EEG 2012 ist keine Beihilfe: Mehr Spiel­raum für die För­de­rung erneu­er­barer Ener­gien

Gastkommentar von Dr. Christian Kahle, LL.M.

29.03.2019

Der EuGH hat entschieden, dass die deutsche Förderung von Strom aus erneuerbaren Energien und die Begrenzung der EEG-Umlage keine Beihilfe darstellen. Ein wichtiges Urteil, meint Christian Kahle, nicht nur für stromintensive Unternehmen.

Für viele kam die Entscheidung aus Luxemburg überraschend: Die deutsche Ökostrom-Umlage ist keine staatliche Beihilfe. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) gab am Donnerstag einer Klage Deutschlands statt und erklärte einen Beschluss der EU-Kommission aus dem Jahr 2014 für nichtig (Urt. v. 28.03.2019, Az. C-405/16 P). Rückforderungen, die die EU-Kommission in Millionenhöhe gegen Deutschland geltend machte, entfallen deshalb.

In dem Verfahren ging es um das Gesetz über erneuerbare Energien aus dem Jahr 2012 (EEG 2012). Zugunsten von Unternehmen, die Strom aus erneuerbaren Energiequellen und aus Grubengas erzeugten, sah das Gesetz eine Förderregelung vor, wonach solchen Unternehmen ein höherer Preis als der Marktpreis garantiert wurde. So wird über die sogenannte "EEG-Umlage", die zunächst die Stromanbieter zahlen müssen, der Ausbau von Ökostrom finanziert. In der Praxis wälzen die Anbieter diese Umlage jedoch auf ihre Endkunden ab. Dieser fünfstufig ausgestaltete sog. „Ausgleichsmechanismus“ regelt die Vergütung des aus erneuerbaren Energien und Grubengas erzeugten Stroms durch die Netzbetreiber und Übertragungsnetzbetreiber sowie die Erstattung der im Rahmen dieses Systems ermittelten EEG-Umlage durch die Versorgungsunternehmen. Das Gesetz gewährt außerdem als Ausgleichsregelung Nachlässe für energieintensive Unternehmen, die sehr viel Strom verbrauchen.

Für rund 30 Unternehmen, die gegen die Beihilfeentscheidung der Europäischen Kommission zum EEG 2012 geklagt haben, stellt die Entscheidung aus Luxemburg einen wichtigen Meilenstein dar. Aber auch für die künftige energiepolitische Ausrichtung hat das Urteil große Bedeutung, da es nicht nur für das EEG und den darin geregelten Ausgleichsmechanismus Aussagen enthält, sondern auch Ausstrahlungswirkung auf das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz und andere Instrumente hat.

Kommission & EuG: EEG-Umlage und Begrenzung sind Beihilfen

Im Jahr 2013 hatte die Europäische Kommission ein Beihilfeprüfverfahren gegen das EEG 2012 durchgeführt. Mit Beschluss vom 25. November 2014 hat sie das förmliche Prüfverfahren in Bezug auf die Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und die Begrenzung der EEG-Umlage für energieintensive Unternehmen abgeschlossen. Dabei hat die Kommission entschieden, dass die Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien auf der Grundlage des EEG 2012 sowie die Begrenzung der EEG-Umlage für stromintensive Unternehmen gemäß §§ 40 ff. EEG 2012 als Beihilfe im Sinne von Art. 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zu qualifizieren sei. Eine unzulässige Beihilfe darf nicht durchgeführt werden. Geschieht das doch, kann die Kommission ihre  Rückforderung anordnen. Das geschah auch im Fall der EEG-Umalge Grundlage der Rückforderung war ein mit der Bundesrepublik Deutschland vereinbarter Anpassungsplan, welcher die Berechnung der zurückgeforderten Beträge regelte.

Zwar billigte die Kommission diese Beihilfen größtenteils, weil die Kommission die Förderung von Unternehmen, die EEG-Strom erzeugen, als Beihilfe für mit dem Unionsrecht vereinbar hält. Die Begrenzung der EEG-Umlage für stromintensive Unternehmen qualifizierte die Kommission ebenfalls als staatliche Beihilfe, erachtet aber auch diese als zum größten Teil mit dem Unionsrecht vereinbar. Daher ordnete die Kommission nur die Rückforderung eines begrenzten Teils an.

Mit Urteil vom 10. Mai 2016 (Az. T-47/15) bestätigte das EuG die Entscheidung der Kommission. Das EuG und die Kommission waren der Auffassung, dass mit der Förderung der erneuerbaren Energien und der Begrenzung der EEG-Umlage staatliche Mittel im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV gewährt würden. Sie begründeten das damit, dass von einer Staatlichkeit bereits dann auszugehen sei, wenn der Staat die Kontrolle über die Mittel ausüben könne. Um eine solche Kontrolle zu bejahen, reichte es ihnen, dass der Gesetzgeber einen engen regulatorischen Rahmen vorgibt und die von dem Staat benannten privaten Unternehmen – vorliegend die Übertragungsnetzbetreiber – die Mittel verwalten. So sind beispielsweise die Übertragungsnetzbetreiber nach der Ausgleichsmechanismusverordnung (AusglMechV) verpflichtet, den EEG-Strom am Spotmarkt der Strombörse zu verkaufen und aus den Erlösen – welche unter der gesetzlich festgelegten Einspeisevergütung für die Anlagenbetreiber liegen- nach gesetzlich festgelegten Regeln die sogenannte EEG-Umlage zu ermitteln. Damit läge im Fall der EEG-Umlage eine staatliche Kontrolle vor, da mit dem EEG und der AusglMechV alle Merkmale der EEG-Umlage vorgegeben würden. Zudem verfüge die Bundesnetzagentur über weitreichende Kontrollbefugnisse, um gegebenenfalls die rechtmäßige Erhebung der EEG-Umlage durchzusetzen.

