keine ist

Das praktische Verfahren der Erteilung dieses so genannten "Feuerwehrführerscheins", der eine zwar aus Sicht der Verkehrssicherheit bedenkliche, aber grundsätzlich erlaubte Ausnahme vom EU-Recht darstellt, richtet sich nach der in dem jeweiligen Bundesland erlassenen Ausführungsverordnung wie zum Beispiel derjenigen des Freistaates Bayern vom 8.10.2009.

In deren Ordnungsrahmen ist auch die vorab zu absolvierende Ausbildung geregelt, die diese Bezeichnung allerdings nicht verdient. Demnach müssen die Fahrschüler in Bayern mindestens 4 Stunden zu jeweils 45 Minuten Theorie und Praxis lernen, um an deren Ende eine 45 Minuten dauernde Prüfungsfahrt zu absolvieren. Diese aus Sicht der Verkehrssicherheit zeitlich und inhaltlich viel zu gering bemessene Beschulung erfolgt – im Straßenverkehrsgesetz ausdrücklich festgelegt – nur organisationsintern, d. h. regelmäßig ohne die Beteiligung professioneller Fahrlehrer.

Besonders bemerkenswert: Die Lern- und Prüfungsinhalte der bayerischen Ausführungsverordnung umfassen keinerlei (!) theoretische und praktische Einweisungen in die Thematik Einsatzfahrten unter Gebrauch von Sondersignalen. Folge: Den täglichen Anforderungen der Einsatzpraxis, die nach einer Alarmierung regelmäßig das unfallfreie Absolvieren einer Blaulichtfahrt erfordert, werden diese Ausbildungsvorschriften nicht gerecht.

Klartext: Man tut den zukünftigen Einsatzfahrern keinen Gefallen, wenn man ihnen suggeriert, sie seien in der Lage, ein Einsatzfahrzeug professionell zu fahren aufgrund dieser "Schnellbesohlung", die nichts anderes als eine Umsetzung des Grundsatzes "learning by doing" ins deutsche Fahrerlaubnisrecht bedeutet. Potenzielle Einsatzfahrer werden auf ihre Einsatzfahrten daher nur sehr unvollkommen vorbereitet – ein Versäumnis, das vom Bundesgesetzgeber und dem jeweiligen Verordnungsgeber des Bundeslandes zu verantworten ist.

Zwischenfazit

Seit Einführung der gesetzlichen Neuregelung erhalten junge Mitarbeiter von Feuerwehr und Rettungsdienst eine Fahrberechtigung für Einsatzfahrzeuge bis 4,75 t, ohne über eine Fahrerlaubnis der Klasse C1 zu verfügen und ohne deren umfangreiche theoretische und praktische Schulung in einer Fahrschule erfolgreich absolviert zu haben.

Anstatt den Einsatzorganisationen für ihre Fahrer das Geld für den Erwerb von Fahrerlaubnissen der Klasse C1 zur Verfügung zu stellen, schaffte der Staat eine für alle Seiten kostenfreie Ausnahmeregelung – zu Lasten der Verkehrssicherheit.

Bei Verkehrsunfällen mit Blaulichtfahrzeugen sollte also künftig stets gefragt werden, ob der jeweilige Einsatzfahrer über eine reguläre Fahrerlaubnis der Klasse C1 oder lediglich über eine von der Organisation erteilte Fahrberechtigung verfügt.

Die Ausnahme soll nochmals getoppt werden

Die Einsatzorganisationen haben zwischenzeitlich festgestellt, dass zahlreiche ihrer Einsatzfahrzeuge eine zulässige Gesamtmasse von mehr als 4,75 t haben und sie noch immer nicht über genügend Fahrer für diese schweren Lkw verfügen. Sie haben aus ihrem schnellen Erfolg gelernt und fordern daher, unterstützt durch die Bundesländer, nun eine nochmalige Ausweitung ihrer Kompetenzen.

Die neuerliche Bundesratsinitiative, die die Erteilung von Sonderfahrberechtigungen auf Lkw bis 7,5 t ausweiten will, verschärft die Problematik aus Sicht der Verkehrssicherheit nochmals.

Unter ausdrücklichem Verzicht auf eine Fahrschulausbildung durch qualifizierte Fahrlehrer sollen zukünftig Einsatzfahrer von Feuerwehr- und Rettungsdienstfahrzeugen gerade die gefährlichen Blaulichtfahrten erlaubt werden, für die eine gründliche Führerscheinausbildung in Theorie und Praxis zwingend notwendig wäre.

Noch eine Idee

Warum beschwert sich eigentlich nicht aus Gründen der Gleichheit vor dem Gesetz das Transportgewerbe bei der Verkehrspolitik und verlangt die Schaffung einer organisationsinternen Sonderfahrberechtigung für Lkw bis 7,5 t zulässiger Gesamtmasse? Die durch den Verzicht auf eine Fahrschulausbildung ihrer Lkw-Fahrer gesparten Finanzen könnten dann gewinnbringend in die Erneuerung des Fuhrparks investiert werden, was letztendlich auch der Verkehrssicherheit dienlich wäre.

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Dieter Müller, "Feuerwehrführerschein": . In: Legal Tribune Online, 08.09.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1411 (abgerufen am: 09.11.2025 )

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