EuGH zur Mindestkörpergröße von Polizisten in Griechenland: 1,70 für alle ist auch unge­recht

von Sarah Nußbaum

18.10.2017

2/2 Individuelle Eignungstests wären eine Alternative

Die Regelung in Griechenland setzte die Mindestkörpergröße einheitlich für Männer und Frauen fest. In seiner Entscheidung gab der EuGH zu bedenken, dass die körperliche Eignung auch durch andere Mittel festgestellt werden könne, als durch die Regelung einer Mindestkörpergröße. In einer Vorauswahl die körperlichen Fähigkeiten aller Bewerber individuell zu überprüfen, würde weibliche Bewerber weniger benachteiligen, als eine starre rechtliche Regelung.

Damit öffnet der EuGH den Blick auf ein mögliches milderes Mittel, dass die Angemessenheit einer starren Regelung über die Mindestkörpergröße in Frage stellt.

Die aktuelle Rechtsprechung in Deutschland spricht sich bisher nicht grundsätzlich gegen das Anforderungskriterium der Mindestkörpergröße aus, sondern überlässt es dem Beurteilungsspielraum des Dienstherrn, die Begriffe „Eignung, Befähigung und fachliche Leistung“ auszufüllen, die von Art. 33 Abs. 2 GG für den Zugang zum öffentlichen Amt vorgegeben werden.

Unterschiedliche Mindestgrößen für Männer und Frauen

In den meisten Bundesländern werden von Frauen und Männern unterschiedliche Mindestkörpergrößen gefordert. So könnte man zunächst denken, dass sich mit einer solchen Regelung die Frage gar nicht stelle, die der EuGH zu beantworten hatte. Denn damit soll der statistische Größenunterschied ja gerade berücksichtigt werden.

Das Land NRW scheiterte allerdings mit dieser Argumentation. Das Ziel eine mittelbare Diskriminierung von Frauen zu vermeiden, könne nur durch ein parlamentarisches Gesetz erreicht werden, so das OVG. Eine solche gesetzliche Regelung, die einen Vorteilsausgleich der männlichen Bewerber etwa durch eine Größendifferenz von 5 cm regelt, gibt und gab es weder in NRW noch in anderen Bundesländern.

Das OVG ließ zudem in seiner Entscheidung offen, ob ein solches Gesetz rechtmäßig wäre, denn es würde schließlich in den vorbehaltlos gewährleisteten Leistungsgrundsatz des Art. 33. Abs. 2 GG eingreifen.

Ausblick für die Praxis

Die Aufgabe der Polizei ist keine geringere als Leib und Leben von uns allen zu schützen. Art. 33 Abs. 2 GG stellt in Deutschland sicher, dass nur geeignete Bewerber zugelassen werden. Wie man diese aber ausgestaltet, ob durch einen starren Richtwert oder individuelle Eignungstests, ist weiterhin offen.

Der EuGH gibt die Aufgabe, den Zugang zum Polizeivollzugsdienst angemessen zu regeln, zurück an den griechischen Gesetzgeber. Vor dieser Aufgabe stehen bereits einige Bundesländer in Deutschland und auch die Bundespolizei.

Vorzugswürdig erscheint die Abschaffung der Mindestkörpergröße und die Einzelfallentscheidung der körperlichen Eignung. So wird gewährleistet, dass Männer und Frauen ihre mangelnde Körpergröße mit Fitness und Geschick ausgleichen können und die Entscheidung über den Zugang zum Polizeidienst eine Frage der fachlichen Qualifikation ist.

Die Autorin Sarah Nußbaum ist Rechtsanwältin in der Hotstegs Rechtsanwaltsgesellschaft, Düsseldorf. Die Kanzlei ist auf das öffentliche Dienstrecht, insbesondere Beamten- und Disziplinarrecht spezialisiert.

Zitiervorschlag

EuGH zur Mindestkörpergröße von Polizisten in Griechenland: 1,70 für alle ist auch ungerecht . In: Legal Tribune Online, 18.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25105/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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