EuGH zu unzulässiger Beihilfe für spanische Kirche: Zwingt das Euro­pa­recht zu Steu­er­re­formen?

von Prof. Dr. Dennis Klein

27.06.2017

2/2: Das Beispiel des "Verlustmantelkaufs"

Mustergültig lässt sich dies am Schicksal von § 8c KStG nachvollziehen. § 8c KStG schränkt für Kapitalgesellschaften die steuerliche Verrechnung von Verlusten aus der Vergangenheit ein, wenn bzw. soweit Anteile an der Kapitalgesellschaft übertragen werden. Diese Regelung soll den sog. "Verlustmantelkauf" verhindern. Dabei geht es um wirtschaftlich inaktive Kapitalgesellschaften, die noch aus der Vergangenheit erhebliche Verlustvorträge aufweisen. Diese Verlustvorträge können sich Investoren steuerlich zu Nutze machen, indem sie statt einer Neugründung die bestehende Kapitalgesellschaft günstig erwerben und ihre eigenen Gewinne mit den früheren Altverlusten verrechnen. Dieses Überstreifen des "Verlustmantels" will der Gesetzgeber als unerwünschten steuerlichen Mitnahmeeffekt durch die Sonderbestimmung in § 8c Abs. 1 KStG verhindern.

Auf der anderen Seite ist gerade bei Unternehmenssanierungen häufig ein Gesellschafterwechsel oder Anteilserwerb erforderlich. Die steuerliche Nutzung der Altverluste ist dabei nicht selten ein wesentliches Sanierungsinstrument, das der Gesetzgeber solchen Investoren nicht durch § 8c KStG aus der Hand schlagen möchte. Deshalb schuf er gewissermaßen als Ausnahme von der Ausnahme des § 8c Abs. 1 KStG sogenannte Sanierungsklauseln. Diese riefen freilich die Europäische Kommission auf den Plan, die darin einen Verstoß gegen das Beihilfeverbot sieht. Denn selektiv würden Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gegenüber den anderen bevorzugt. Die in § 8c Abs. 2 KStG a. F. vorgesehene Sanierungsklausel fand nicht die Genehmigung der Europäischen Kommission.

Wegen der dann in § 8c Abs. 1a KStG eingefügten Sanierungsklausel strengte sie gegen die Bundesrepublik Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren an. Den daraufhin folgenden deutschen Versuch eines Sanierungserlasses auf dem Verwaltungswege kassierte mangels gesetzlicher Grundlage unlängst der BFH. Nunmehr ist geplant, durch eine gesonderte Steuerbefreiung des Sanierungsgewinns in einem neuen § 3a EStG Erleichterung zu verschaffen. An § 8c KStG traut sich der Gesetzgeber schon wegen des strengen Beihilferechts der EU schon gar nicht mehr heran.

Steuerbegünstigung nur in  festen Bahnen

Alle diese Fälle und die Linie des EuGH verdeutlichen eines: Solange sich eine Steuerbefreiung sachlogisch in die steuerliche Belastungsentscheidung und die Besteuerungssystematik einfügt, ergeben sich keine Probleme. Die Ertragsbesteuerung und die Ausgestaltung der Steuertatbestände fällt in die Kompetenz der nationalen Gesetzgeber.

Sobald aber außersteuerliche Gründe zum Tragen kommen, droht im Hintergrund das Beihilfeverbot aus Art. 107 AEUV. So mag etwa in Spanien die katholische Kirche hinsichtlich der Religionsausübung im engeren Sinne steuerbefreit sein. Für die wirtschaftlichen Aktivitäten  im Wettbewerb zu anderen (Privat-)Schulanbietern gilt dies aber nicht mehr. Deutschland darf mit § 8c KStG als Sondervorschrift durchaus den steuerlichen Mantelkauf verhindern. Dann aber bitteschön ausnahmslos für alle Unternehmen. Die jeweiligen Ausnahmen mögen anerkennenswerte Gründe haben, wie etwa die Unternehmenssanierung oder den Erhalt von Arbeitsplätzen. Als außersteuerliche Gründe sind solche selektiven Erleichterungen indes am Maßstab von Art. 107 AUEV zu messen.

Gewollt oder ungewollt erweist sich das Gemeinschaftsrecht damit als Schrittmacher einer Systematisierung und Vereinfachung des nationalen Steuerrechts. Vielfach sind dessen Widersprüche auf interessengeleitete Ausnahmen und Befreiungen zurückzuführen. Art. 107 AUEV schiebt zumindest den ärgsten Auswüchsen einen gewissen Riegel vor. Deutschland hätte sich etwa den langjährigen Ärger um die Sanierungsklausel sparen können, indem es schlicht und ergreifend § 8c KStG gestrichen hätte: Ohne die Sondervorschrift wäre auch keine rechtfertigungsbedürftige Ausnahme erforderlich gewesen.

Der Autor Prof. Dr. Dennis Klein ist Professor für Wirtschafts- und Steuerrecht sowie Rechnungslegung an der Leibniz-Fachhochschule in Hannover und zugleich Steuerberater, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht in Toppenstedt bei Hamburg.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Dennis Klein, EuGH zu unzulässiger Beihilfe für spanische Kirche: Zwingt das Europarecht zu Steuerreformen? . In: Legal Tribune Online, 27.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23301/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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