Vorratsdatenspeicherung vor dem EuGH: Wei­chen­stel­lung für ganz Europa?

von Dr. Jens Schefzig

19.07.2016

2/2: Nächstes Kapitel wieder in Europa

Die Schlussanträge Saugmandsgaard Øes vom Dienstag in den verbundenen Verfahren Tele2 Sverige und Davis u.a. (Az. C-203/15 und C-698/15) nehmen nicht nur potenziell die Entscheidung des EuGH vorweg, sondern auch die des BVerfG. Beide Vorlageverfahren haben dabei nationale Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung zum Gegenstand.

Im Verfahren Tele2 Sverige will das vorlegende schwedische Gericht wissen, ob eine generelle Verpflichtung zur Vorratsspeicherung von Verkehrsdaten aller Personen und aller elektronischen Kommunikationsmittel ohne Ausnahme mit dem europäischen Recht vereinbar sei und welche Voraussetzungen für den Zugang der nationalen Behörden zu den Daten, die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen und die Speicherdauer gelten.

Der englische Court of Appeal stellte dem EuGH parallel die Fragen, ob das Urteil in der Sache Digital Rights Ireland verbindliche Voraussetzungen für eine nationale Vorratsdatenspeicherung festlege und es den Anwendungsbereich des aus der GRC stammenden Grundrechts auf Achtung von Privatleben und Korrespondenz gegenüber der bisherigen Rechtsprechung des Euro-päischen Gerichtshofs für Menschenrecht (EGMR) erweitere.

Schlussanträge bieten wenig Neues

Nach der Pressemitteilung des EuGH vom Dienstag ist nicht nur der erhoffte beziehungsweise befürchtete Paukenschlag ausgeblieben. Vielmehr scheinen die Schlussanträge kaum Neues zu bieten:  Der Generalanwalt hält eine Vorratsdatenspeicherung für grundsätzlich mit dem europäischen Recht vereinbar. Allerdings müssten die Mitgliedsstaaten bei der Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung bestimmte Voraussetzungen erfüllen:

Die Vorratsdatenspeicherung müsse in zugänglichen und vorhersehbaren Rechtsvorschriften geregelt sein, welche einen geeigneten Schutz gegen Willkür bieten.

Die Gesetze müssten den Wesensgehalt der in der GRC enthaltenen Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und den Schutz personenbezogener Daten wahren.

Eine Vorratsdatenspeicherung sei nur zur Bekämpfung schwerer Kriminalität legitim.

Die Erforderlichkeit sei streng zu beachten. Der Zugang zu den Daten und die Dauer ihrer Speicherung müssten auf das absolut Notwendige beschränkt und ihre Sicherheit durch konkrete Maßnahmen gewährleistet sein.

Schließlich müsse die Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung in einem angemessenen Verhältnis zur Bekämpfung schwerer Kriminalität stehen.

Wie geht die Geschichte nun weiter?

Die Schlussanträge scheinen gegenüber dem Urteil des EuGH in der Sache Digital Rights Ireland kaum neue Erkenntnisse zu enthalten. Weder ergänzen noch konkretisieren sie die dort gemachten Vorgaben nennenswert. Sie wiederholen letztlich die bekannten Eckpunkte bei der Beurteilung der Vorratsdatenspeicherung.

Sollte der EuGH in seinem Urteil also nicht weitere Punkte ergänzen, wird Europa die deutsche Lösung nicht vorschreiben. Das BVerfG könnte bei seiner Beurteilung der Vorratsdatenspeicherung dann relativ frei agieren.

Der Autor Dr. Jens Schefzig ist Rechtsanwalt bei Osborne Clarke in Hamburg. Sein fachlicher Schwerpunkt liegt auf sämtlichen Rechtsfragen rund um das Thema Daten.

Zitiervorschlag

Dr. Jens Schefzig, Vorratsdatenspeicherung vor dem EuGH: Weichenstellung für ganz Europa? . In: Legal Tribune Online, 19.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20046/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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