Millionen-Bußgeld für Facebook: Brüssel zieht die Zügel an

von Christoff Soltau, LL.M. (King's College London) und Frédéric Crasemann

26.05.2017

110 Millionen Euro Strafe verhängte die Europäische Kommission gegen Facebook, weil das Unternehmen falsche Angaben beim Kauf von Whatsapp machte. Christoff Soltau und Frédéric Crasemann zur ersten dieser Geldbußen seit 2004.

Die Bußgeld-Entscheidung der Europäischen Kommission gegen Facebook ist ein deutlicher Fingerzeig an die Unternehmenswelt. Facebook zahlt 110 Millionen Euro, weil es im Rahmen des Fusionskontrollverfahrens zur Übernahme von Whatsapp im Jahr 2014 unzutreffende Angaben machte. Es ist die erste Entscheidung dieser Art seit 2004 – und möglicherweise der Auftakt zu einer Reihe von vergleichbaren Maßnahmen.

Die Kommission scheint fest entschlossen, den Verfahrensregeln der europäischen Fusionskontrolle die nötige Aufmerksamkeit zu verschaffen. Unternehmen sollten sich entsprechend aufstellen.

Die Facebook-Entscheidung

Facebook hatte im August 2014 bei der Kommission die Erlaubnis beantragt, den Nachrichtenservice Whatsapp zu übernehmen. In dem Antrag hatte Facebook angegeben, dass es nicht zum zuverlässigen automatischen Datenabgleich zwischen den Benutzerkonten beider Dienste in der Lage sei. Auf Nachfrage der Kommission hatte Facebook diese Angabe im späteren Verfahrensverlauf noch einmal bestätigt. Der Freigabe des Zusammenschlusses im Oktober 2014 folgte die Offenbarung. Was im Genehmigungsantrag noch für ausgeschlossen erklärt wurde, war im August 2016 auf einmal möglich: Die Verknüpfung von Telefonnummern der Whatsapp-Nutzer mit den jeweiligen Facebook-Nutzerprofilen.

Die Kommission eröffnete daraufhin ein Verfahren, das nun in der Geldbuße seinen Abschluss fand. Die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager begründete die Strafzahlung wie folgt:

"Der heutige Beschluss ist eine deutliche Botschaft an Unternehmen, dass sie die EU-Fusionskontrollvorschriften einhalten müssen, darunter auch die Verpflichtung, sachlich richtige Angaben zu machen. Aus diesem Grunde sieht er eine angemessene und abschreckende Geldbuße gegen Facebook vor. Die Kommission muss sich beim Erlass ihrer Beschlüsse über die Auswirkungen von Zusammenschlüssen auf den Wettbewerb auf umfassende und präzise Informationen stützen können."

Rechtliche Grundlage

Um Zusammenschlüsse ordnungsgemäß und fristgerecht beurteilen zu können, muss die Kommission alle erforderlichen Auskünfte und Informationen einholen können. Im Falle von vorsätzlich oder fahrlässig getätigten unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Angaben in einem Fusionskontrollverfahren darf die Kommission gemäß Art. 14 Abs. 1 Fusionskontrollverordnung gegen das Unternehmen eine Geldbuße von bis zu einem Prozent des weltweiten Umsatzes verhängen.

Für die genaue Festsetzung der Geldbuße sind laut Art. 14 Abs. 3 Fusionskontrollverordnung die Art, die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen – allesamt äußerst dehnbare Begriffe, so dass die Kommission faktisch über einen weiten Ermessensspielraum verfügt. So hat die Kommission in der Vergangenheit neben dem Grad des Verschuldens auch die spätere Kooperationsbereitschaft bei der Aufklärung des Verstoßes oder die Größe und Erfahrenheit des Unternehmens ins Kalkül gezogen.

Die Prüfer können in einem Fusionskontrollverfahren marktrelevante Fragen im Übrigen auch an dritte, nicht unmittelbar beteiligte Unternehmen richten – und im Fall von Falschangaben diese dann ebenfalls mit Geldbußen belegen.

Weitere Sanktionsmöglichkeiten der Kommission

Bemerkenswert an der Facebook-Entscheidung ist, dass letztmalig im Jahr 2004 Ermittlungen der Kommission bezüglich Falschangaben liefen. Seither standen Fälle im Fokus, in denen ein Zusammenschluss ohne vorherige Anmeldung vollzogen wurde (sog. Gun-Jumping) oder in denen die betreffenden Unternehmen Bedingungen oder Auflagen einer Entscheidung der Kommission nicht eingehalten haben.

Dabei kann die Missachtung von Verfahrensvorschriften im Extremfall sogar zum Widerruf einer einmal erteilten Fusionsfreigabe führen. Ein derartiger Widerruf ist in bisher knapp 30 Jahren allerdings erst einmal vorgekommen.

Im Facebook-Fall hat die Kommission von ihrer Widerrufsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Denn bei ihrer Prüfung des Falles im Spätsommer 2014 hatte sie die wettbewerblichen Auswirkungen der Transaktion auch auf Grundlage eines (damals unterstellten) Szenarios geprüft, bei dem die Möglichkeit eines automatischen Nutzerabgleichs bestand. Das Ergebnis der damaligen Prüfung war, dass selbst in diesem Szenario keine wettbewerblichen Bedenken gegen den Zusammenschluss bestehen. Die unzutreffenden Angaben von Facebook haben sich mit anderen Worten nicht auf das Prüfergebnis ausgewirkt, so dass auch jetzt kein Anlass bestand, die Freigabeentscheidung im Ganzen zu revidieren.

Was bedeutet die Entscheidung für andere Unternehmen?

Der Facebook-Fall könnte nur der Auftakt zu einer Reihe von Entscheidungen wegen Verfahrensverstößen sein. So hat die EU-Kommissarin Vestager kürzlich erklärt, dass sie zurzeit verschiedene, bereits abgeschlossene Fusionskontrollverfahren im Hinblick darauf überprüfen lasse, ob es durch die Parteien zu Verstößen gekommen sei. Damit lenkt sie den Blick auch für andere Unternehmen auf die strikte Einhaltung der Verfahrensregeln der europäischen Fusionskontrolle.

Andere Unternehmen werden durch das Facebook-Bußgeld jedenfalls darin erinnert, dass sie ihre Verhaltenspflichten im Rahmen von Fusionskontrollverfahren nicht leichtfertig nehmen sollten. Insbesondere die Pflicht, vollständige, präzise und richtige Informationen bereitzustellen, sollten Unternehmen ernst nehmen.

Das ist mitunter leichter gesagt als getan. Denn es gehört ebenso zur Wahrheit, dass gerade die Kommission während eines Fusionskontrollverfahrens mitunter sehr umfangreiche Fragebögen unter sehr kurzen Beantwortungsfristen an die Unternehmen versendet. Eine vollständige Beantwortung ist dann oftmals eine gewaltige, nicht nur logistische Herausforderung für die Unternehmen.

Die Autoren Christoff Soltau, LL.M. (King's College London) und Frédéric Crasemann sind Rechtsanwälte bei der Kanzlei CMS Hasche Sigle in Hamburg. Sie sind auf das Kartellrecht und dort insbesondere das Fusionskontrollrecht spezialisiert.

Zitiervorschlag

Christoff Soltau, LL.M. (King's College London) und Frédéric Crasemann, Millionen-Bußgeld für Facebook: Brüssel zieht die Zügel an . In: Legal Tribune Online, 26.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23034/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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