2/2: Der Fall VCAST vor dem EuGH
Das nunmehr ergangene Urteil des EuGH geht auf einen Rechtsstreit zwischen dem englischen Unternehmen VCAST und dem italienischen Fernsehsender RTI zurück.
VCAST ermöglicht Privatkunden die automatisierte Aufzeichnung von Fernsehsendungen, die diese über die Website von VCAST auswählen können. Zur entsprechenden Sendezeit greift VCAST sodann das frei zugängliche Sendesignal auf und speichert die Sendung in einem vom Kunden angegebenen Cloud-Speicher. Die Kunden können die ausgewählten Sendungen anschließend jederzeit beliebig oft ansehen oder herunterladen. VCAST und RTI streiten mit Blick auf die sog. Privatkopienschranke über die urheberrechtliche Zulässigkeit dieser Tätigkeit.
Das zuständige italienische Gericht legte dem EuGH daraufhin die Frage vor, ob ein Mitgliedstaat, der eine Ausnahme für Privatkopien vorgesehen hat, unionsrechtlich verpflichtet oder im Gegenteil daran gehindert ist, eine Tätigkeit zu erlauben, die darin besteht, ohne Zustimmung der Urheberrechtsinhaber einen Online-Aufnahmedienst für in diesem Mitgliedstaat frei zugängliche Fernsehsendungen anzubieten.
Maßgeblich für die Entscheidung ist die europäische Urheberrechtsrichtlinie (RL 2001/29/EG). Diese schreibt in Art. 2 unter anderem vor, dass die Mitgliedstaaten das Vervielfältigungsrecht für Urheber und Sendeunternehmen in ihren nationalen Rechtsordnungen umsetzen müssen. Die EU-Länder dürfen allerdings bestimmte Ausnahmen vorsehen, wozu das Recht auf Privatkopie gehört, Art. 5 Abs. 2 b) der Richtlinie.
Das Recht der Mitgliedstaaten zur Schaffung von Ausnahmen ist jedoch nach der Rechtsprechung des EuGH seinerseits dadurch beschränkt, dass der Nutzer rechtmäßigen Zugang zum kopierten Werk haben muss. Ferner sind die Voraussetzungen des sogenannten Drei-Stufen-Tests in Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie einzuhalten. Danach müssen Ausnahmen auf Sonderfälle beschränkt sein, dürfen die normale Werkverwertung nicht beeinträchtigen und es dürfen die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden.
EuGH: Rechteinhaber muss der Speicherung von Kopien zustimmen
Der Gerichtshof hat nunmehr entschieden, dass die Zurverfügungstellung von in einer Cloud gespeicherten Kopien von Fernsehprogrammen der Erlaubnis durch den Rechteinhaber bedarf. Diese Dienstleistung stelle nämlich eine erlaubnispflichtige Weiterverbreitung der betreffenden Programme dar. Folglich könne ein solcher Fernaufzeichnungsdienst nicht unter die Ausnahmeregelung für Privatkopien fallen. Ob die Kriterien des Drei-Stufen-Tests erfüllt sind, hat der EuGH in seinem Urteil allerdings ausdrücklich offen gelassen.
Für den Betrieb von Online-Videorekordern in Deutschland hat die Entscheidung des EuGH damit keine endgültige Klärung gebracht: Denn dass der Betreiber des Dienstes eine erlaubnispflichtige Weitersendung durchführt, entspricht auch dem Stand der hiesigen Rechtsprechung. Sollte es nun einem Betreiber nämlich gelingen, sein Modell technisch so auszugestalten, dass er in den Genuss der Privilegierungen für die Kabelweitersendung käme, so hätte er dadurch gerade einen Anspruch gegen die Sender auf Lizenzerteilung. In der Folge wäre nach dem Urteil die entsprechende Privatkopie nicht zwingend rechtswidrig; genau hierfür wäre es dann auch auf die Frage angekommen, ob solche Aufnahmen den Kriterien des Drei-Stufen-Tests genügen.
Zwar ist der Spielraum für das Angebot von Online-Videorekordern durch die bisherige deutsche Rechtsprechung immer weiter eingeengt worden, endgültig besiegelt ist das Schicksal dieser Dienste aber noch nicht.
Der Autor Dr. Torsten Kraul ist Associated Partner bei Noerr LLP in Berlin. Er berät zu rechtlichen und strategischen Fragen der Digitalisierung.
EuGH zur Privatkopienschranke: . In: Legal Tribune Online, 29.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25765 (abgerufen am: 04.12.2024 )
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