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Facebook-Fahndung: Verbrechersuche im sozialen Netz

von Dominik Brodowski, LL.M.

15.11.2012

Das Bild zeigt die Facebook-Seite des Landeskriminalamts Niedersachsen zur Verbrechersuche und Vernetzung mit der Öffentlichkeit.

Screenshot der Facebookseite des LKA Niedersachsen

Über kein anderes Medium können in kurzer Zeit so viele Personen erreicht werden wie über Facebook. Auch die Polizei postet immer häufiger Suchen nach Straftätern in dem sozialen Netzwerk. Eine rechtlich umstrittene Praxis, der sich nun die Justizministerkonferenz annimmt. Dominik Brodowski plädiert dafür, die Facebook-Fahndung zu erlauben, wenngleich zurückhaltend damit umgegangen werden sollte.

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Eine Öffentlichkeitsfahndung nach einem Straftäter oder einem Zeugen ist nur dann effektiv, wenn sie von dessen Umfeld auch wahrgenommen wird. Klassische Fahndungsmittel wie Plakate in Glaskästen auf den Fluren der Gerichte, Anzeigen in den Printausgaben der Tageszeitungen und Fernsehsendungen wie "Aktenzeichen XY – ungelöst" erreichen immer weniger Menschen. Die Mediennutzung vor allem der jüngeren Generationen hat sich zu sehr geändert. Ganz anders dagegen das Internet und insbesondere soziale Netzwerke. Was liegt also näher als eine Fahndung via Facebook?

Bei einem Modellversuch der Polizeidirektion Hannover im letzten Jahr konnten über Fahndungsaufrufe in dem sozialen Netzwerk wertvolle Hinweise für eine Handvoll von Ermittlungsverfahren gewonnen werden: So half die Fahndung über Facebook bei der Aufklärung eines Sexualdelikts und mehrerer gefährlicher Körperverletzungen. Die Polizei sprach von einem Erfolg. Niedersachsen, Hessen und Thüringen verbreiten weiterhin gelegentlich Fahndungsaufrufe und -fotos über Facebook.

Dabei stoßen die Ermittler jedoch auf zwei rechtliche Schwierigkeiten: eine bundeseinheitliche Verwaltungsvorschrift, die so genannten Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) und den Datenschutz, wobei Facebook nicht dem strengen deutschen Datenschutzrecht unterliegt; die Nutzer erklären sich vielmehr mit der Geltung des US-amerikanischen Rechts für einverstanden.

Fahndungsplakat auf Facebook kann nicht abgehängt werden

Was soll mit dem Aufruf an die Öffentlichkeit geschehen, wenn die Fahndung abgeschlossen ist – wenn die Polizei also den Gesuchten ausfindig machen konnte? Ein Fahndungsplakat kann problemlos abgehängt werden; im Internet und insbesondere in sozialen Netzwerken ist dies deutlich schwieriger. Die Polizeibehörden behalfen sich in der Vergangenheit damit, dass sie den eigentlichen Aufruf samt Fotos nur auf ihrer eigenen Webseite online stellten, und von Facebook aus darauf verlinkten. So konnten sie die Bitte um Mithilfe einfach wieder aus dem Netz nehmen.

Viel spricht dafür, eben diesen Weg einer Datenspeicherung allein auf Servern der Polizei auch in Zukunft zu beschreiten – genau das forderten auch die Landesbeauftragten für den Datenschutz auf ihrer  Konferenz am 7. und 8. November 2012.

Doch selbst dann können Fotos kopiert und über das Ende der Fahndung hinaus im Internet verbreitet werden. Auch besteht die Gefahr, dass in den auf Facebook geposteten Kommentaren die Zeugen oder Verdächtigen namentlich benannt werden – und alle Welt kann für immer erfahren, wer da von der Polizei gesucht wurde. Was dies für den Zeugen oder auch für – vielleicht zu Unrecht – Verdächtige bedeuten kann, ist leicht auszumalen.

StPO ist an dieser Stelle technikneutral

Die Facebook-Fahndung bewegt sich in einem Spannungsfeld: Einerseits sucht die Polizei möglichst breite öffentliche Aufmerksamkeit, um Fahndungserfolge zu erzielen. Andererseits nimmt die Belastung für die Gesuchten – und dies können auch unbeteiligte, unverdächtige Zeugen sein – zu, je mehr sie in das Blickfeld der Öffentlichkeit geraten.

Die Polizei muss abwägen zwischen ihrem eigenen Interesse an einer erfolgreichen Fahndung und den Persönlichkeitsrechten der Gesuchten. Die Strafprozessordnung (StPO) lässt eine Öffentlichkeitsfahndung ohnehin nur bei Straftaten von erheblicher Bedeutung zu, wie Mord und Totschlag (§§ 131 ff. StPO); außerdem muss in den meisten Fällen ein Richter ihr zustimmen.

Die StPO ist übrigens an dieser Stelle technikneutral formuliert und steht einer Nutzung von Facebook daher nicht im Wege. Das eigentliche strafprozessuale Problem findet sich an versteckterer Stelle, in Punkt 3.2 der Anlage B zu den RiStBV. In dieser Verwaltungsvorschrift haben die Justizminister des Bundes und der Länder vereinbart, dass private Internetanbieter – wie Facebook – für eine Fahndung "grundsätzlich nicht eingeschaltet werden" sollen.

"Handlungsbedarf prüfen"

Wie jeder Jurastudent im ersten Semester lernt, bedeutet "grundsätzlich" unter Juristen kein vollständiges Verbot: Ausnahmen sind möglich. So konnten auch die genannten Modellversuche in Hannover und andernorts durchgeführt werden. Eine regelmäßige Fahndung über Facebook verwehren die RiStBV den Ermittlern aber derzeit.

Der Beschlussvorschlag, den Hessen für die Justizministerkonferenz ausgearbeitet hat, sieht einen Arbeitsauftrag an den Strafrechtsausschuss der Konferenz vor, den "Handlungsbedarf zu prüfen". Hamburgs Justizsenatorin Jana Schiedek zeigte sich insoweit skeptisch. Es gäbe gute, datenschutzrechtliche Gründe, warum private Internetanbieter nur ausnahmsweise in eine Öffentlichkeitsfahndung einbezogen werden.

Mit einer Streichung des grundsätzlichen Verbots der Zusammenarbeit mit privaten Internetanbietern in der RiStBV wäre es jedenfalls nicht getan. Damit wären die datenschutzrechtlichen Bedenken noch nicht berücksichtigt, die mit einer Fahndung in sozialen Netzwerken verbunden sind. Um diese aufzugreifen, sollten in die RiStBV klare Vorgaben aufgenommen werden, unter welchen besonderen Voraussetzungen eine Fahndung via Facebook gestattet ist. Denn auch zukünftig muss mit diesem Fahndungsmittel zurückhaltend und sorgsam umgegangen werden, damit die Rechte von Beschuldigten und vor allem die Persönlichkeitsrechte bloßer Zeugen gewahrt bleiben.

Der Autor Dominik Brodowski, LL.M. (UPenn) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Wirtschaftsstrafrecht (Prof. Dr. Joachim Vogel) an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Dozent im berufsbegleitenden Master-Studiengang "Digitale Forensik".

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Facebook-Fahndung: . In: Legal Tribune Online, 15.11.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7553 (abgerufen am: 13.11.2025 )

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