Mancher Facebook-Nutzer dürfte spätestens dann von seiner "Bekanntheit" überwältig sein, wenn sich zu seinem Geburtstag vor dem Gartentor eine tausendköpfige Gratulantenschar einfindet. Der per Mausklick ausgelöste Ansturm wird spätestens dann zum Rechtsproblem, wenn die angerückte Polizei ihre Einsatzkosten per Gebührenbescheid eintreibt, meint Fredrik Roggan.
Thessa ist zu unliebsamer Berühmtheit gelangt: Sie wollte mit ein paar Freunden ihren 16. Geburtstag in einem beschaulichen Wohngebiet in Hamburg-Bramfeld feiern und es kamen 1600 Feierwütige, die das Mädchen, ohne es bemerkt zu haben, über Facebook eingeladen hatte. Auch in Wuppertal endete eine solche Party fatal: 14 Personen wurden verletzt und 41 junge Feierwütige nahm die Polizei vorübergehend in Gewahrsam. Die Innenminister vieler Länder schlugen Anfang Juli dieses Jahres daher vor, solche Facebook-Partys zu verbieten, wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet wird.
So einfach die Mitteilung über die Gartenparty per Mausklick auch ist, so sehr kann sich der an der falschen Stelle gesetzte Haken als verhängnisvoller Fehler herausstellen: Wer nicht nur seine Freunde einlädt, sondern die gesamte Netzgemeinde, kann von seiner vermeintlichen Prominenz durchaus überrannt werden. Wenn eine solche Feier dann außer Kontrolle gerät und Schäden in der Nachbarschaft ebenso wie ein größerer Polizeieinsatz hervorgerufen werden, stellt sich die Frage nach der "Einlader-Haftung".
Erst jüngst sollen im Saarland durch eine Facebook-Party Kosten in Höhe von 115.000 Euro angefallen sein – alleine für den Einsatz von 160 Einsatzkräften der Polizei. Hinzu kommen geschätzte Sachschäden in Höhe von 50.000 Euro. Regelmäßig stellt sich nach solchen Ereignissen die Frage, ob man den Auslöser solcher Aufläufe per Gebührenbescheid an den Polizeikosten beteiligen kann.
Die Rechtsfigur des Zweckveranlassers
Das Polizeirecht kennt die - durchaus umstrittene - Figur des Zweckveranlassers. Darunter versteht insbesondere die Rechtsprechung jeden, der die öffentlichen Sicherheit nicht selbst stört oder gefährdet, der aber Dritte hierzu veranlasst, obwohl sein Verhalten selbst rechtmäßig ist. Als zusätzliche Voraussetzung muss er mit seinem Verhalten die Störung subjektiv bezweckt haben oder sie ist in objektiver Hinsicht typischerweise und zwangsläufig die Folge.
Zu einer so verstandenen Störerhaftung gehört auch, dass dem Veranlasser jedenfalls teilweise die Kosten für den Einsatz der Polizei aufgebürdet werden können. Aus eben diesem Grunde wird im Zusammenhang mit Bundesligaspielen immer wieder - und in Zeiten leerer Haushaltskassen verstärkt - diskutiert, in welchem Umfang man den Vereinen die Kosten für die erforderlichen Polizeieinsätze in Rechnung stellen kann.
Voraussetzung für eine finanzielle Inanspruchnahme eines Bürgers, der die Störung zumindest mittelbar verursacht hat, ist, dass sich im entsprechenden Landesrecht ein passender Gebührentatbestand findet.
Party abgesagt und trotzdem kommen Gäste
Es mag auf den ersten Blick durchaus charmant erscheinen, dem Initiator einer Facebook-Party zumindest die Kosten für den Polizeieinsatz aufzuerlegen. Immerhin haben sie die erste Ursache dafür gesetzt, dass es zu den häufig unfriedlichen Menschenansammlungen kam. In rechtlicher Hinsicht indessen ist die Sache komplizierter.
Ein Betroffeneer kann als Zweckveranlasser nur dann – auch finanziell – in Anspruch genommen werden, wenn es ihm auf das den Polizeieinsatz auslösende Ereignis gerade ankam. Eine solche Feststellung lässt sich in den "Facebook-Fällen" häufig nicht hinreichend sicher treffen. Im Saarländer Beispiel etwa soll der Einlader den an falsche Stelle gesetzten Haken in Anbetracht der vielen Anmeldungen rechtzeitig bemerkt und die Feier abgesagt haben. Es gab also keine Party. Aus diesem Grund konnte auch die örtliche Gemeinde im Vorfeld nicht die Veranstaltung verbieten.
Damit war der eigentliche Anlass für den Menschenauflauf entfallen. Oder in polizeirechtlicher Terminologie: Zumindest objektiv gab es nach der Absage der Feier keinen Zweckveranlasser mehr. Auch spricht viel dafür, dass es dem Einlader nicht darauf ankam, dass die irrtümlich vollzählig eingeladene Netzcommunity seinen 500-Seelen-Ort überrannte.
Es bleibt dabei, dass der allgemeine Steuerzahler für die Verhinderung noch schlimmerer Schäden in dem saarländischen Dorf aufkommen muss. Ihn kostet der sorgfaltswidrig falsch gesetzte Haken des Facebook-Nutzers 115.000 Euro.
Eine fahrlässige Zweckveranlassung gibt es nicht
Es ist keineswegs abschließend geklärt, wie sorgfältig die Nutzer von Sozialen Netzwerken ihre Einladungen in das Netzwerk einstellen müssen. Die häufigen Polizeieinsätze in letzter Zeit sollten zumindest viele User hellhörig und aufmerksamer werden lassen. Zahlreiche Fragen sind offen und werden vielleicht bald die Gerichte beschäftigen.
Darf man etwa durch eine für jedermann einsehbare Einladung das Risiko eingehen, dass sich eine Menschenmasse zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort zu beliebigen Zwecken zusammenfindet? Und würde man dies bejahen: Welche Pflichten bestehen für den Initiator, wenn sich eine nicht ohne weiteres beherrschbare Flut von Nutzern zu einer solchen Veranstaltung anmeldet? Oder präziser gefragt: Ab welchem Zeitpunkt darf man davon ausgehen, dass es dem Einlader gerade wichtig ist, dass es zu dem letztlich unkontrollierbaren Menschenauflauf kommt? Ungeklärt ist auch, ob durch die nachträglich Entfernung der Veranstaltung, der Initiator einer möglichen Haftung entgehen kann.
Der einladefreudigen Netzgemeinde und dem Steuerzahler stehen spannende Auseinandersetzungen über die Kosten von Polizeigroßeinsätzen in beschaulichen Wohngegenden bevor.
Der Autor Prof. Dr. Fredrik Roggan lehrt Straf- und Polizeirecht an der Polizeiakademie Niedersachsen, Nienburg (Weser).
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Facebook-Partys: . In: Legal Tribune Online, 04.08.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3926 (abgerufen am: 08.12.2024 )
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