EuGH erlaubt Markenschutz für berühmte Sehenswürdigkeiten: "Neu­schwan­stein" ist kein Cham­pagner

Gastbeitrag von Dr. Astrid Harmsen und Dr. Andrea Schlaffge

06.09.2018

Nicht jeder darf mit dem Namen des berühmten Schlosses werben. Heute hat der EuGH endgültig über das Schicksal der Unionsmarke "Neuschwanstein" entschieden. Sie bleibt in Bayerns Hand, erklären Astrid Harmsen und Andrea Schlaffge.

Das berühmte Erbe Ludwig II. in Bayern: Kulturgut, Touristenattraktion, Inspiration für Walt Disney. Kein Wunder, dass die Eintragung des Wortzeichens "Neuschwanstein" bei vielen Souvenirherstellern für Ärger sorgte. Das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) hatte im Jahr 2011 zugunsten des Freistaats Bayern dieses Wortzeichen als Unionsmarke für verschiedene Waren und Dienstleistungen eingetragen, u.a. für Bekleidung, bestimmte Lebensmittel, Spiele, Schmuck, Papierwaren, Glaswaren, Lederwaren, Werbung, Finanz- und Immobilienwesen.

Der Bundesverband Souvenir – Geschenke – Ehrenpreise e.V. (BSGE) wehrte sich sieben Jahre lang und verklagte am Ende das EUIPO in einem Nichtigkeitsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Am Donnerstag entschied das Gericht in Luxemburg: Die Unionsmarke bleibt schutzwürdig und stellt keine geografische Herkunftsbezeichnung dar (Urt. v. 06.09.2018, Az. C ‑488/16 P).

Neuschwanstein keine geografische Herkunftsbezeichnung

Das im 19. Jahrhundert erbaute Schloss könne "zwar geografisch lokalisiert, aber nicht als geografischer Ort angesehen werden", befanden schon die Richter in erster Instanz. Dem folgten die EuGH-Richter. Geografische Herkunftsbezeichnungen sind Namen von Orten, Gegenden, Gebieten oder Ländern sowie sonstige Angaben oder Zeichen, die im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung der geografischen Herkunft von Waren oder Dienstleistungen benutzt werden. Sie können nicht zugunsten Einzelner monopolisiert werden und sind vom Markenschutz ausgeschlossen. Bekannte Beispiele sind Champagner, Bordeaux, Emmentaler Käse und Schwarzwälder Schinken.

"Neuschwanstein" hingegen sei ein musealer Ort, der nicht für die Herstellung von Souvenirs bekannt sei, sondern wegen seiner architektonischen Einzigartigkeit, befand der EuGH. Zwar würden die Waren und Dienstleistungen der Marke auch am gleichnamigen Schloss vertrieben. Der Vertriebsort beschreibe jedoch nicht bestimmte Eigenschaften oder Beschaffenheiten der von der Marke  erfassten Waren und Dienstleistungen. So gehe auch niemand bei den berühmten "Montblanc"-Stiften davon aus, dass diese von dem gleichnamigen Berg stammen.

Nach Auffassung der Luxemburger Richter sei "Neuschwanstein" auch nicht deshalb beschreibend, weil die Teller, Aschenbecher und sonstigen Waren als Souvenirartikel verkauft werden. Der Käufer entscheide, ob eine bestimmte Ware ein Souvenir ist. Es handele sich um "kein objektives, dem Wesen der Ware innewohnendes Merkmal".

Unionsmarkenrecht autonomes System

Die Klägerin bestritt auch die für einen Markenschutz erforderliche Unterscheidungskraft. Hierbei geht es um die Frage, ob "Neuschwanstein" geeignet ist, die von der Marke erfassten Waren und Dienstleistungen von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Der EuGH befand, dass auch dieses Merkmal im Streit um das Märchenschloss gegeben sei und folgte der Vorinstanz. Diese sah in dem "neuen Stein des Schwans" einen unterscheidungskräftigen Phantasienamen.

Damit entschied der EuGH anders als der Bundesgerichtshof (BGH) sechs Jahre zuvor, der über die Eintragung der deutschen Marke "Neuschwanstein" zu befinden hatte. Der BGH lehnte die Unterscheidungskraft der angebotenen Waren mit der Begründung ab, die Verbraucher würden das Wort "Neuschwanstein" im Zusammenhang mit Souvenirartikeln nur als Bezeichnung der Sehenswürdigkeit und nicht als Produktkennzeichnung auffassen (Beschl. v. 08.03.2012, Az. I ZB 13/11). Der EuGH betonte, dass die Vorinstanz die Entscheidung des BGH nicht berücksichtigten müsse, weil das Unionsmarkenrecht ein autonomes System sei, das von den nationalen deutschen Vorschriften unabhängig ist.

Der EuGH folgte auch der Vorinstanz, die in der Anmeldung der Marke kein bösgläubiges Verhalten des Freistaats Bayern erkennen konnte. Die erstinstanzlichen Richter sahen ein berechtigtes Interesse für die Markenanmeldung darin, dass der Freistaat Bayern das Souvenirartikelgeschäft kontrollieren und damit den musealen Ort "Neuschwanstein" erhalten und pflegen wolle.

Glückliche Bayern

Der Freistaat Bayern kann zufrieden sein: Das Wortzeichen "Neuschwanstein" ist nur noch dem Freistaat Bayern zur kommerziellen Nutzung vorbehalten und dieser kann durch die Vergabe von Lizenzen entscheiden, welcher Hersteller auf welchen Souvenirartikel das Wort "Neuschwanstein" drucken darf.

Letztlich geht die Entscheidung über einen Streit zwischen "Neuschwanstein"-Liebhabern hinaus. Als Leitentscheidung könnte sie einen rasanten Anstieg an Markenanmeldungen beim EUIPO nach sich ziehen. Besitzer bekannter Sehenswürdigkeiten könnten versuchen, den Namen eines Museums oder Kulturerbes markenrechtlich zu schützen, um die Souvenir- und Dienstleistungsbranche rund um die Sehenswürdigkeit "zum Schutze der Ehre und Würde" zu kontrollieren.

Möglicherweise könnten auch Dritte auf den Gedanken kommen, sich die gute Vermarktungsmöglichkeit von Touristenzielen zu Nutze zu machen und entsprechende Marken anzumelden. Mit der Frage, "Geht dies nicht ein bisschen zu weit?", werden sich in Zukunft wohl noch viele Kritiker dieser Entscheidung auseinandersetzen. Bei der Diskussion darf nicht vergessen werden, dass den Eigentümer von Sehenswürdigkeiten jedoch ein Namensrecht zustehen kann, das Markenanmeldungen von Dritten entgegensteht. Diese Frage hatte der EuGH jedoch nicht zu entscheiden, da der Freistaat Bayern selbst der Eigentümer des berühmten Schlosses ist.

Die Autorinnen Dr. Astrid Harmsen und Dr. Andrea Schlaffge sind Rechtsanwältinnen im Düsseldorfer Büro von Hengeler Mueller und beraten Unternehmen in sämtlichen Bereichen des Gewerblichen Rechtsschutzes. Ein besonderer Fokus ihrer Tätigkeit ist das Marken- und Wettbewerbsrecht.

Zitiervorschlag

EuGH erlaubt Markenschutz für berühmte Sehenswürdigkeiten: . In: Legal Tribune Online, 06.09.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30787 (abgerufen am: 12.10.2024 )

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