Was passiert, wenn ein Werbender sich um die Löschung seiner markenrechtsverletzenden Onlinewerbung bemüht, dies aber nicht gelingt? Julia Dönch erläutert die aktuelle Antwort des EuGH auf genau diese Frage.
Die Rechtslage ist eigentlich klar: Nur der Inhaber einer Marke ist berechtigt, diese Marke zu benutzen oder Dritten die Benutzung zu erlauben. Verwendet ein Dritter ohne Zustimmung des Markeninhabers ein mit der Marke identisches oder ähnliches Zeichen im geschäftlichen Verkehr für Waren oder Dienstleistungen, die in den sachlichen Schutzbereich der Marke fallen, kann der Markeninhaber hiergegen vorgehen.
Der markenverletzende Dritte weiß in solchen Konstellationen häufig, was er tut: Er setzt die Markenverletzung bewusst ein, um zum Beispiel mehr Aufmerksamkeit in seiner Außendarstellung zu erlangen und von dem positiven Image der verletzten Marke zu profitieren. Dem Markeninhaber stehen daher regelmäßig Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche gegen den Dritten zu.
Dieses kleine Einmaleins des Markenrechts hilft in komplexeren Fallgestaltungen aber nicht immer weiter. Was passiert etwa, wenn ein "Vierter" eine Werbeanzeige verbreitet, die objektiv eine Markenverletzung des Dritten darstellt? Darüber musste der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens eines ungarischen Gerichts entscheiden (Urt. v. 03.03.2016, Az. C-179/15).
Wer beherrscht schon noch das Internet?
Die Gesellschaft Együd Garage war für Daimler als Service-Werkstatt in Ungarn tätig. Auf Grundlage der vertraglichen Vereinbarungen mit Daimler war Együd Garage befugt, die Marke "Mercedes-Benz" zu benutzen und mit der Bezeichnung "autorisierte Mercedes-Benz-Werkstatt" zu werben. Solche Werbeanzeigen schaltete Együd Garage auch im Internet.
Das Unternehmen und der Autohersteller beendeten jedoch nach über fünf Jahren die Zusammenarbeit, Együd Garage war damit keine autorisierte Mercedes-Benz-Werkstatt mehr. Die beendete Kooperation konnte damit aber nicht zu den Akten gelegt werden: Die Werkstatt hatte zwar nach Beendigung der Zusammenarbeit mit Daimler versucht, jede Onlineanzeige mit der Marke "Mercedes" und dem Text "autorisierte Mercedes-Benz-Werkstatt" löschen zu lassen, da die Unternehmer wussten, dass ihnen zukünftig eine Werbung in dieser Form keine Werbung mehr gestattet war.
Allerdings scheiterte der Versuch, die früheren Werbeanzeigen mit den Hinweisen auf Daimler aus dem Internet zu beseitigen. Együd Garage forderte die Betreiber derjenigen Webseiten, auf denen die Werkstatt ursprünglich Anzeigen gebucht hatte, zur Löschung der Onlineanzeigen auf. Suchmaschinen zeigten aber trotzdem weiterhin solche Anzeigen an, dem Löschungsverlangen war offenbar nicht entsprochen worden. Zudem präsentierten sie auch solche Webseiten, die ohne die Beauftragung oder Zustimmung von Együd Garage entsprechende Anzeigen online gestellt hatten.
EuGH hält Löschungsverlangen für ausreichend
Die fortdauernde Sichtbarkeit von Werbeanzeigen, die Daimler und die ehemalige Vertragswerkstatt in Verbindung bringen, wollte der Autofabrikant nicht hinnehmen und ging in Ungarn gegen Együd Garage wegen Markenrechtsverletzung vor. Das befasste Gericht bezweifelte jedoch das Vorliegen einer Markenverletzung und bat den EuGH um Klärung folgender Frage: Kann ein Markeninhaber von einem früheren Vertragspartner tatsächlich weitergehende Maßnahmen zur Löschung markenverletzender Onlineanzeigen verlangen als solche Maßnahmen, die bei einer vernünftigen Betrachtung bereits eine Löschung der Anzeigen erwarten ließen?
Der EuGH beantwortet dies mit einem klaren Nein. Sobald der Werbende den Betreiber einer Internet-Seite ausdrücklich aufgefordert hat, die Werbeanzeige zu löschen, der Betreiber dem aber nicht nachkommt, handele es sich bei der Anzeige nicht mehr um eine Werbeanzeige des Werbenden. Kurz gesagt: Der Werbende ist nach einer entsprechenden Löschungsaufforderung für markenverletzende Inhalte einer Werbung gegenüber dem Markeninhaber nicht mehr verantwortlich. Weitere Versuche, die Anzeige löschen zu lassen, muss der Werbende daher nicht unternehmen.
