Der Staat darf bei Ausschreibungen für öffentliche Aufträge von interessierten Unternehmen den Nachweis verlangen, dass sie umweltorientiert arbeiten, nicht jedoch die Vergabe vom Vorliegen einer speziellen Zertifizierung abhängig machen. In seinem Urteil von Anfang Mai erhöht der EuGH die Anforderungen an mögliche Zuschlagskriterien, erklärt Dominik R. Lück.
Wenn öffentliche Aufträge vergeben werden, kann der Staat grundsätzlich Umweltkriterien betreffend den Auftragsgegenstand oder auch soziale Aspekte hinsichtlich der Auftragsdurchführung vorschreiben. Ob er diese Vorgaben auch durch die bloße Forderung nach bestimmten Umweltgütezeichen machen kann, ist eine ganz andere Frage. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem Urteil vom 10. Mai 2012 entschieden, dass eine solche Forderung nicht ausreichend ist. Vielmehr habe der Auftraggeber die Pflicht, die zum Erhalt solcher Zertifizierungen erforderlichen Anforderungen detailliert zu benennen (Rs. C-368/10).
Hintergrund der Entscheidung ist ein Fall aus den Niederlanden. Dort hatte eine Vergabestelle die Lieferung und die Bewirtschaftung von Kaffeeautomaten europaweit ausgeschrieben. Als Anforderung an den Auftrag war vorgegeben, dass der Lieferant die Gütezeichen EKO und Max Havelaar bezüglich des Kaffee- und Teeverzehrs verwendet.
Bei dem Gütezeichen EKO handelt es sich um den Nachweis, dass der zu liefernde Kaffee und Tee aus ökologischer Landwirtschaft stammt. Das Gütezeichen Max Havelaar soll den Handel mit Erzeugnissen aus fairem Handel fördern und zertifizieren, dass die mit ihm versehenen Erzeugnisse zu einem fairen Preis und zu fairen Bedingungen von aus Kleinerzeugern in Entwicklungsländern bestehenden Organisationen erworben worden sind. Das Vorliegen dieser Gütezeichen sollte im Rahmen der Auftragswertung Berücksichtigung finden und mit maximal 15 Punkten bewertet werden.
Kriterien eines Zertifikats müssen konkret benannt werden
Der EuGH stellt grundsätzlich fest, dass technische Spezifikationen in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge formuliert werden dürfen. Diese können auch Umwelteigenschaften oder soziale Aspekte umfassen. Eine bestimmte Produktionsmethode, wie es vorliegend durch das EKO-Gütezeichen zertifiziert wird, ist nach Ansicht der Luxemburger Richter auch eine auf das konkrete Produkt bezogene konkrete Umwelteigenschaft, die als technische Anforderungen einzustufen sei.
Dabei ergebe sich allerdings aus Art. 23 Absat 3 b) der einschlägigen Richtlinie (RL 2004/18) ausdrücklich, dass im Rahmen der Leistungsbeschreibung zur Bestimmung solcher Umwelteigenschaften zwar die zugrundeliegenden detaillierten Spezifikationen eines Umweltgütezeichens verwendet werden dürfen, nicht aber das Umweltgütezeichen selbst als Forderung aufgenommen werden darf. Es sei lediglich zulässig, dass der Staat bei Waren mit einem bestimmten Zertifikat die Einhaltung der vorgegebenen umwelttechnischen Anforderungen annimmt. Dies befreie den Auftraggeber jedoch nicht von seiner Pflicht, diese Anforderungen konkret zu benennen.
Das Gütezeichen Max Havelaar stellte, so der EuGH, ausschließlich auf begleitende soziale Merkmale des Einkaufs der Zutaten für das Produkt und nicht auf konkrete produktbezogene Eigenschaften ab. Aus diesem Grund handele es sich hierbei auch nicht um technische Spezifikationen im vergaberechtlichen Sinn, sondern um Bedingungen, die an die Auftragsdurchführung gestellt werden, die dann auch nach Maßgabe der einschlägigen Richtlinie beurteit werden müssen.
Bei abstrakt formulierten Anforderungen fehlt die Transparenz
Wie solche Bedingungen genau bestimmt werden, führen die Luxemburger Richter nicht aus. In jedem Fall widerspräche es auch dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Diskriminierungsverbot, wenn den Bietern durch die Forderung konkreter Umweltgütezeichen die Möglichkeit genommen wird, auch durch andere geeignete Beweismittel oder Zertifikate den Nachweis zu erbringen, dass die erbetenen Standards eingehalten werden.
Letztlich hält der EuGH das Vorgehen des niederländischen Auftraggebers hier auch mit Blick auf die Wertung des Vergaberechts für bedenklich. Zwar könnten Zuschlagskriterien nicht nur wirtschaftlich, sondern auch qualitativ sein. Dazu gehörten unter anderem auch Umwelteigenschaften und soziale Aspekte. Erforderlich sei nur, dass diese Kriterien mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängen. Allerdings müssten sie dann transparent und eindeutig vorgegeben werden.
Das sei dann nicht der Fall, wenn der Staat bei der Bewertung von Umwelteigenschaften bei Unternehmen nur ein Umweltgütezeichen gelten lässt. Angebote könnten nur dann transparent gewertet werden, wenn der öffentliche Auftraggeber selbst seine Anforderungen an die für ihn relevanten Umwelteigenschaften klar und detailliert formuliert. Sofern er sich lediglich abstrakt auf ein bestimmtes Umweltgütezeichen bezieht, sei das nicht ausreichend und lasse als Mindestkriterium im Übrigen keinen Raum mehr für etwaige Wertungsunterschiede zwischen den Angeboten.
Vergabestellen können zwar auch zukünftig bei der Ausschreibung von Aufträgen Umweltgütezeichen fordern. Notwendig ist jedoch, dass sie die dem Zertifikat zugrunde liegenden Spezifikationen detailliert beschreiben. Diese Anforderung wird wohl dazu führen, dass die Behörden künftig nur zurückhaltend Umweltgütezeichen fordern werden, da sowohl die Beschreibung dieser Zertifikate als auch die Auswertung der Angebote nur mit einem höheren Aufwand zu bewerkstelligen sein wird.
Dr. Dominik R. Lück ist Rechtsanwalt für öffentliches Wirtschaftsrecht in der Kanzlei Köhler & Klett, Köln. Im Schwerpunkt berät er die öffentliche Hand und private Unternehmen auf dem Gebiet des Vergaberechts.
Dominik R. Lück, EuGH zur Vergabe öffentlicher Aufträge: . In: Legal Tribune Online, 18.05.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6217 (abgerufen am: 04.12.2024 )
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