Der EuGH hat am Mittwoch entschieden, dass sich der Betreiber eines Online-Videorekorders nicht auf das Recht auf Privatkopie berufen kann. Damit ist der Streit um solche Dienste aber noch lange nicht beendet, erklärt Torsten Kraul.
Schnell die Lieblingsserie aufnehmen lassen, weil sich der Verwandtenbesuch unerwartet in die Länge zieht? Dies ermöglichen Online-Videorekorder. Je nach Angebot kann der Nutzer einzelne Sendungen oder gar das gesamte Programm eines oder mehrerer Fernsehsender "in der Cloud", also auf einem über das Internet zugänglichen Server, speichern und dann von dort aus streamen.
Dies ermöglicht es ihm auch, Werbung zu überspringen oder sogar vollautomatisiert herauszuschneiden. Diese Geschäftsmodelle sind den Sendern freilich ein Dorn im Auge, gefährden sie doch deren werbefinanziertes Modell und bedrohen die Angebote ihrer Mediatheken.
Rekorder-Dienste seit jeher umstritten
Da verwundert es nicht, dass bereits seit mehr als zehn Jahren die Vereinbarkeit von Online-Videorekordern mit dem Urheberrecht Gegenstand erbitterter gerichtlicher Auseinandersetzungen in Deutschland ist und den Bundesgerichtshof (BGH) mehrfach beschäftigt hat. Daran wird auch das aktuelle Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nichts ändern, der über ein Vorabentscheidungsersuchen des italienischen Tribunale ordinario di Torino entschieden hat. Denn die Entscheidung des EuGH lässt Fragen offen (Urt. v. 29.11.2017, Az. C-265/16).
Der Knackpunkt: Ob eine Verletzung des Urheberrechts vorliegt, hängt sehr stark von technischen Vorgängen ab. Im Falle eines Online-Videorekorders sind im Wesentlichen die folgenden Aspekte maßgeblich:
- Das Speichern von Sendungen auf einem Server berührt das Vervielfältigungsrecht an den Programminhalten nach § 16 UrhG und am Sendesignal nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 UrhG. Allerdings hat der BGH in seiner Internet-Videorecorder-Entscheidung (Urt. v. 22.4.2009, Az. I ZR 216/06) klargestellt, dass solche Vervielfältigungen als Privatkopien nach § 53 Abs. 1 UrhG zulässig sind, wenn es sich beim Nutzer um eine Privatperson handelt, dieser eine Einzelauswahl der aufzunehmenden Sendungen vornimmt und die Aufnahme dann vollautomatisiert erfolgt. In diesen Fällen gilt der Nutzer – und eben nicht der Betreiber des Online-Videorekorders - als Hersteller der Vervielfältigung.
- Streamt der Nutzer sodann die aufgenommene Sendung von einem individuellen Online-Speicherplatz aus, so betrifft dies das Urheberrecht, insbesondere das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung aus §§ 87 Abs. 1 Nr. 1, 19a UrhG nicht, denn die spezifische Kopie ist nur vom Nutzer und nicht öffentlich abrufbar.
- Zur Speicherung wird das Sendesignal durch den Betreiber des Online-Videorekorders empfangen und dann den Nutzern zur Speicherung auf dem Server zugeführt. Hierin sieht die Rechtsprechung eine sogenannte Weitersendung und damit einen Eingriff in das Senderecht aus §§ 87 Abs. 1, 20 UrhG. Über die darin liegende Rechtsverletzung kann auch die Ausnahme für Privatkopien nicht hinweghelfen, denn sie vermag lediglich Vervielfältigungen zu legitimieren, nicht etwa auch Sendungen.
- Damit jedoch nicht genug: An den vorgenannten Punkt schließt sich zusätzlich die Frage an, ob es sich um eine sogenannte Kabelweitersendung nach §§ 87 Abs. 5, 20b UrhG handelt. In diesem Fall nämlich hätte der Betreiber des Online-Videorekorders gegen den Sender einen Anspruch auf Erteilung einer entsprechenden Lizenz. Eine Kabelweitersendung setzt ein vollständig weiterübertragenes Programm voraus, § 20b UrhG. Hierfür ist es nach zwei Entscheidungen des Oberlandesgerichts (OLG) München (Urt. v. 03.06.2015, Az. 6 Sch 7/14 u. Urt. v. 06.04.2017, Az. 6 Sch 21/16) nicht ausreichend, wenn nur einzelne Sendungen weitergesendet werden.
Die Betreiber von Internet-Videorekordern haben auf die gerichtlichen Entscheidungen durch unterschiedliche Anpassungen ihrer technischen Modelle reagiert. Gegenstand gerichtlicher Verfahren ist derzeit ein Modell, nach dem das gesamte Programm eines Senders auf Initiative des Nutzers automatisch gespeichert wird. Ob dies den Anforderungen an eine Privatkopie und eine Kabelweitersendung genügt, ist noch nicht höchstrichterlich entschieden.
EuGH zur Privatkopienschranke: . In: Legal Tribune Online, 29.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25765 (abgerufen am: 06.11.2024 )
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