Markenhersteller dürfen ihren Vertragshändlern verbieten, ihre Ware über Amazon oder eBay zu verkaufen. Die Schlussanträge am EuGH eröffnen neue Vertriebsstrategien, zeigt Christoph Naendrup. Und werfen die Frage auf, was eigentlich Luxus ist.
Neben der Kartellrechtswelt dürften am heutigen Mittwoch auch die Vertriebsspezialisten der Markenhersteller erwartungsvoll nach Luxemburg geschaut haben. Sie können sich zu Recht freuen, ein Etappenziel ist erreicht: Nach Auffassung von Generalanwalt Nils Wahl kann den Händlern in selektiven Vertriebssystemen untersagt werden, die Vertragsprodukte über nach außen als Drittplattformen erkennbare Internetplattformen zu vertreiben (Az. C-230/16). Wenn der Europäische Gerichtshof (EuGH) den Schlussanträgen – wie häufig - folgt, würde eine lang umstrittene Frage bald europaweit und höchstrichterlich geklärt.
Im Verfahren des Luxuskosmetikherstellers Coty Germany gegen die Parfümerie Akzente erklärt der Schwede Plattformverbote in selektiven Vertriebssystemen für nicht per se kartellrechtswidrig. Im Gegenteil: Sind die Voraussetzungen eines selektiven Vertriebssystems gegeben, dürfte eine Klausel, die den Vertrieb der Produkte über nach außen erkennbare Internetplattformen eines Drittanbieters untersagt, schon gar nicht unter das Kartellverbot fallen.
Das vorlegende Oberlandesgericht Frankfurt wird nun zu prüfen haben, ob die Klausel, die es der Parfümerie verbietet, die Coty-Produkte über eine Plattform wie Amazon oder eBay zu vertreiben, durch die Natur der Produkte bedingt, auf das Erforderliche beschränkt und und diskriminierungsfrei auf alle Händler angewandt wird. Dann wäre das Verbot nach Ansicht des Generalanwalts gerechtfertigt, um das Luxusimage der Produkte zu wahren, die nur in einer exklusiven Umgebung und angemessen präsentiert verkauft werden sollen.
Luxusimage versus Internethandel
Für Markenhersteller einerseits und Vertragshändler andererseits ist sehr wichtig, wie viel Gestaltungsspielräume sie bei den Vertriebskanälen nutzen können. Markenhersteller wollen typischerweise vermeiden, dass ihre Marke verwässert wird und aufgrund der ungezügelten und kaum kontrollierbaren Vertriebswege im Internet an Qualität verliert. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass ein Markenimage, das u. U. mit viel Aufwand für die Qualitätssicherung geschaffen wurde, Schaden nimmt, wenn die Artikel im Internet gewissermaßen "verramscht" werden.
Auf der anderen Seite steht das Interesse der Vertragshändler, die zunehmende Bedeutung des Internethandels auch für ihr Geschäft umfassend gewinnbringend nutzbar zu machen und dabei nicht ungebührlichen Vorgaben der Hersteller ausgesetzt zu sein.
Die Rechtslage ist diesbezüglich bislang nicht vollends geklärt. Das Bundeskartellamt hat Beschränkungen in Vertriebsverträgen, die dem Händler verboten, Vertragswaren auch über Internetplattformen wie Amazon Marketplace, Ebay oder andere zu vertreiben, mit strenger Gangart bisher regelmäßig für unzulässig erachtet (etwa für den Vertrieb von Sportschuhen).
Die Rechtsprechung ist sich ebenfalls uneins. Während das OLG Karlsruhe im Jahr 2010 im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems einen Ausschluss des Vertriebs über die Plattform Ebay billigte hat das KG Berlin Ende des Jahres 2013 in einem ähnlichen Fall ein solches Vertriebsverbot über Plattformen auch in einem selektiven Vertriebssystem als unzulässig angesehen (dies allerdings mit den Besonderheiten des Einzelfalls begründet). Jüngst wiederum hat das OLG Düsseldorf die strenge Linie des Bundeskartellamts gestützt (OLG Düsseldorf, Entscheidung v. 05.04.2017, Az. VI-Kart 13/15 (V)).
Die Europäische Kommission hingegen hat im Rahmen der Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel im Abschlussbericht aus Mai 2017 (COM(2017) 229 final) mitgeteilt, dass nach ihrer Auffassung "Marktplatzverbote nicht als Kernbeschränkungen im Sinne von Artikel 4 Buchstabe b und Artikel 4 Buchstabe c der Gruppenfreistellungsverordnung für Vertikalvereinbarungen angesehen werden sollten" (Randnummer 42 des Abschlussberichts). Laut dem Generalanwalt kommt es auf diese Frage erst gar nicht an. Und dennoch verneint er sie.