2/2: Werbung ohne Auftrag schadet ebenfalls nicht
Ebenfalls nicht zur Handlung verpflichtet ist der Werbende, wenn Webseiten-Betreiber die Werbeanzeige auf ihren Webseiten schalten, ohne dass der Werbende dies veranlasste. Auch in dieser Konstellation geht der EuGH davon aus, dass der Werbende im Rechtssinne nicht als Werbender gilt: Nur wenn der Werbende einen Dritten beauftragt, eine Anzeige zu veröffentlichen, müsse sich der Werbende für die Inhalte der Anzeige verantworten und den Dritten zur Löschung der Anzeige auffordern.
Die Auffassung des EuGH, Werbende wie Együd Garage nur dazu zu verpflichten, bei den von ihnen beauftragten Werbepartnern die Löschung der Anzeige zu verlangen, erscheint fair. Das Internet ist für Werbende darüber hinausgehend kaum beherrschbar.
Ein fader Beigeschmack bleibt aber: Együd Garage könnte aufgrund der Werbeanzeigen, die nun ohne den Willen der Werkstatt auf Webseiten verbreitet werden, Kunden gewinnen. Denn die Aura als "offizielle Daimler-Werkstatt" umgibt das Unternehmen weiterhin. Onlinewerbung ist ihr Alter im Gegensatz zu Printwerbung regelmäßig nicht anzusehen, so dass man beim Surfen nicht erkennt, ob die in einer Werbeanzeige angegebenen geschäftlichen Verhältnisse - hier die Stellung als autorisierte Mercedes-Benz-Werkstatt - zum Zeitpunkt des Aufrufens der Anzeige noch bestehen.
Gerechter Ausgleich durch Rückerstattung von Vorteilen aus der Werbung
Der EuGH trägt in seiner Entscheidung aber auch diesem Umstand Rechnung und gewährt dem Markeninhaber grundsätzlich einen Rückerstattungsanspruch gegen den Werbenden. Vorliegend dürfe Daimler von Együd Garage Rückerstattung aller wirtschaftlichen Vorteile verlangen, die der ehemalige Vertragspartner durch die weiterhin verfügbaren Werbeanzeigen erlangt. Ob Daimler allerdings in jedem Einzelfall der Nachweis gelingt, dass Együd Garage solche Vorteile entstanden sind, steht auf einem anderen Blatt.
Dafür könne Daimler auch gegen die Betreiber der Webseiten vorgehen, die trotz der Aufforderung von Együd Garage die Werbung nicht gelöscht haben, so der EuGH. Denn für die objektiv in der Werbeanzeige enthaltene Markenverletzung zum Nachteil von Daimler sei der Betreiber der Webseite nach der nicht erbrachten der Löschung verantwortlich.
Praxistipp: Liste mit Werbepartnern führen
Die Entscheidung des EuGH schafft neue Aufgaben für Markeninhaber und Webetreibende. Wer in Onlineanzeigen mit der Zustimmung eines Dritten mit dessen Marken wirbt, sollte eine Liste mit den Betreibern der Webseite, auf denen die Werbung publiziert wird, führen. Denn sobald die Zustimmung des Markeninhabers zu dieser Art von Werbung entfällt, muss der Werbende die Betreiber der Webseite umgehend zur Löschung auffordern und dieses gegenüber dem Markeninhaber nachweisen. Nur so kann der Werbende seine Verantwortlichkeit für etwaige Markenverletzungen nach Entfallen der Zustimmung zur Markennutzung beseitigen.
Markeninhaber hingegen müssen bei Abmahnungen und gerichtlichen Schritten genau prüfen, wer für die Markenverletzung verantwortlich ist. Der Werbende, der keine ausreichenden Schritte zur Löschung der markenrechtsverletzenden Onlinewerbung unternommen hat? Oder doch der Betreiber der Webseite, die die Werbeanzeige publiziert? Nicht immer wird dies ohne weiteres erkennbar sein. Ein Dialog zwischen Markeninhaber und Werbenden kann aber helfen, von Anfang an den richtigen Anspruchsgegner zu finden. Denn auch im schwierig zu kontrollierenden Internet gibt es am Ende jemanden, der für die Markenverletzung verantwortlich ist.
Die Autorin Julia Dönch ist Rechtsanwältin bei der BDO Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH im Bereich IP/IT.
Julia Dönch, EuGH zu Onlinewerbung: Den Werbenden beißen nicht immer die Hunde . In: Legal Tribune Online, 03.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18676/ (abgerufen am: 29.03.2024 )
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