AfD-Europawahlkandidat Gunnar Beck: Weder Pro­fessor noch "Fach­an­walt für Euro­pa­recht"

Der Europawahlkandidat der AfD Gunnar Beck bezeichnet sich, auch auf dem Stimmzettel, als Professor und präsentiert sich als "Fachanwalt für Europarecht". Beides stimmt nicht. Beides ist rechtswidrig. Beck sieht das anders. 

Auf den Stimmzetteln zur Europawahl steht für die Alternative für Deutschland (AfD) auf Platz 10: Prof. Dr. Gunnar Beck, Hochschuldozent, Barrister-at-Law für EU-Recht, Neuss. Auf der Internetseite der AfD heißt der Wahlkandidat seit heute: DPhil Barrister-at-Law Gunnar Beck.

Das ist nicht das Gleiche und – wie zuerst der Verfassungsblog berichtete – darf sich Beck nicht als Professor bezeichnen. Beck bezeichnete sich außerdem als Fachanwalt für Europarecht in London – auch das dürfte rechtswidrig sein. Er selbst ließ über die AfD mitteilen, er habe "juristisch einwandfrei und in der Übersetzung seiner Berufsbezeichnungen inhaltlich richtig gehandelt".

Strafrechtler: "Ausländischer Hochschulgrad darf nicht übersetzt werden"

Beck unterrichtet als sogenannter "Reader in Law" an der SOAS University of London europäisches Recht und Rechtstheorie. Er erwarb in Oxford den Titel DPhil (Doctor of Philosophy). Beck gehört zum akademischen Personal, führt aber an der Universität nicht den Titel eines Professors.

In einer Stellungnahme erklärte Beck am Dienstag, der Titel des "Reader" sei in Großbritannien nur noch selten gebräuchlich und werde inzwischen an vielen Universitäten durch die Bezeichnung Associate Professor, Professor oder zuweilen Titular Professor ersetzt. Die Übersetzung "Professor" sei insofern zutreffend, da es stets offensichtlich gewesen sei, dass er in Großbritannien und nicht in Deutschland arbeite.

Eine bloß sinngemäße Übersetzung wäre allerdings unzulässig. "Jeder, der in Deutschland einen ausländischen Titel führen will, muss selbst prüfen lassen, ob er dazu auch berechtigt ist", erklärte Erik Kraatz, Strafrechtsprofessor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, gegenüber LTO.

"Im Inland darf ein ausländischer Hochschulgrad grundsätzlich nur geführt werden, wenn er in der gleichen Form geführt wird, in der er auch im Ausland verliehen worden ist, also genauso wie er in der Verleihungsurkunde steht", so Kraatz. "Insbesondere darf ein ausländischer Hochschulgrad grundsätzlich nicht in sein vermeintliches deutsches Pendant übersetzt werden." Das zuständige Ministerium für Kultur und Wissenschaft in Nordrhein-Westfalen teilte auf LTO-Anfrage mit, dass ein im Ausland erlangter Hochschultitel – hier der erwähnte Titel "Reader" nach § 69 Abs. 4 iVm Abs. 2 Satz 5 des Hochschulgesetzes NRW nicht in einen entsprechenden inländischen Hochschultitel umgewandelt werden kann. "Unabhängig von der Wertigkeit des englischen "Reader" kommt damit eine Titelführung in der Form "Prof." oder gar "Professor" nicht in Betracht, heißt es wörtlich in der Mail der Sprecherin an LTO.*

Werde nicht gekennzeichnet, dass es sich um einen im Ausland erworbenen Titel handelt, könne das eine Strafbarkeit nach § 132a Strafgesetzbuch begründen, so Kraatz weiter. Gem. § 132a StGB macht sich strafbar, wer unbefugt inländische oder ausländische akademische Grade oder Titel führt. "Hier würde es dann maßgeblich darauf ankommen, ob der Titel-Führende eventuell einem Irrtum unterlag."