2/2: Generalanwalt: Luxusimage rechtfertigt Plattformverbot
Nach Ansicht von Nils Wahl kommt es auf diese umstrittene Frage, ob ein solches Plattformverbot eine Kernbeschränkung im Sinne der Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vereinbarungen, also von einem Kartellverbot freigestellt wäre, eigentlich schon nicht mehr an. Ausweislich der Pressemitteilung des EuGH behandelt der Schwede sie trotzdem und erteilt auch insoweit einer strengen Auslegung eine Absage: Das Verbot des Vertriebs über eine nach außen als Drittplattform erkennbare Plattform stelle weder eine Beschränkung der Kundengruppe noch eine Beschränkung des passiven Verkaufs an Endverbraucher dar.
Der Generalanwalt geht aber gar nicht erst von einem Kartellverbot aus. Er bestätigt zunächst, dass es ein bestimmtes Luxus- und Prestigeimage eines Produktes rechtfertigt, ein selektives Vertriebssystem einzurichten, in welchem die Auswahl der Wiederverkäufer von der Erfüllung bestimmter Kriterien abhängig gemacht werden kann.
In einem zulässigen selektiven Vertriebssystem können den Wiederverkäufern auch Vorgaben hinsichtlich der Art und Weise des Weiterverkaufs der Produkte gemacht werden. Zumeist betrifft dies Vorgaben an die Präsentation der Produkte und die Einrichtung der Verkaufsstellen, die dem Luxusimage der Marken angemessen sein sollen. Der Generalanwalt überträgt diese Grundsätze nun zu Recht auf den Verkauf der Produkte im Internet.
Ein Verbot ihres Vertriebs über nach außen erkennbare Drittplattformen sei geeignet, das Luxusimage der Produkte zu wahren. Es gewährleiste, dass die Vertriebsvorgaben an die Präsentation der Produkte und die Verkaufsumgebung auch online umgesetzt würden und verhindere zudem, dass sich Dritte das vom Hersteller und seinen zugelassenen Händlern aufgebaute Markenimage, das regelmäßig erhebliche Investitionen und Anstrengungen erfordert, als "Trittbrettfahrer" zu Nutze machen.
Zugleich weist der Generalanwalt darauf hin, dass es bei der Klausel von Coty nicht darum gehe, den Vertrieb über das Internet vollständig zu untersagen – selbst den Einsatz von Internetplattformen Dritter untersage die Vereinbarung nicht, solange dieser Dritte dem Kunden gegenüber nicht in Erscheinung trete. Die Ausführungen des Generalanwalts scheinen daher – soweit man dies der Pressemitteilung des EuGH entnehmen kann – in sich stimmig und ausgewogen.
Mehr Rechtssicherheit – aber wann ist Luxus Luxus?
Folgt der EuGH den Schlussanträgen, wäre die Frage der kartellrechtlichen Zulässigkeit von Plattformverboten jedenfalls im Rahmen zulässiger selektiver Vertriebssysteme höchstrichterlich und europaweit geklärt, für die Unternehmen würde das insoweit Rechtssicherheit bedeuten.
Markenhersteller würden vermutlich dann noch stärker bestrebt sein, ihren Vertrieb nach Möglichkeit als selektives Vertriebssystem auszugestalten.
Das allerdings bereitet den Boden für künftige Streitigkeiten: Der Generalanwalt betont, dass die Einrichtung eines selektiven Vertriebssystems nur dann gerechtfertigt ist, wenn der selektive Vertrieb gerade aufgrund der Natur des fraglichen Erzeugnisses einschließlich des Prestigeimages zur Wahrung der Qualität und zur Gewährleistung seines richtigen Gebrauchs erforderlich ist. Fällt ein Luxusparfum hierunter? Wohl ja. Wie aber ist es mit Turnschuhen? Können Rucksäcke Luxus sein? Oder Bekleidung? Es bleibt spannend.
Der Autor Dr. Christoph Naendrup, LL.M. ist Rechtsanwalt und Partner bei CBH Rechtsan-wälte in Köln. Schwerpunkte seiner Beratung liegen im Kartell- sowie im Handels- und Ver-triebsrecht.
Dr. Christoph Naendrup, LL.M. , Generalanwalt billigt Plattformverbote im selektiven Vertrieb: Keine Luxusprodukte bei Amazon und Co. . In: Legal Tribune Online, 26.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23637/ (abgerufen am: 28.03.2024 )
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