EuGH: EEG gewährt keinen aus staatlichen Mitteln finanzierten Vorteil

Diese Entscheidung hat der EUGH mit Urteil vom 28. März 2019 aufgehoben und den Beschluss der Europäischen Kommission vom 25. November 2015 für nichtig erklärt.
Auch die Richter in Luxemburg setzen bei der Staatlichkeit der Mittel an. Mit der mit der EEG-Umlage geförderten Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien und der besonderen Ausgleichsregelung werde kein aus staatlichen Mitteln finanzierter Vorteil i.S.v. Art. 107 Abs. 1 AEUV gewährt.

Die Voraussetzungen sind nach Ansicht des EuGH nicht erfüllt. Zwar erfolge die Förderung des Stroms aus erneuerbaren Energien mit dem EEG 2012 auf einer gesetzlichen Grundlage. Auch führe der mit dem EEG 2012 eingeführte Fördermechanismus dazu, dass die Mittel unter staatlichem Einfluss stehen.

Als weitere Voraussetzung, um von einer staatlichen Beihilfe auszugehen, müsste aber der Staat  Verfügungsgewalt über die mit der EEG-Umlage erwirtschafteten Gelder haben. Dies vermag der EuGH im Fall der EEG-Umlage nicht zu erkennen. Das EEG 2012 verpflichte die Energieversorgungsunternehmen nämlich nicht dazu, die aufgrund der EEG-Umlage gezahlten Beträge auf die Letztverbraucher abzuwälzen, so dass die EEG-Umlage nicht einer Abgabe gleichgestellt werde könne. Insoweit reiche es auch nicht aus, dass die sich aus der Umlage ergebende finanzielle Belastung faktisch sehr wohl auf die Letztverbraucher abgewälzt wurde. Der Staat habe auch keine Verfügungsgewalt über die von den Übertragungsnetzbetreibern im Rahmen des sog. Ausgleichsmechanismus verwalteten Gelder. Eine andere als die im EEG 2012 vorgesehene Verwendung der Gelder könne er ebenfalls nicht beschließen.

Mehr Spielraum für die Förderung erneuerbarer Energien

Das Urteil beseitigt die Unsicherheit bezüglich der als "uferlos" gezeihten Ausdehnung des Beihilfenbegriffs. Die Frage nach der Staatlichkeit der Mittel war in der rechtswissenschaftlichen Literatur umstritten, insbesondere die fehlerhafte Würdigung des EEG-Ausgleichsmechanismus‘ durch die Kommission und das EuG wurde wiederholt beklagt.

Zugleich setzt das Urteil Leitplanken für die künftige Beihilfenkontrolle der Europäischen Kommission. Hier stand zu befürchten, dass diese mit ihrem weiten Verständnis der Staatlichkeit der Mittel eine Vielzahl von Maßnahmen als Beihilfe qualifizieren würde.

Ganz konkret hat das Urteil große wirtschaftliche Bedeutung für die stromintensiven Unternehmen. Aufgrund der Beihilfeentscheidung der Europäischen Kommission hatte das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) einige Bescheide zur Begrenzung der EEG-Umlage teilweise zurückgenommen. Die Unternehmen mussten daraufhin zum Teil fünf- bis siebenstellige Beträge erstatten. Die Rechtsbehelfsverfahren gegen die Teilrücknahmebescheide des BAFA können nun ebenfalls beendet werden. Die betroffenen Unternehmen dürften sich über eine Rückerstattung der gezahlten Beträge freuen.

Auch für die beihilfenrechtliche Beurteilung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG) oder der Netzentgeltbefreiung enthalten die grundsätzlichen Erwägungen des EuGH wichtige Aussagen.  So stellt sich auch hier die Frage, ob die gewährten Vorteile unter staatlicher Kontrolle stehen, weil klare regulatorische Regelungen bestehen.

Schließlich ergeben sich mit dem Urteil neue Möglichkeiten für die Energiepolitik. So besteht kein zwingender Bedarf mehr für die Einschränkungen, welche mit dem EEG 2014 hinsichtlich der Begrenzung der EEG-Umlage eingeführt worden sind, der seinerzeit mit der Kommission geschlossene Kompromiss verliert mit dem Urteil seine Grundlage. Dies gilt insbesondere für die Beschränkung der Regelungen zur Eigenversorgung und zur Begrenzung der EEG-Umlage für stromintensive Unternehmen. Die Bundesregierung erlangt damit neue Spielräume, sich aus dem Klammergriff der europäischen Vorgaben zu befreien. Insofern ergeben sich neue und größere Spielräume für die Förderung von Strom aus erneuerbaren Energien; aber auch in anderen Bereichen der Energiewirtschaft.

Der Autor Dr. Christian Kahle, LL.M., ist Rechtsanwalt und Partner bei BRL BOEGE ROHDE LUEBBEHUESEN Partnerschaftsgesellschaft mbB in Hamburg. Er verantwortet bei BRL den Bereich des Öffentlichen Wirtschaftsrechts. Er vertritt einen Wirtschaftsverband und seine Unternehmen in einem Verfahren vor dem EuG gegen den Beschluss der Europäischen Kommission vom 25. November 2014. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Öffentlichen Baurecht, Umwelt- und Planungsrecht sowie Vergabe- und Beihilfenrecht.

Zitiervorschlag

EEG 2012 ist keine Beihilfe: . In: Legal Tribune Online, 29.03.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34669 (abgerufen am: 09.12.2024 )

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