Der Handel und Umtausch von Bitcoins ist umsatzsteuerfrei, entschied der EuGH am Donnerstag. Anderer Ansicht war: das deutsche Finanzministerium. Zu Unrecht, meint Dennis Klein.
Anders als bei den gesetzlichen Zahlungsmitteln wie Euro oder Dollar gibt es keine Zentralbank oder staatliche Instanz, welche die Ausgabe kontrolliert und steuert. Bitcoins sind zwar kein gesetzliches Zahlungsmittel, erfreuen sich aber als einfaches, günstiges und anonymes Umtauschmittel bei Online-Geschäften wachsender Beliebtheit.
Sofern man einen Abnehmer findet, lassen sich Bitcoins auch gegen echtes Geld, also gesetzliche Zahlungsmittel tauschen. Wie andere Währungen unterliegen sie dabei ausgeprägten Kursschwankungen und ziehen fast zwangsläufig Spekulanten an. Hier kommt die Umsatzsteuer ins Spiel.
Gesetzliches Zahlungsmittel iSd Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie?
Im Fall, über den der Europäische Gerichtshof (EuGH) zu entscheiden hatte, will ein schwedischer Unternehmer über das Internet den An- und Verkauf von Bitcoins gegen schwedische Kronen betreiben. Mit den schwedischen Finanzbehörden stritt er über die Frage, ob der bloße Umtausch von Bitcoins umsatzsteuerfrei ist.
Der Umtausch gesetzlicher Zahlungsmittel ist nämlich nach Art. 135 Abs. 1 e) Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie der Europäischen Union (MwStSystRL) umsatzsteuerfrei. Das mit dem Fall befasste schwedische Gericht legte dem EuGH daher das Vorabentscheidungsersuchen vor, ob die virtuelle Währung Bitcoin den gesetzlichen Zahlungsmitteln insofern gleichzustellen ist.
Die dem Verfahren beigetretene deutsche Regierung argumentierte dagegen. Die MwStSystRL und deren deutsche Umsetzung in § 4 Nr. 8 b) UStG befreiten ausdrücklich nur gesetzliche Zahlungsmittel. Das seien Bitcoins nirgends auf der Welt. Vielmehr seien diese betrugsanfällig und unsicher. Überdies ermöglichten sie anonyme Transaktionen und begünstigten damit verbotene Geschäfte wie Drogenhandel, Geldwäsche und organisierte Kriminalität im allgemeinen.
Sprachwirrwarr und die teleologische Lösung des EuGH
Den deutschen Wortlaut in Art. 135 Abs. 1 e) MwStSystRL hatte die Bundesregierung durchaus auf ihrer Seite. Das Problem: Der entscheidende Begriff "gesetzlich" taucht in anderen Sprachfassungen der MwStSystRL so nicht auf. In der englischen Sprachfassung ist etwa nur von "currency, bank notes and coins" die Rede. Oder in der italienischen Sprachfassung von "con valore liberatorio", explizit nicht vom andernorts verwendeten Begriff "corso legale", der für gesetzliche Zahlungsmittel steht.
Maßgeblich sind alle Amtssprachen der EU. Für den Bereich der europaweit vereinheitlichten Umsatzsteuer kann es nur eine einzige verbindliche Auslegung der Richtlinie geben – eine originäre Aufgabe des EuGH.
Da die Wortlautauslegung widersprüchlich ist, verlegte sich der Gerichtshof auf den Sinn und Zweck der Umsatzsteuerbefreiung.
Dieser besteht darin, die Konvertierbarkeit reiner Zahlungsmittel nicht durch eine Mehrwertsteuer bzw. Umsatzsteuer zu verteuern und damit zu behindern. Auch sollen Schwierigkeiten bei der Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage und der abzugsfähigen Umsatzsteuer vermieden werden. Aus diesem Grund erfasst Art. 135 Abs. 1 e) MwStSystRL nicht nur die Währungen innerhalb der Europäischen Union, sondern sämtliche weltweiten Währungen.
Sofern ein Medium auf seine Funktion als reines Zahlungsmittel beschränkt ist, gebietet die steuerliche Neutralität und Gleichbehandlung die Umsatzsteuerbefreiung. Bitcoins misst der EuGH diese reine Zahlungsfunktion zu. Im Gegensatz zu anderen "Tauschmedien" wie Zigaretten oder Gold hätten diese keinen über die bloße Zahlungswirkung hinausgehenden "eigenen" Wert. Und unterlägen damit nicht der Umsatzsteuer (EuGH, Urt. v. 22.10.2015, Az. C-264/14).
EuGH verneint Umsatzsteuer auf Internetwährung: . In: Legal Tribune Online, 23.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17323 (abgerufen am: 11.12.2024 )
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