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20134

EuGH zu "AGG-Hopper": Nicht ernst gemeinte Bewer­bung ist rechts­miss­bräuch­lich

28.07.2016

Arbeitnehmer warten auf ein Bewerbungsgespräch

© ty - Fotolia.com

Schützen die unionsrechtlichen Vorgaben, auf denen das AGG beruht, auch AGG-Hopper, denen es nicht um eine Anstellung, sondern um die Provokation von Entschädigungsansprüchen geht? Entscheidung und Vorgeschichte erläutert Thomas Gennert.

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Am Donnerstag entschied der EuGH, dass eine nicht ernst gemeinte Bewerbung nicht von den EU-Gleichbehandlungsrahmenrichtlinien (RL 2000/78 und 2006/54) geschützt ist (Urt. v. 28.07.2016, Az. C-423/15) – und damit auch nicht von den Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG).

Der Kläger, ein als sogenannter AGG-Hopper inzwischen bundesweit bekannter Rechtsanwalt aus München, bewarb sich bei dem beklagten Unternehmen, der R+V Versicherung, im Frühjahr 2009 auf eine als "Trainee" ausgeschrieben Stelle.

Die R+V schrieb Traineestellen für unterschiedliche Fachrichtungen aus, darunter auch für Jura. In dem Text der Stellenanzeige hieß es unter anderem, dass ein "sehr guter Hochschulabschluss", der "nicht länger als ein Jahr" zurückliege oder "innerhalb der nächsten Monate" erfolge, Anforderung an die Kandidaten sei. Auf seine Bewerbung hin, in der der Anwalt seine beruflichen Qualitäten hervorhob, erhielt der Kläger etwa einen Monat später eine Absage. Hierauf antwortete der Kläger dann mit einem Schreiben, in dem er Ansprüche wegen Altersdiskriminierung gegen die Beklagte in Höhe von 14.000 Euro geltend machte.

Angebliche Diskriminierung auch wegen des Geschlechts

Die Versicherung reagierte hierauf, in dem sie den Kläger zu einem Bewerbungsgespräch einlud und erklärte, die Absage habe auf einem Versehen beruht. Dies lehnte der Kläger mit der Begründung ab, erst nach Erfüllung der Entschädigungsansprüche über seine Zukunft im Unternehmen sprechen zu wollen.

Als er erfuhr, dass die juristischen Trainee-Stellen ausschließlich mit weiblichen Kandidaten besetzt worden waren, machte er zudem Entschädigungsansprüche in Höhe von weiteren 3.500 Euro wegen einer vermeintlich aufgrund seines Geschlechts erfolgten Diskriminierung geltend.

Im Jahr 2009 bewarb sich der Kläger zudem noch auf eine Vielzahl anderer Stellen bei anderen Unternehmen und machte Entschädigungsansprüche nach dem AGG geltend. Zum Teil hatte er hiermit Erfolg und erzielte sogar höchstrichterliche Urteile (etwa das "Young Professionals"-Urteil, BAG, Urt. v. 24.01.2013, Az. 8 AZR 429/11).

Entscheidungen der Vorinstanzen

Das Arbeitsgericht (ArbG) Wiesbaden wies die Klage des Klägers vollumfänglich ab (Urt. v. 20.01.2011, Az. 5 CA 2491/09). Selbst wenn in dem Text der Ausschreibung ein Indiz für eine mittelbare Altersdiskriminierung zu erblicken sei, so das ArbG, sei diese mittelbare Diskriminierung durch das legitime Ziel der Beklagten gerechtfertigt, Bewerber langfristig an ihr Unternehmen zu binden und hierfür möglichst "beruflich unverbildete" Kandidaten zu suchen, denen sie berufspraktische Fähigkeiten in ihrem Sinne vermitteln könne.

Deswegen könne auch dahinstehen, ob die Bewerbung des Klägers überhaut ernst gemeint gewesen sei. Anhaltspunkte für eine geschlechterspezifische Diskriminierung habe der Kläger dagegen nicht ausreichend dargetan.

Die hiergegen gerichtete Berufung wies das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen ab und folgte dabei inhaltlich der Begründung der Wiesbadener Kollegen (Urt. v. 16.01.2012, Az. 7 Sa 615/11). Dieses Urteil hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) durch Beschluss (v. 23.08.2012, Az. 8 AZN 711/12) aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen. Begründung: Die Vorinstanz habe bei seiner Entscheidung die vom Kläger vorgebrachten Vermutungstatsachen für eine Diskriminierung wegen seines Geschlechts nicht ausreichend gewürdigt und hiermit seinen Anspruch auf rechtliches Gehört verletzt.

Auch die erneute Entscheidung des LAG hielt das klageabweisende Urteil des ArbG aufrecht. Weil die R+V nach Bewerbern mit kurz zurückliegendem oder demnächst erfolgendem Abschluss habe suchen dürfen, stelle sich die Frage einer Diskriminierung wegen des Geschlechts gar nicht, weil der Kläger eben schon diese Anforderung nicht erfüllte.

Das BAG hat das vom Kläger in der Folge angestrengte Revisionsverfahren ausgesetzt und dem EuGH die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob auch derjenige, der sich nur um den Status des Bewerbers im Sinne von § 6 Abs. 1, S. 2 AGG willen bei einem potentiellen Arbeitgeber bewirbt, ebenfalls den Schutz des dem AGG zugrundeliegenden Unionsrechts beanspruchen kann (Beschl. v. 18.06.2015, Az. 8 AZR 848/13). Falls dies bejaht würde, wollte das BAG zudem vom EuGH wissen, ob die alleinige Zielrichtung der Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen einen Rechtsmissbrauch auch auf Ebene des Unionsrechts darstellt.

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  • Seite 1:

    AGG-Hopper als Trainee

  • Seite 2:

    Kein Schutz von nicht ernst gemeinten Bewerbungen

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EuGH zu "AGG-Hopper": . In: Legal Tribune Online, 28.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20134 (abgerufen am: 17.05.2025 )

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