Aufenthaltsrecht von Nicht-EU-Bürgern: Familie muss mög­lich sein

von Tanja Podolski

30.05.2017

Schon nach der Freizügigkeitsrichtlinie dürfen EU-Bürger mit Ehepartnern aus nicht-EU-Ländern zusammenleben. Das muss also erst recht im eigenen Land gelten, meint der Generalanwalt. Sonst liefe das Recht auf Familienleben ins Leere.

Bürger der europäischen Union müssen auch nach einer Einbürgerung mit ihren Familienangehörigen zusammen leben können, meint der Generalanwalt Yves Bot am Europäischen Gerichtshof (EuGH). Die Tatsache, dass der Ehegatte sich zuvor ohne Aufenthaltsrecht in der Europäischen Union aufgehalten hatte, spielte in seinen Schlussanträgen am Dienstag keine Rolle (C-165/16).

Der klagende Algerier* reiste 2010 mit einem auf sechs Monate befristeten Besuchervisum in das Vereinigte Königreich ein. In der Folge hielt er sich rechtswidrig weiterhin im britischen Hoheitsgebiet auf. Die Spanierin war 1996 als Studentin in das Vereinigte Königreich gekommen, begann 2004 in Vollzeit dort zu arbeiten und erwarb 2009 durch Einbürgerung die britische Staatsangehörigkeit.

Im Jahr 2014 heirateten die beiden. Der Algerier beantragte eine Aufenthaltskarte, da er mit einer Staatsangehörigen des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) verheiratet sei. Als Antwort bekam die die Mitteilung, dass er ausreisen müsse, er habe seine zulässige Aufenthaltsdauer überschritten. Die Aufenthaltskarte bekomme er nicht, da seine Frau keine EWR-Staatsangehörige mehr sei, sondern Britin. Die Freizügigkeitsrichtlinie gelte für sie daher nicht mehr, und dementsprechend könne auch er als Ehemann daraus keinen Aufenthaltsstatus mehr ableiten.

Nur zur Erinnerung: Aus der Freizügigkeitsrichtlinie ergibt sich für Bürger der europäischen Union "das elementare und persönliche Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ...frei zu bewegen und aufzuhalten". Dieses Recht soll auch Familienangehörigen gewährt werden - gleich welcher Nationalität.

Auf die Klage des Mannes wandte der High Court of Justice (England and Wales) sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit der Frage, ob die britische Regelung zum abgeleiteten Aufenthaltsrecht mit dem Unionsrecht vereinbar sei.

Freizügigkeit gilt nur für EU-Bürger

Generalanwalt Yves Bot meint 'nein'. Nach seiner Einschätzung besteht ein untrennbarer Zusammenhang zwischen den eigenen Rechten der Ehefrau aus der Freizügigkeitsrichtlinie und dem Erwerb der britischen Staatsangehörigkeit. Zwar entschieden die Mitgliedstaaten allein über die Regelungen zur Einbürgerung, die nationalen Regelungen müssten aber natürlich mit dem Unionsrecht in Einklang stehen.

Mit der Einbürgerung sei die ehemalige Spanierin allerdings keine Unionsbürgerin mehr, sondern Britin, und die Richtlinie gelte eindeutig für EU-Bürger, die sich außerhalb des eigenen Landes aufhielten. Insofern deckt sich die Einschätzung des Generalanwaltes mit der der britischen Behörden: Ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht aus der Freizügigkeitsrichtlinie gibt es für den Algerier nicht mehr.

Allerdings, so der Generalanwalt, gebe es noch Art. 21 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Danach müssten die Mitgliedstaaten Unionsbürgern den Zuzug in ihr Hoheitsgebiet, den dortigen Aufenthalt mit den Ehegatten und möglicherweise bestimmten anderen Familienangehörigen, die keine Unionsbürger seien, erlauben. Diese Richtlinie sei nach der Rechtsprechung des EuGH entsprechend anzuwenden, wenn der EU-Bürger in seinen Herkunftsmitgliedstaat zurückkehrt.

Leben wie in der alten Heimat

Die frühere Spanierin will nun aber nicht in ihrem Herkunftsland, sondern in Großbritannien als neuer Heimat leben. Sie habe mit ihrer Einbürgerung zum Ausdruck gebracht, dass sie zu der neuen Wahlheimat nachhaltige und feste Bindungen knüpfen wolle.

Damit aber ihr Recht auf ein Familienleben aus Art. 21 AEUV praktisch wirksam werden kann, müsse ein Unionsbürger wie die Nun-Britin es so weiterführen können, wie sie es bislang schon in dem Mitgliedsstaat getan habe. Der Generalanwalt hat deshalb vorgeschlagen, die Rechtsprechung zur Rückkehr in das Heimatland auf den vorliegenden Fall zu übertragen.

Maßgeblich ist daher nach Einschätzung des Generalanwaltes der AEUV. Die nationalen Regelungen über ein abgeleitetes Familien-Aufenthaltsrecht für einen Nicht-EU-Staatsangehörigen dürften daher nicht so streng sein, dass sie dieses Recht ins Leere laufen lassen.

*Korrektur 07.11.2017: im Text stand zunächst der Kläger sei Albaner, er ist Algerier.

Zitiervorschlag

Tanja Podolski, Aufenthaltsrecht von Nicht-EU-Bürgern: . In: Legal Tribune Online, 30.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23060 (abgerufen am: 03.12.2024 )

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