Beck selbst verwendet die Bezeichnung Professor nicht immer. So trat er zwar in einer Sachverständigenanhörung im Bundestag Anfang dieses Jahres als Prof. Dr. auf, verwendete 2017 als Bevollmächtigter vor dem Bundesverfassungsgericht aber lediglich die Bezeichnung Dr. Gunnar Beck, ohne einen Professorentitel anzugeben.

AfD: "Vermutlich ein Versehen"

Wie aber kam diese Bezeichnung überhaupt auf den Stimmzettel?

Beck erklärte, er habe auf der "Zustimmungserklärung mit den Versicherungen an Eides statt von Bewerbern eines Wahlvorschlags", die jeder Kandidat unterschreiben muss, weder seinen Dr.-Titel noch "Professor" als Berufsbezeichnung, sondern lediglich "Gunnar Beck" angegeben. In der Zeile "Beruf" habe er "Hochschuldozent und Barrister für EU-Recht" eingetragen.

Der Bundeswahlleiter bestätigte gegenüber LTO, dass sich auf der Zustimmungserklärung weder der Prof.- noch der Dr.-Titel finden. Dagegen sei Beck auf dem Wahlvorschlag der AfD als "Prof. Dr." geführt worden." Man habe deshalb bei der AfD schriftlich nachgefragt, ob der Titel geführt werden solle oder nicht. Die Vertrauensperson der AfD habe den Titel, also die Nennung als "Prof. Dr. Gunnar Beck" daraufhin ausdrücklich bestätigt.

Die AfD erklärte gegenüber LTO, es handele sich vermutlich um ein Versehen der Bundesgeschäftsstelle bei der Übertragung der betreffenden Daten.

"Fachanwalt für Europarecht": zumindest ein Wettbewerbsverstoß

Bei Auftritten im Wahlkampf stellte Beck sich zudem als "Fachanwalt für Europarecht in London" vor. Diese Aussage ist zunächst schlicht falsch, denn einen Fachanwalt für Europarecht gibt es nicht. Die in der Fachanwaltsordnung (FAO) geregelte Liste der Fachanwaltschaften ist abschließend, einen Fachanwalt für Europarecht enthält sie nicht.

Diese Aussage ist aber auch rechtswidrig. Strafrechtlich relevant dürfte es für sich betrachtet noch nicht sein, sich als Fachanwalt auszugeben. Der Straftatbestand von § 132a StGB wird dadurch nicht originär erfüllt, da es sich beim Fachanwalt, anders als beim Rechtsanwalt, nicht um eine Berufsbezeichnung im Sinne von § 132a Abs. 2 handelt.

Allerdings kann eine Zusatzausbildung zum Fachanwalt überhaupt nur absolvieren, wer in Deutschland zugelassener Anwalt ist.  Aus Sicht von Martin W. Huff von der Rechtsanwaltskammer Köln erweckt, wer in deutscher Sprache einen Fachanwaltstitel verwendet und für sich in Anspruch nimmt, daher auch den Eindruck, Rechtsanwalt zu sein. Das wiederum könnte den objektiven Tatbestand von § 132a Abs. 2 StGB erfüllen, sofern Beck zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt hätte. In der Vorstellung als Fachanwalt liegt zumindest ein klarer Verstoß gegen Wettbewerbsrecht; und zwar unabhängig davon, dass Beck dem "Fachanwalt für Europarecht" den Zusatz "in London" hinzugefügt hat, stellt Berufsrechtler Huff klar. Das englische Recht kenne nämlich keine Fachanwaltschaften oder sonstigen formalisierten Spezialisierungen für Anwälte. Was nicht existiert, kann man schon rein logisch auch nicht übersetzen.

*Anm. d. Red.: Statement des NRW-Ministeriums nachgetragen kurz nach der Veröffentlichung des Artikels, um 18:11 Uhr.

Zitiervorschlag

Markus Sehl, AfD-Europawahlkandidat Gunnar Beck: . In: Legal Tribune Online, 14.05.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35373 (abgerufen am: 14.10.2024 )

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